HR als Change- und Transformationsberater

Leadership

Big Data sollte dazu beitragen, die strategische Personalplanung voranzubringen und das Thema Transformation muss sich HR erst verdienen, meint Walter Jochmann von Kienbaum. Im Interview erklärt er seine Sicht auf die Rolle von HR im Unternehmen.

Herr Dr. Jochmann, vor einem Jahr haben Sie uns von der Gründung des Instituts für Leadership und Transformation erzählt, das sich Zukunftsthemen widmen soll. Wie ist die Arbeit bisher angelaufen?
Das Institut ist zum November letzten Jahres gegründet worden und wir sind vor rund einem Monat mit der Webseite live gegangen – also hatten wir eine gewisse Aufbauphase. Jetzt planen wir Studien aus zwei unterschiedlichen Feldern: Einmal HR in Familienunternehmen. Da geht es auch darum, den Bogen zu Startups zu schlagen. Wobei der zweite Forschungsschwerpunkt in Richtung digitale Transformation geht. Welche Dimension von Digitalisierung kommt auf das Personalwesen zu? Welche Effizienz-Chancen liegen in den digitalen Anwendungen? Wie wird die digitale Transformation die Unternehmen und ihre Personalplanung beeinflussen? Diese Studie bereiten wir gerade vor.

Sie sagten auch, dass Sie sich in jedem Fall Themen wie Big Data widmen wollen. Ist das für Sie eines der größten Zukunftsthemen mit denen sich HR befassen muss?
Nein. Die Frage wird sein, welche Daten können wir in Deutschland in Bezug auf Datenschutz und Mitbestimmung vernünftig auswerten. Natürlich könnte man unheimlich viel machen. Wenn ich zum Beispiel alle Mitarbeiter-E-Mails scanne, dann brauche ich keine Befragung mehr. Und ich kann alle persönlichen Daten aus sozialen Medien in persönliche Eignungs- und Potenzialprofile einfließen lassen. Das geht alles schon, nur nicht in Deutschland.
Ich halte das Thema Big Data für sehr wertvoll, um Daten aus der Belegschaft kumuliert präsent und verfügbar zu halten und diese mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens zusammenzubringen. Also im Grunde genommen wird bezüglich der strategischen Personalplanung und des HR-Controllings weitergedacht.

Auch der HR-Klima-Index zeigt, dass dieses öffentlich sehr stark diskutierte Thema gar nicht in dieser Form den Bedarf der Unternehmen trifft.
Die Frage ist, wer pusht gerade das Thema Big Data. Wir sehen in unseren jährlichen Auswertungen den Bedarf der Personalchefs. Diese haben die quantitative Personalarbeit nie als Trend gesehen und waren auch noch nie besonders datenaffin. Unter den Top-10-Themen war nie das HR-Controlling und die strategische Personalplanung hat es gerade mal auf Platz fünf geschafft. Taucht dann nun etwas wie digitale Personalarbeit auf und fragt man sich, was dies für den Einzelnen bedeutet, dann gehen die Meinungen dabei ganz weit auseinander.
Übrigens, auf den Personalkongressen, wo über digitale HR gesprochen wird, sitzen nicht die Personalchefs, sondern die Leiter von Change-Einheiten. Denn es gibt mehr zu tun mit Blick auf Transformation und Change. HR müsste den Unternehmensbereichen – wo sich Geschäftsmodelle verändern – deutlicher zur Seite stehen und währenddessen die Frage, welche Kernkompetenzen man künftig eigentlich braucht, im Blick behalten. Welche Mitarbeitergruppen müssen ausgebaut werden, welche verkleinert oder wen muss man woanders unterbringen? Das sind alles veritable Fragen.

Also setzen die HRler den richtigen Fokus, indem sie bei Themen wie Change Management einen höheren Bedarf sehen als bei den digitalen Themen?
Es gibt zwei Verständnisse der digitalen Themen. Das eine betrifft das, was ich in meinem Personalbereich mit meinen Produkten und Prozessen tun kann. Dazu sollte man einen Experten einstellen oder eine Fachdiskussion führen. Dann würde man sicherlich zu dem Ergebnis kommen, dass manche Personalprozesse vereinfacht werden können. Ob es noch besonders modern ist, Mitarbeitergespräche in Formulare einzutragen und dort Boni irgendwie analytisch zu berechnen, würde ich anzweifeln. Natürlich gehören da mobile Applikationen und demokratischere Modelle hin. Digitalisierung ist aber viel bedeutsamer für das Unternehmen und sein Geschäftsmodell, als für die Frage, was wir in HR machen und wie viele Euros man damit hier einsparen kann. Es geht mehr darum, mit Change-, Transformations- und Organisationsentwicklungsberatung den Geschäftsbereichen zu helfen.

Sehen Sie mit Bezug darauf einen steigenden Einfluss von HR?
HR hat drei große Handlungsfelder: Das eine ist das Thema Ressourcenmanagement – die richtigen Leute zu besorgen und sie so zu schulen, dass sie in ihrem Job maximal performen. Das zweite ist das Thema Führung und Kultur, welches fast ebenso wichtig ist. Das dritte Thema –Transformation, sprich das Unternehmen agiler zu machen und Veränderungen zu begleiten – ist ein relativ neues Angebot. Es ist auch komplex und häufig machen es andere im Unternehmen. Dieses Angebot erwartet man nicht unbedingt von HR. Wir müssen uns das verdienen, indem wir auf Augenhöhe die Change- und Businessthemen mit den HR-Hebeln verbinden. Dafür müssen wir wiederum das Geschäft kennen.
Darüber hinaus gilt es hier manchmal aber auch, bescheiden zu bleiben und nicht Ansprüche anzumelden, wenn man sie vom eigenen Profil her gar nicht erfüllen kann. Das ist in vielen Personalbereichen einfach so. Es sind immer noch über 60 Prozent der HRler administrativ-reaktiv unterwegs. Dementsprechend gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen den vorhandenen Kompetenzen und dem, was das Geschäft wirklich braucht von HR.

Sollte sich denn HR stärker bei der Transformation einbringen?
Das Ressourcenmanagement ist schon schwer genug. Führung und Kultur ist weiterhin Königsaufgabe, da gibt es einen gewissen Schwenk in Richtung Demokratisierung oder Startup-Kultur. Dann das Thema Transformation. Wer alles drei beherrscht, ist perfekt. Aber es geht nicht nach dem Motto: Wir spielen bei der Transformation mit, haben aber nicht genügend Mitarbeiter in der Produktion bereitgestellt.

Demnach sehen Sie nicht unbedingt, dass die HR-Funktion gewichtiger wird im Unternehmen?
Nein. Ich sehe einen unverändert guten Einfluss, aber aufgrund dieses hohen Einflusses, den HR-Faktoren haben, heißt es noch lange nicht, dass der Personalbereich wichtiger wird. Das ist eine ewige Diskussion. Und wer lange darüber diskutiert, wie man sich an den Tisch des Managements setzt, hat Minderwertigkeitskomplexe oder will sich zu teuer verkaufen. Die personalwirtschaftlichen Faktoren der Unternehmensführung werden wichtiger, aber die Personalbereiche sind ähnlich wichtig wie vor zehn Jahren.

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Kathrin Justen

Kathrin Justen ist Verantwortliche für People and Culture bei der Digitalberatung Digital Dna und arbeitet nebenberuflich als freie Journalistin.

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