Fehlt Frauen der Wille zur Macht?

Leadership

„Frauen in Führungspositionen“, „Frauenquote“, „Gleichberechtigung“ – viele verdrehen bei diesen Schlagworten die Augen. Dabei sollten wir uns gerade in der feminisierten Public-Relations-Branche ernsthaft mit dem Mangel an weiblichen Chefs auseinandersetzen. Eine Suche nach den Gründen.

Gerade mal drei Kommunikationsabteilungen der 30 Dax-Unternehmen werden von Frauen geführt. Drei von 30. Bei den 50 mDax-Firmen stehen 13 Damen an der Spitze. In den 30 Agenturen der Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA) sind in sieben Agenturen Frauen ganz oben. Wir leben im Jahr 2013, und das ist das Ergebnis? Es verwundert umso mehr, denn die PR wird oft als ein „feminisierter Berufsstand“ bezeichnet. Das stimmt. Bei 54 Prozent lag der Frauenanteil 2012. 80 Prozent der Berufsanfänger sind weiblich. Aber der Satz in einem Artikel von „Spiegel Online“ „PR und Öffentlichkeitsarbeit sind reine Frauensache“ ist schlichtweg falsch. Denn von den Gipfeln der Macht winken dann doch nicht mehr viele Damen. Zudem bewegte sich das jährliche Durchschnittseinkommen von Frauen 2012 fast 20.000 Euro unter dem der Männer, wie aus der Berufsfeldstudie „Profession Pressesprecher“ hervorgeht. Man braucht sich nichts vorzumachen, die geschlechtsspezifischen Probleme sind in der PR die gleichen wie in anderen Berufsfeldern auch. Woran liegt das? Fehlt den Frauen schlichtweg der Wille zur Macht?

„Nicht der Wille fehlt den Frauen, aber die Lust“, sagt Romy Fröhlich, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. „Frauen“, sagt sie forsch, „haben oftmals keine Lust, die üblichen Macht-Spielchen auf dem Weg nach oben mitzumachen. Deshalb beherrschen sie sie auch nicht.“ Hört man Frauen in Führungspositionen etwas genauer zu, wird klar, was mit „Spielchen“ gemeint ist: Von „Positionierungsgehabe“ ist die Rede, vom „Festlegen der Hackordnung“. „Spielchen“ heißt Wettbewerb auf allen Ebenen. Dazu zählt auch das Autorennen der Managementriege hin zum Tagungshotel, bei dem man bloß nicht als Letzter ankommen sollte.

Stereotypes Denken

Auch Susanne Marell (49), CEO von Edelman Deutschland, möchte Frauen „den Willen zur Macht nicht absprechen“. Aber die Art, sich zu artikulieren, die Art zu leben, die entspreche nicht dem klassischen männlichen Machtmodell. „Frauen wollen auch Chefs sein, wollen auch steuern“, fügt sie hinzu. Sie selbst hat in ihrer Karriere immer die Bereitschaft signalisiert, dass sie mehr Verantwortung übernehmen wollte. Gut so, denn nach ihrer Heirat nahmen Vorgesetzte zunächst an, dass sie jetzt keine Lust mehr hätte auf Karriere und den eventuell damit verbundenen Umzug in eine neue Stadt. Ähnlich hat es Elisabeth Schick (47), Leiterin der Abteilung Communications und Government Relations bei BASF, erlebt. Nach ihrer Hochzeit kam schnell die Frage, ob jetzt Kinder geplant seien. Die Frage implizierte auch, dass mit Kind die bis dahin erfolgreiche Karriere zum Stillstand käme. Heute, meint Schick, würde bei BASF vielmehr darüber nachgedacht, wie sich Kinder und Karriere für alle Seiten am besten vereinbaren lassen und wie ein schneller Wiedereinstieg in den Beruf gelingt. Es habe sich doch einiges getan, findet sie. Susanne Marell, die Anfang der 90er (!) noch auf Vorstandsetagen ohne Damen-WC Projekte präsentierte, unterstellt ihren damaligen Vorgesetzten „keine böse Absicht, aber es wurde vollkommen in Stereotypen gedacht“. Hat sich daran etwas geändert?

Erfolg macht nicht sexy

Dass unser Männer- beziehungsweise Frauenbild stark von Stereo­typen geprägt ist, zeigt eine aktuelle Studie der Technischen Universität München (TUM). Das Szenario: Ein(e) Angestellte(r) bekommt eine dringliche Aufgabe von dem/der Chef/Chefin. Die Testpersonen, die diese Situation beurteilen sollten, erwarteten ein besseres Arbeitsergebnis, wenn ein Chef statt einer Chefin die Aufgabe gestellt hatte. Dabei wurde deutlich, dass das gleiche Verhalten von Männern und Frauen in Führungspositionen unterschiedlich bewertet wird. Ein desillusionierendes Fazit, heißt es doch immer, Frauen müssen sich mehr zutrauen, besser netzwerken, besser dies und besser jenes. Frauen können also noch so viel an sich selbst arbeiten, es ist die allgemeine Wahrnehmung, an der sich tatsächlich etwas ändern muss.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Autoren einer weiteren Studie, die Sheryl Sandberg, Vizechefin von Facebook, in ihrem Buch „Lean in“ zitiert: Der Name eines erfolgreichen Unternehmers/einer erfolgreichen Unternehmerin lautete Howard beziehungsweise Heidi. Die Erfolgsgeschichte der beiden wurde den Studienteilnehmern beschrieben. Heidi und Howard wurden von den Befragten als gleich kompetent bewertet. Jedoch lagen die Sympathien der Teilnehmer eindeutig bei Howard. Heidi hingegen empfanden die Befragten als egoistisch. Auf keinen Fall wollten sie mit oder für Heidi arbeiten. Immer wieder habe Sandberg beobachtet, wie diese Dynamik wirkt. „Wenn eine Frau sehr gut in ihrem Beruf ist, lautet der Kommentar männlicher wie weiblicher Kollegen, dass sie zwar vielleicht viel leistet, (…) aber wahrscheinlich auch ,zu aggressiv‘, ,keine Teamplayerin‘, ,ein bisschen schwierig‘, ,nicht vertrauenswürdig‘ oder ,kompliziert‘ ist“, schreibt sie. Ein Bewusstmachen dieser Stereotype reiche nicht aus, erklärt Isabell Welpe, Mit-Autorin der oben erwähnten Münchner Studie. Die Professorin für Strategie und Organisation entwickelt mit ihrem Team nun Schulungen. Diese sollen helfen, Kompetenzen von Frauen und Männern ohne den Einfluss geschlechtsspezifischer Stereotype zu beurteilen.

Mangelndes Selbstvertrauen

Elisabeth Schick hat in ihrer Karriere zahlreiche Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt. Frauen, so ihre Erfahrung, trauten sich oft nicht so viel zu. „Wenn ich eine Mitarbeiterin frage, ob sie sich Job x im Ausland vorstellen könnte, höre ich oft: ,Ja, meinen Sie denn, ich schaffe das?‘“ Ein Mann habe ihr so eine Frage noch nie gestellt – eine Beobachtung, die viele Entscheider gemacht haben. Männliche Mitarbeiter, so Schick, würden nicht zögern und im gleichen Moment sogar noch über ein höheres Gehalt verhandeln.

Natürlich gibt es immer Ausnahmen bei beiden Geschlechtern. Aber dieses ureigene Selbstvertrauen, das die meisten Männer mitbringen, ist nicht gerade typisch für Frauen. Es ist auch nicht rollentypisch, forsch aufzutreten und knallharte Forderungen zu stellen. Hoch ist das Risiko, sich unbeliebt zu machen, wie in den oben erwähnten Studien nachgewiesen wurde. Und wer möchte schon einen Chef, der einem mit negativen Gefühlen gegenübertritt? Es ist und bleibt ein schmaler Grat, auf dem sich Frauen bewegen: einerseits Ansprüche formulieren, andererseits sich nicht unbeliebt machen. Natürlich sei es wichtig, seine Karrierewünsche zu artikulieren, so Schick. Aber zu fordernd oder sogar verbissen aufzutreten, das sei nicht zielführend. „Das, was bei Männern als Stärke gilt, wird Frauen oft als zu dominantes Verhalten ausgelegt“, fügt sie hinzu.

Kind oder und Karriere

Kein Text über Frauen in Führungspositionen, ohne über die Vereinbarkeit von Kind und Karriere zu sprechen. Auf die Frage, warum es so wenige Frauen an die Spitze schaffen, lautet die Antwort oft, dass die Lebensjahre zwischen 30 und 40 wichtig seien für die Karriere. Aber gerade in diesem Alter setze nun mal oft die Familienplanung ein. So weit die Biologie. Frauen verlören in dieser Phase wertvolle Zeit. Zeit, die der männliche Kollege auf gleicher Karrierestufe hätte, um am eigenen Weiterkommen zu basteln.

Fakt ist, dass der Staat endlich genügend Betreuungsangebote schaffen muss, um Männern und Frauen in der PR und anderen Berufen Karriere und Familie zu ermöglichen. Aber auch Unternehmen sind hier in der Pflicht. Stichwort Betriebskindergärten – wohlgemerkt mit genügend Plätzen. Stichwort flexible Arbeitszeiten – wohlgemerkt ohne grimmige Gesichter, wenn man das Büro eher verlässt und sich ins Home-Office verabschiedet. In Bezug auf Kind und Karriere fehlt uns in Deutschland im Vergleich zu Frankreich oder Skandinavien einfach noch ein Stück mehr Normalität, leider. Fakt ist aber auch, dass „in keinem anderen Berufsfeld die Kinderlosigkeit von Frauen so groß ist wie in der PR“, sagt Romy Fröhlich. Deshalb, so Fröhlich, könne der Faktor „Kind“ nicht als Grund gelten, der PR-Frauen von Spitzenpositionen fernhalte.

Tatsächlich Gleichberechtigung

„Schon Anfang der 80er Jahre hat man uns gesagt, jetzt würde alles anders werden, ein Ruck würde durch die Unternehmen gehen – viel ist aber nicht passiert“, so Fröhlich. Dabei wurde in vielen Studien nachgewiesen, dass Unternehmen mit gemischten Führungsriegen erfolgreicher sind. „Gemischt“ bezieht sich dabei übrigens nicht nur auf das Geschlecht, sondern auch auf Alter, Migrationshintergrund et cetera. Zeit also, sich nicht nur in Absichtserklärungen zu verstricken. Zeit also, ernsthaft Lösungen für die entscheidenden Punkte zu entwickeln: gezielte Frauenförderung, flexible Arbeitswelten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn, wie Sheryl Sandberg sagt: „Das Versprechen von Gleichberechtigung ist nicht dasselbe wie tatsächlich existierende Gleichberechtigung.“

 

Der Artikel ist zuerst im Magazin pressesprecher erschienen, Ausgabe 05/2013.

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Felicitas Ernst

Leitende Redakteurin
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