Feedback in den Alltag etablieren

Personalmanagement

Feedback ist das wichtigste Thema, wenn es um Kultur geht. Denn es sagt eine Menge über den spezifischen Umgang miteinander aus, wie man Lob und Kritik äußert und damit umgeht. Dafür braucht es auch nicht immer ausgeklügelte Systeme. Entscheidend ist die Zielsetzung des Feedbacks.

Jeder kennt den Stolz, wenn man etwas geschafft hat, und das nicht nur mal eben so, sondern in einer Art und Weise, dass man richtig zufrieden ist. Wenn jetzt noch andere bestätigen, dass man einen guten Job gemacht hat, ist die Freude umso größer. Und da ist es fast egal, von wem das Lob kommt. Wichtig ist die Wertschätzung für das Geleistete. Das zeigt: Wir wollen Feedback, und wir brauchen es. Es ist wichtig zur Selbsterkenntnis und zur Weiterentwicklung, es soll befähigen. Nur so kann man selbst lernen und nur so kann eine Organisation lernen. Ohne Feedback sind Systeme nicht zu lenken, schreiben auch Chris Wolf und Heinz Jiranek in „Feedback. Nur was erreicht, kann auch bewegen“. Es ist also etwas, was heute unersetzlich ist und Orientierung für die Zukunft liefert.
Es lohnt sich demnach, darüber nachzudenken, wie Feedback gegeben wird. Das sagt unheimlich viel über die spezifische Kultur einer Organisation aus. Manche meinen sogar, sie hängt in erster Linie genau davon ab. „Wenn man nur eine Sache an der Unternehmenskultur verbessern kann, dann sollte man sich um die Art und Weise des Feedback-Gebens kümmern“, sagt der Management- und Organisationsberater Sebastian Purps-Pardigol. Für ihn ist Feedback eines der wichtigsten Tools, um die Beziehungsqualität der Menschen in einem Unternehmen zu verbessern. Allerdings kennt er kaum ein Unternehmen, das bei dem Thema nicht noch besser werden könnte.

Purps-Pardigol spricht bei Feedback nicht vom klassischen Mitarbeitergespräch oder einem 360-Grad-Feedback. Ihm geht es darum, dass die Menschen unmittelbar miteinander reden, wenn ihnen etwas auf der Seele liegt und wenn etwas gut oder schlecht lief. Es geht um situatives Feedback. Diese Art der Rückkopplung stellt auch Armin Trost in den Vordergrund, der sich in seinem aktuellen Buch intensiv mit dem Thema auseinandersetzt. Der Professor für Human Resource Management an der Business School der Hochschule Furtwangen sieht es als Zeichen einer guten Führungskultur, wenn man kontinuierlich auch auf informeller Ebene und unabhängig der Hierarchieebenen Feedback gibt und bekommt. Das ist allerdings schon einer der großen Knackpunkte. Denn Mitarbeiter beklagen zwar oft, dass sie zu wenig Feedback bekommen, sie trauen sich aber auch nicht immer, es sich zu holen.

Hier spielen Aspekte wie Macht, Angst und Vertrauen eine Rolle. Denn die Art und Weise der Rückkopplung gibt deutlichen Aufschluss darüber, wie hierarchisch es geprägt ist. „Wenn eine Kultur der Augenhöhe gelebt wird, dann hol ich mir das Feedback auch“, sagt Trost. Dann geht es nicht um Unterordnung und Abgrenzung, sondern um Kollaboration und Vernetzung. Aber Trost weiß auch, dass es Unternehmen gibt, für die solch eine Handlungsweise nicht in den Katalog erwünschten Verhaltens gehört.

Eine Bring- und Holschuld beim Feedback sieht auch Purps-Pardigol. Natürlich muss sich ein Mitarbeiter aber erst einmal überwinden, um insbesondere einem Vorgesetzten Feedback zu geben. Das weiß Anja Kiehne aus eigener Erfahrung. Sie ist Personalleiterin beim Hosenspezialisten Gardeur. Mitarbeiter nehmen hierarchische Strukturen sehr genau wahr, meint sie. Es gehöre daher eine Menge Vertrauensarbeit der Führungsebenen dazu, informelles Feedback in alle Richtung zu etablieren. Die Mönchengladbacher haben das unter anderem mit Lobkärtchen versucht. Jeder Mitarbeiter soll mit den Kärtchen, auf denen angelehnt an die Branche Kommentare wie „Hut Ab“, „Das Rockt“ oder „Passt Genau“ steht, ihren Kollegen auf jeglicher Hierarchiestufe eine Rückmeldung geben. Als individuelle Förderung im Alltag gedacht, soll das wie im Vorbeigehen geschehen und deutlich machen, dass man die Leistung des anderen wahrnimmt.
„Die Führungskräfte haben schon weniger Kärtchen von den Mitarbeitern bekommen als umgekehrt“, erzählt Anja Kiehne dazu. Sie kann darüber schmunzeln. „Das haben die Mitarbeiter leider bislang noch nicht so auf dem Schirm, dass auch ein Chef Feedback benötigt, durchaus auch in Form eines Lobkärtchens.“ Dabei entstand die Idee zur Arbeit an der Feedback-Kultur sogar speziell durch eine Projektgruppe, die sich mit der Führungskultur im Unternehmen auseinandergesetzt hat.

Eine Mischung verschiedener Tools

Bei Gardeur setzt man auf eine Ergebnis- und Leistungskultur. Mit Feedback will man die Mitarbeiter entwickeln und stark machen. Neben den Lobkärtchen und der stetigen Auseinandersetzung mit der Führungskultur setzt man daher auf eine Mischung verschiedener Tools. Zum einen gab es Workshops, in denen sich alle Mitarbeiter damit befasst haben, wie die eigene Perspektive wertschätzend eingebracht werden kann, zum anderen wurde prozess- und organisationsorientiertes Feedback etabliert: Dazu gehört beispielsweise, sich nach Besprechungen eine kurze Rückmeldung zu geben. Und zu guter Letzt setzt man bei dem Modehaus auf das jährliche Gespräch mit dem Mitarbeiter. Da geht es Anja Kiehne und ihren Kollegen um eine Rückschau auf die erzielten Ergebnisse und die Lernziele für das kommende Jahr.

Bei Gardeur hat man seinen Weg zwischen informellem und institutionalisiertem Feedback gefunden. Dennoch: Armin Trost sieht die klassischen Mitarbeitergespräche und andere Tools wie das beliebte 360°-Feedback skeptisch, insbesondere wenn sie nicht in eine vernünftige und wertschätzende Feedback-Kultur eingebunden sind. „Wenn man Führungskräfte dazu zwingen muss, einmal im Jahr mit den Mitarbeitern zu reden, hat das nichts damit zu tun, wie Feedback sein sollte.“ Für ihn ist die Frage nach dem Ziel eines Feedback-Tools elementar. Steht der Lerneffekt oder die Kontrolle eines Mitarbeiters im Vordergrund? Wird aus dem Feedback-Geber ein Richter, der über die Zukunft des Mitarbeiters entscheidet? Und nicht zuletzt: Für wen sind die Ergebnisse des Feedbacks
bestimmt: für HR, Führungskräfte oder den betroffenen Mitarbeiter? „Eigentlich muss immer derjenige Kunde des Feedbacks sein, der es bekommt. Doch das ist leider häufig nicht so. In vielen Fällen ist es die Instanz, die irgendwo im Unternehmen die zentralen Entscheidungen über einen trifft.“ Die Frage, ob in einem Feedback-Tool das drin ist, was draufsteht, wird also zu wenig gestellt.

Kontrolle statt Lernen

Daher sieht Trost auch sehr kritisch, womit beispielsweise Amazon im Sommer Schlagzeilen gemacht hat. Das sogenannte Anytime Feedback Tool bietet Mitarbeitern die Möglichkeit, Lob und Kritik an den Kollegen an die Vorgesetzten zu schicken. Es soll sogar Textvorschläge geben, wie: „Ich mache mir Sorgen über seine mangelnde Flexibilität und sein offenes Klagen über kleinere Aufgaben.“ Die betroffenen Mitarbeiter erfahren allerdings nicht, wer sie wie kritisiert hat und können sich dementsprechend nicht damit auseinandersetzen. „Derjenige, der mir Feedback gibt, soll bitteschön dazu stehen“, meint Armin Trost dazu. Und: „Die Vorgehensweise klingt vielleicht auf den ersten Blick smart, weil sie von Amazon kommt, aber im Grunde ist sie mehr als beunruhigend, eine Art Stasi-Methode.“ Dieses Feedback soll außerdem bei Amazon in manchen Fällen mit in die jährlichen Leistungsbewertungen einfließen. Es ist klar, dass bei solch einem Tool eher die Kontrolle als das Lernen im Vordergrund steht und eine Kultur der ständigen Rivalität untereinander produziert wird – auch wenn Amazon sagt, dass es ihnen eigentlich nur um einen Wettbewerb der besten Ideen geht und sich die Mitarbeiter untereinander fordern sollen. Feedback, wie es eigentlich gedacht ist, wird so in jedem Fall ad absurdum geführt.

Feedback ist komplex. Und eine Aufgabe, die allzu schnell im fordernden Arbeitsalltag untergeht. Anja Kiehne gibt zu, dass sie sich selbst immer wieder daran erinnern muss, Feedback zu geben und unter anderem Lobkärtchen zu verteilen. Dabei weiß die Personalchefin, wie gut dieses auf den ersten Blick recht simpel erscheinende Tool wirkt: „So viele strahlende Gesichter habe ich selten erlebt. Man sah den Leuten an, dass sie stolz darauf waren, solch ein Lob zu bekommen.“ Und auch wenn das Instrument nicht mehr in der Intensität gelebt wird wie in den ersten Wochen nach der Einführung, versucht Kiehne es immer wieder neu zu beleben.

Feedback von Kunden

Im Grunde schlägt sich auch im Thema Feedback eine grundsätzliche Entwicklung nieder, die die Unternehmen gerade umtreibt. Wie werden sie agiler, schneller, vernetzter? Feedback spielt da eine entscheidende Rolle. „In einem agileren Kontext bin ich nicht primär einer Führungskraft verpflichtet, sondern direkten Kollegen sowie internen und externen Kunden“, sagt Armin Trost. „Um daher meinen Job gut zu machen, brauche ich insbesondere von ihnen Feedback.“ Noch ein Grund, warum Feedback-Systeme eher horizontal als vertikal funktionieren sollten. Die Zukunft des Feedbacks ist arbeitnehmergetrieben, heißt es. Wenn man sie denn lässt.

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Kathrin Justen

Kathrin Justen ist Verantwortliche für People and Culture bei der Digitalberatung Digital Dna und arbeitet nebenberuflich als freie Journalistin.

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