Fünf Schritte zur Beschleunigung im Recruiting

Recruiting

Die Herausforderungen für das Recruiting sind enorm: Der Talentmarkt ist hart umkämpft. Stellenbesetzungen dauern wesentlich länger als früher. Und die Aufgaben werden immer komplexer. Gefragt ist ein völlig neues Rollenverständnis der Recruiter.

Personalmanager sind sich schon seit langer Zeit bewusst, dass der Wettbewerb um Talente härter wird. Mit der Zunahme neuer Technologien, die Geschäftsmodelle ins Wanken bringen sowie veränderte Kompetenzen und neue Arbeitsweisen erfordern, wächst die Nachfrage nach qualifizierten Talenten immer schneller und übersteigt die verfügbaren Kapazitäten.

Basierend auf den Daten zu Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften, die mit Hilfe unseres TalentNeuron-Tools ermittelt wurden, zeigt sich, dass innerhalb der ersten sechs Monate dieses Jahres in Deutschland circa 7,7 Millionen Stellen online ausgeschrieben wurden. Das sind etwa 43.000 offene Stellen pro Tag. Wenn man zudem bedenkt, dass drei Viertel der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter bereits in einem Beschäftigungsverhältnis steht, schafft dies ein hart umkämpftes Umfeld, in dem mehrere Arbeitgeber bei dem Versuch der Rekrutierung und Bindung derselben Arbeitnehmer in direktem Wettbewerb zueinander stehen.

Zudem beobachten wir zurzeit auf dem Arbeitsmarkt eine branchen- und spartenübergreifende Angleichung der erforderlichen Qualifikationen, was wiederum in bestimmten Feldern einen Engpass des Angebots an qualifizierten Talenten verursacht. Wenn dieser Trend anhält, könnten Unternehmen sich mit einem extremen Wettbewerb, charakterisiert durch verzerrte Gehaltsangebote und aggressive Strategien, konfrontiert sehen.

Dies alles führt zu einer zunehmend komplexen Rolle der Recruiter. Ihre Arbeitsbelastung hat sich im Laufe der letzten fünf Jahre um gut ein Drittel erhöht, da mehr und mehr Stakeholder in den Einstellungsprozess einbezogen werden müssen, es höhere Anforderungen in Bezug auf Compliance und Vorschriften zu erfüllen gilt und größere Talentpools zur Stellenbesetzung einbezogen werden müssen. Zudem verlängerte sich die Dauer des Personalbeschaffungszyklus.
Der Talentmangel auf dem angespannten Arbeitsmarkt von heute hat einen entscheidenden Einfluss auf die Personalbeschaffung. Eine unserer jüngsten Studien hat gezeigt, dass es durchschnittlich 63 Werktage dauert, eine Stelle neu zu besetzen, was einen Anstieg um 21 Werktage in den letzten sechs Jahren bedeutet.

Diese Verlangsamung bei Neubesetzungen kann zu Einschränkungen bei der Produktivität, Innovation und des Unternehmenswachstums führen – Produktentwicklungsinitiativen kommen ins Stocken, Produkteinführungen verzögern sich, neue Geschäftsabschlüsse können nicht realisiert werden und bestehende Kunden werden nicht optimal bedient.

Um auf diese Marktgegebenheiten zu reagieren, müssen sich Recruiter zu „Talent Advisorn“ weiterentwickeln, um die geschäftliche Wirkung voranzutreiben und einen Mehrwert für die strategische Entscheidungsfindung zu bieten.
Um Fähigkeiten eines „Talent Advisors“ aufzubauen, sollten Personalleiter und ihre Teams die folgenden fünf Schritte befolgen:

1. Anwendung von wertvollem Know-how über den Arbeitsmarkt

Recruiter, die über Kenntnisse zu den Arbeitsmärkten verfügen und diese einsetzen, zeigen eine um 16 Prozent bessere Leistung als diejenigen, die diese nicht haben. Diese Kenntnisse können darüber hinaus zu einer Steigerung des geschäftlichen Einflusses der Recruiter um 42 Prozent führen.

Unsere Studien zeigen, dass folgende Faktoren Arbeitnehmer dazu bewegen, den Arbeitgeber zu wechseln: bessere Vergütung, ein besseres kollegiales Arbeitsklima und eine respektvollere Umgebung. Recruiter, die sich dieser Arten von Arbeitsmarktindikatoren eindeutig bewusst sind, können bessere Entscheidungen im Hinblick auf die arbeitsbezogenen Attribute treffen, die für Bewerber am wichtigsten sind – zumal sich Präferenzen zwischen den Talentsegmenten auch unterscheiden. Dieses Niveau an Arbeitsmarktexpertise wird von internen Geschäftspartnern zunehmend erwartet und baut Vertrauen bei den Personalverantwortlichen auf.

2. Wissensaufbau hinsichtlich Sourcing von Schlüsselkompetenzen

Unternehmen erschweren sich den Wettbewerb um Talente, indem sie sich streng an die oft übertrieben spezifischen Anforderungen der Personalverantwortlichen halten. Tatsächlich stimmen 64 Prozent der Recruiter darin überein, dass es schwerer ist, Kandidaten zu finden, die exakt dem Kompetenzprofil entsprechen, das von den Personalverantwortlichen gefordert wird, als noch vor fünf Jahren.

Daher sollten Recruiter die Personalverantwortlichen davon überzeugen, die Suchkriterien flexibler zu gestalten, aber zugleich auch eine agile Sourcing-Strategie festzulegen, die das richtige Verhältnis zwischen den Bedürfnissen des Unternehmens einerseits und der Anpassung an die Realitäten des Talentangebots auf dem externen Arbeitsmarkt andererseits findet.

Darüber hinaus sollten sie ihre Suche auch auf Talentquellen jenseits konventioneller Talentpools ausdehnen und abseits von traditionellen Kanälen rekrutieren, um Kandidaten mit vielseitigerem Hintergrund zu erreichen.

3. Optimierung des Einstellungsprozesses durch präzisere Methoden der Bewerberauswahl

Da Unternehmen bestrebt sind, strategischen Unternehmensprojekten Rechnung zu tragen, verlagert sich der Schwerpunkt der Assessment-Strategien vom menschlichen Urteilsvermögen auf datenbasierte Entscheidungen. Fast zwei Drittel der von uns befragten leitenden Mitarbeiter im Personalwesen führten die Stärkung der Fähigkeiten ihres Unternehmens, Talente zu bewerten und auszuwählen als eine der drei höchsten Prioritäten an.

Heutzutage werben Recruiter nur selten Kandidaten an, ohne diese zunächst einem objektiven psychometrischen Assessment zu unterziehen. Die erfolgreichsten Assessment-Strategien beruhen dabei auf den folgenden vier Elementen:

  • Eine eindeutige Festlegung der erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten zur Ausführung der Strategie und Realisierung der Geschäftsziele (der Stelle)
  • Festlegung eines gleichbleibenden Vorgehens, um sicherzustellen, dass alle Kandidaten in Bezug auf die relevanten Kompetenzen, Fähigkeiten und Qualifikationen fair beurteilt werden
  • Anwendung und Einführung zuverlässiger, objektiver und stabiler Assessment-Instrumente, um richtige und faire Einstellungsentscheidungen zu gewährleisten
  • Verwendung von Assessment-Daten in aggregierter Form, um die Assessment-Ergebnisse aussagekräftiger und besser verwertbar zu machen

Die Ausschöpfung des Potenzials von Assessments erlaubt Unternehmen einen präziseren Einblick in die aktuellen Einstellungen, Verhaltensmuster und Fähigkeiten von Bewerbern. Der Einsatz von Assessment-Technologien und Analysen ermöglicht so die Ausrichtung der Ressourcen von Recruitern auf wertschöpfendere Tätigkeiten.

4. Zielgerichteter Einsatz von fortschrittlicher Analytik und Big Data

Die Hälfte aller Personaler weltweit ist bestrebt, die analytischen Fähigkeiten im Personalwesen zu steigern. Und 70 Prozent der Personalchefs geben an, dass sie bereits relevante Erkenntnisse aus aktuellen Analysen ziehen. 73 Prozent gehen zudem davon aus, dass in den nächsten zwei Jahren Analysen ein erheblich höherer Stellenwert zukommen wird.

Das Ziel in der Rekrutierung besteht darin, jederzeit mit nur wenigen Klicks auf aussagekräftige Talentdaten zugreifen zu können, um eine schnelle und zutreffende Analyse zu ermöglichen. Allerdings sind selbst die besten Analyseinstrumente nur so gut wie die Daten, mit denen sie versorgt werden. Aus diesem Grund muss die Assessment-Strategie so aufgebaut werden, dass sie der Sammlung und Nutzung von Daten Vorschub leistet, damit analytische Einblicke in den Prozess integriert und nicht nur bei Bedarf extrahiert werden können.

Die wirklich aussagekräftigen, strategischen Einblicke in den Talentpool beruhen auf der Fähigkeit, interne und externe Benchmarking-Daten zur Analyse des Talentangebots und der Talentnachfrage zu nutzen. Dies hilft wichtigen Stakeholdern bei der Orientierung zu folgenden Fragestellungen: Welche Geschäftseinheiten stellen den größten Anteil an zukünftigen Führungspersönlichkeiten? Auf welche Städte beziehungsweise Standorte sollte sich das Unternehmen in Bezug auf kritische Talentsegmente fokussieren? Welche Aspekte der Personalmarketingstrategie sind am effektivsten bei der Anwerbung der besten Mitarbeiter? Und: Welche Kombination an Fähigkeiten ist an den Unternehmens-Standorten verfügbar?

5. Steigerung des Wertschöpfungsbeitrags des Recruiting-Bereichs

Recruiting-Bereiche haben oftmals Schwierigkeiten, die erforderliche Unterstützung zur Verbesserung von Geschäftsergebnissen zu leisten. Tatsächlich betrachten weniger als ein Fünftel aller Fachvorgesetzten Recruiter als effektive Partner.

Gute „Talent Advisor“ lassen die Talentstrategie in die Einstellungsentscheidungen einfließen. Sie nutzen ihre tiefgehende Arbeitsmarktexpertise und präzise Datenanalysen, um Einstellungsentscheidungen zu beeinflussen und eine zielgerichtete Nachfolgeplanung zu verfolgen.

Um am heutigen Talentmarkt bestehen zu können, müssen Recruiting-Bereiche sowohl schnell als auch effektiv sein. Durch die Optimierung von Sourcing-Strategien, die Rationalisierung des Einstellungsprozesses mithilfe von Assessment-Instrumenten, die Nutzbarmachung von Analysen sowie den Aufbau von „Talent Advisorn“ können nach unseren Erfahrungen Unternehmen offene Stellen doppelt so schnell besetzen. Und dass ohne dabei Qualitätseinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Sofern sie richtig umgesetzt werden, führen all diese Aktivitäten und Investitionen außerdem zu hohen Einsparungen und leisten damit einen direkten und nachhaltigen Wertschöpfungsbeitrag.

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André Fortange, Foto: MICHAEL B. REHDERS

André Fortange

Managing Director
CEB
André Fortange verantwortet als Managing Director das Gesamtgeschäft von CEB in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) sowie das EMEA HR-Consultinggeschäft. Vor seiner Tätigkeit bei CEB war er Mitglied der Geschäftsleitung bei Kienbaum sowie Senior Manager bei Accenture.

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