Entrepreneurin der neuen Identität

Leadership

Ursula von der Leyens Vorstoß zur Attraktivitätssteigerung der Bundeswehr ist nicht nur wichtig, sondern auch klug. Sie ist damit ein Lehrbuchbeispiel für die neue Sozialpsychologie der Führung.

Dieser Tage liest und hört man viel von der Bundesministerin der Verteidigung. Gerade sind zwei Biographien über sie erschienen und am 26. Februar beschloss der Bundestag das „Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“. Zuvor schon wurden in der Bundeswehr 29 Einzelmaßnahmen auf den Weg gebracht, für die kein neues Gesetz nötig war. Das Gesamtpaket soll die Bundeswehr zu einem attraktiveren Arbeitgeber machen, indem Kinderbetreuung für Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung gestellt wird oder die Möglichkeit zu Teilzeitarbeit geschaffen wird. Und ganz generell soll der Dienst an der Waffe innerhalb verlässlicher Arbeitszeiten stattfinden und dem Privatleben mehr Raum gewidmet werden.

Spötter malen bereits Bilder von Soldaten, die um 16 Uhr aus dem Panzer klettern, um sich ihren Kindern zu widmen und werfen der Ministerin Aktionismus vor, der angeblich nicht zu einer Armee passen würde. Aber das Gegenteil ist der Fall. Zum einen hat die Bundeswehr seit der Abschaffung der Wehrpflicht eine ganz andere Notwendigkeit, aktiv auf Personalsuche zu gehen. Auch die zunehmenden internationalen Einsätze mit leider auch Verletzten und Toten sind nicht gerade ideal für das Personalmarketing. Und während die Dax-Unternehmen und zunehmend auch der Mittelstand das Thema Arbeitgeberattraktivität seit Jahren auf der Agenda haben um dem Fachkräftemangel zu begegnen, hatte das Thema Attraktivität für die Bundeswehr nie wirklich Priorität. Dass Frau von der Leyen dieses Thema angegangen ist, war also mehr als nötig.

Aber Ursula von der Leyen ist damit auch ein Lehrbuchbeispiel für den neuen sozialpsychologischen Ansatz effektiver Führung. Führung findet nicht in einem Vakuum statt, sondern Führungskräfte und ihre Mitarbeiter gehören den gleichen Gruppen an – dem Team, der Abteilung, dem Unternehmen oder eben der Bundeswehr. Und je besser die Führungskraft das verkörpert, was die jeweilige Gruppe ausmacht, umso mehr werden ihre Mitarbeiter ihr auch vertrauen und die ausgegebenen Ziele zu ihren eigenen machen. Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass Führungskräfte, die für die Gruppe typisch sind, mehr Einfluss haben, sich eher auch Fehler leisten können und sie am Ende des Tages wesentlich effektiver sind als untypische Chefs. In unseren eigenen Untersuchungen haben wir zum Beispiel herausgefunden, dass typische Führungskräfte auch dann noch von ihren Mitarbeitern unterstützt werden, wenn sie Alleingänge machen und ihre Mitarbeiter nicht einbinden – eine nicht typische Führungskraft darf sich das dagegen nicht erlauben. Der Ingenieur, der sich zum Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung hochgearbeitet hat, wird die Identität dieser Abteilung wesentlich besser verkörpern, als der Betriebswirt, der diese Position als Seiteneinsteiger bekommen hat. In Universitäten gibt es kaum Präsidentinnen oder Rektoren, die nicht selbst vorher als Professoren geforscht haben. Und obwohl CEOs in Großkonzernen überwiegend Juristen oder Betriebswirte sind, haben die meisten von ihnen doch in einem Gewerbe begonnen und sind diesem treu geblieben: So waren Rolf Breuer oder Hilmar Kopper nach ihren Ausbildungen in der Deutschen Bank dort jahrzehntelang tätig, bevor sie es auf den Chefsessel geschafft haben.

Und dies hat Ursula von der Leyen instinktiv begriffen und macht etwas, das wir Identitätsmanagement nennen. Sie „macht“ sich für die Bundeswehr als erste Frau an der Spitze typisch, indem sie die ganze Organisation verändert. Wenn Themen wie Familienfreundlichkeit, Kinderbetreuung und Work-Life-Balance zum Kern der Diskussionen über die Bundeswehr werden, wer ist dann besser geeignet, diese zu vertreten, als eine Mutter von sieben Kindern und ehemalige Familienministerin? Von der Leyen ist damit eine Entrepreneurin der neuen Identität. Fotos von ihr im Panzer – wie sie einst von Helmut Kohl zirkulierten und auch damals nur lächerlich wirkten – wird es nicht geben, weil dies nur zeigen würde, wie wenig Erfahrungen sie in dem Bereich Technik und Militär hat. Stattdessen drückt sie der Bundeswehr einen neuen Stempel – ihren Stempel – auf und rückt sich damit selbst in die Mitte der Armee. Auch wenn dies mit Risiken behaftet ist, kann man es aus meiner Sicht kaum besser machen. Von der Leyen selbst sagt, die „Attraktivität zu steigern, ist keine einmalige Aktion, sondern tägliche Arbeit“ – und sie selbst macht ihre Arbeit gut.

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Rolf van Dick

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