„HR muss dem CEO ein neues Portfolio liefern“

Future of Work

Auf das Personalmanagement in deutschen Unternehmen kommen große Herausforderungen zu: Wie kann es in dynamischen Zeiten einen Wertbeitrag liefern? Eine Antwort darauf könnte im Silicon Valley liegen. Der HR- und Innovationsexperte Stephan Grabmeier ist davon überzeugt, dass es dort auch für die Personaler viel zu lernen gibt.

Stephan, Du warst schon einige Male im Silicon Valley, hast Dir dort einige Tech-Unternehmen wie Google angeschaut und mit den Leuten vor Ort gesprochen. Was fasziniert Dich an der Region und der Wirtschaft dort?
Mit einem Wort: der Spirit. Und es ist wirklich ein Unterschied, ob jemand darüber auf einer Tagung in Deutschland spricht oder ob man es wirklich selbst vor Ort erlebt: diesen besonderen Gründergeist, den Drang, die Welt zu verändern. Das ist wahnsinnig faszinierend.

Und diesen Spirit gibt es in Deutschland nicht mehr?
In Teilen gibt es ihn, jedoch nicht so flächendeckend. In Berlin kann man durchaus einen besonderen Gründergeist spüren. Er ist jedoch durchsetzter mit klassischen Old-Ecomomy-Elementen. Im Silicon Valley gibt es eben diese enorme Menge an innovativen Tech-Unternehmen, für deren Ansiedlung man extra ein Areal geschaffen hat. Da kann keine Region der Welt mithalten, was Größe und Dichte angeht.

Ich frage mich, ob deutsche Manager sich mittlerweile nicht zu schnell in eine Bewunderungsrolle begeben. In Deutschland wurde auch einiges geschafft, auf das man stolz sein kann. Sollten deutsche Unternehmen nicht ihren eigenen Weg finden statt ins Silicon Valley zu pilgern?
Ich unterscheide zwischen Bewunderung und Verstehen. Meiner Meinung nach reicht der Stolz auf das Vergangene nicht mehr aus, um die Dimensionen der bevorstehenden Veränderungen zu begreifen. Deutschland ist eine starke Wirtschaftsnation allerdings sehr mechanistisch, eine Nation der Produktion und Ingenieure – so denkt Deutschland auch. Aber Fakt ist, dass die Neuausrichtung der Märkte auch für deutsche Unternehmen sehr gefährlich wird. Inkrementelle Verbesserungen sind zu wenig. Das hat viel mit dem sogenannten „Innovator’s Dilemma“ zu tun, das gerade auf deutsche Firmen zutrifft. Hier herrscht oftmals noch die Haltung: Wir sind erfolgreich und wir verbessern unsere Produkte sukzessive weiter, um vorne zu bleiben. Das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man als Marktführer dennoch untergehen kann, gelingt nur durch positive Störungen beziehungsweise Interventionen. Deshalb ist das eigene Erleben so wichtig – raus aus den eigenen Firmengebäuden, raus aus alten Denkmustern, raus aus tradierten Haltungsweisen und selbst sehen, wo konkret Disruption passiert. Das eigene Erleben war auch eines von drei wichtigen Elementen der Learning Journey ins Silicon Valley, die die Leuphana Universität und wir von Haufe im Februar veranstaltet haben.

Was waren die anderen beiden Elemente?
Das zweite war „das Verstehen“: Was passiert gerade in den Umwelten? Welche Umbrüche muss ich auf dem Schirm haben? Und das dritte war „das Transferieren“: Was ist für das eigene Unternehmen relevant? Was bedeuten die Beobachtungen im Valley für die eigene Organisationsentwicklung? Was für die Business Strategie? Was für neue Produkte? Was für die Führung? Was für die Rolle der Mitarbeiter? Natürlich ist nicht alles für jeden relevant was man da drüben sieht. Die Kunst ist also, das Relevante zu selektieren und die richtigen Schlüsse aus den Erkenntnissen zu ziehen.

Dass eine Reise ins Silicon Valley für einen Unternehmer interessant ist, leuchtet ein. Aber warum sollte ein Personaler sich unbedingt Tech-Firmen dort anschauen?
Was ich zunächst einmal ganz interessant finde: Wir reden hier in Deutschland ständig über digitale Transformation. Den Begriff gibt es im Silicon Valley gar nicht – das ist ein typisch europäischer Begriff und zeigt dadurch welche Haltung wir zur Digitalisierung haben. Digital ist Daily Business dort. Die Transoformation passiert einfach – immer jeden Tag. Was HR angeht: Das Personalmanagement sollte Gestalter des Wandels sein. Dafür muss es die Veränderungen im jeweiligen Business verstehen und dem CEO ein neues HR-Portfolio liefern, um die Herausforderungen zu meistern. Letztlich dient alles Verstehen und Können der Personaler der Beantwortung einer einzigen Frage: Was treibt meinen CEO? Wenn HR dafür nicht das relevante Portfolio hat und versteht, worum es geht, wird es verschwinden. Und das zurecht.

Und kann es sein, dass ein Personalmanagement sein Portfolio auch mal komplett verändern muss?
Ich halte viel von der Haltung: Zerstöre Dein HR-Portfolio schöpferisch. Das heißt nicht, dass man alles zerstören muss, aber man sollte alles auf den Prüfstand stellen. Es gibt auch bestimmte Dinge, die einfach Bestand haben. Ich nenne nur mal die Sozialpartnerschaft hier in Deutschland als Beispiel. Natürlich wurden schon früher HR-Instrumente und Prozesse überprüft und verändert. Was jedoch aufgrund des Paradigmenwechsels heute anders ist: Es geht nicht mehr nur um schrittweise Verbesserung wie bisher, sondern wir müssen manche Sachen neu lernen. Agile Methoden, neue Organisations-Designs oder technologisches Verständnis sind Beispiele für Dinge, die HR sich neu aneignen muss. Die richtige Balance zu finden zwischen dem Erlernen von Neuem und der Verbesserung von Bestehendem, das ist die große Herausforderung. Und ganz wichtig: Es muss beides zeitgleich passieren – in dem Bestehenden besser werden und Neues erlernen und entwickeln.

Du hast Eure Learning Journey erwähnt: Was hat die Teilnehmer am meisten begeistert? War es der Spirit, von dem Du anfangs gesprochen hast?
Ja, zum einen der Spirit. Zum anderen aber auch die Geschwindigkeit, die drüben zu beobachten ist. Im Silicon Valley werden in einem ganz anderen Tempo neue Geschäftsmodelle, neue Konzepte oder Ideen ausprobiert als hierzulande. Ein dritter Punkt sind die Dimensionen, in denen dort gedacht wird: dieser Wille, mit dem nächsten Thema, der nächsten Idee die Welt aus den Angeln heben zu wollen. Und das ist nicht so dahin gesagt, jeder hat den festen Glauben daran. Das hat viele fasziniert. Ein weiterer Punkt sind die Netzwerke im Silicon Valley. Die Community dort ist wahnsinnig eng verknüpft. Es werden sehr schnell Ideen und Wissen getauscht, man profitiert voneinander und die Dimensionen der Netzwerke sind gigantisch. Das gibt es in Deutschland nur in Berlin – wenn auch in wesentlich kleineren Größenordnungen.

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