In IT-Ausbildung investieren

Recruiting

Die Besetzung von IT-Positionen gilt als schwierige Rekrutierungsaufgabe. Es gibt zu wenig IT-Experten und die Ausbildung wird den inhaltlichen Anforderungen kaum gerecht.

Man stelle sich das einmal vor: Die Bäckereikette bliebe geschlossen, weil Verkaufspersonal fehlt. Oder die Busse würden nicht fahren, weil es zu wenig Busfahrer gibt. Es gibt eine Reihe von Berufsgruppen, die dem Organismus unserer Gesellschaft Beschwerden bereiten können. Und wenn bei der Bahn oder einer Airline gestreikt wird, erleben wir einen gesellschaftlichen Aufschrei. Wir glauben, dass der Kreislauf unseres täglichen Lebens nicht mehr funktioniert. Doch so unangenehm solche Erscheinungen sind, am Ende haben sie die Qualität eines Schluckaufs, gemessen an einem viel gravierenderen strukturellen Problem: dem Mangel an IT-Fachkräften.

IT ist das Nervensystem der modernen Gesellschaft

Die Informationstechnologie ist das Nervensystem der modernen Gesellschaft. Ohne diese Infrastruktur funktioniert heute nichts mehr, weder das Geschäftsleben, noch unser Alltagsleben. Und auch wenn uns Computer und eine Vielzahl programmgesteuerter Geräte längst vertraut sind, stehen wir doch erst am Anfang der digitalen Revolution. Keine andere Technologie hat solche Umbrüche hervorgerufen. Die Informatik ist dabei längst von einer Hilfswissenschaft für andere Bereiche zur eigenständigen Branche und zum Wachstumstreiber der Wirtschaft insgesamt geworden. Das digitale Geschäft verzeichnet seit Jahren zweistellige Zuwächse.

Umso dramatischer wirkt es sich aus, wenn in diesem Bereich die Experten fehlen. Und zwar nicht ein paar Tage, wie bei einem Streik, sondern durchgehend und das schon seit Jahren. Mehr als 40.000 unbesetzte Stellen hat der Branchenverband Bitkom auch in diesem Jahr wieder in der IT ermittelt. Der tatsächliche Bedarf für die Gesamtwirtschaft dürfte nochmals deutlich höher liegen, denn durch die Entwicklung zur Industrie 4.0 nimmt der Bedarf in allen Branchen weiter zu. Die Besetzung von IT-Positionen gilt derzeit vom Mittelstand bis zum Großkonzern als die schwierigste Rekrutierungsaufgabe. Obwohl hohe Beträge für Hochschulaktivitäten, Berater und Agenturen aufgewendet werden, lassen sich viele Stellen nicht besetzen.

Es gibt zu wenig IT-Experten

Es ist, als würde man in der Wüste nach Wasser graben. Dabei gehören große, internationale IT-Beratungsunternehmen noch zu denjenigen, die im Vorteil sind. Bieten sie doch attraktive und abwechslungsreiche Aufgaben, haben meist verschiedene Standorte zur Auswahl und können vergleichsweise flexibel auf die Bedürfnissituation der Bewerber eingehen. Ein unbekanntes mittelständisches Unternehmen jenseits der Ballungsräume bekommt deutlich weniger und andere Bewerbungen.

Zum quantitativen Problem kommt aber auch das qualitative. Es gibt nicht nur zu wenige IT-Experten insgesamt, auch die inhaltlichen Anforderungen verändern sich rasant. Aktuelle Marktthemen wie Cloud Computing, Big Data oder der Trend zur mobilen Nutzung waren vor wenigen Jahren noch keine. Insbesondere in der Verbindung mit komplexen industrietechnischen Lösungen oder Großanwendungen sind die Hochschulen nur noch bedingt in der Lage, fertig ausgebildete Experten hervorzubringen. Die technologische Entwicklung findet in der Praxis statt und es dauert, bis diese wiederum ihren Weg an die Hochschulen findet.

Wir brauchen eine bessere IT-Ausbildung

Es liegt auf der Hand: Wir müssen mehr in IT-Ausbildung investieren. Wenn ich „wir“ sage, dann meine ich uns alle: Schulen und Hochschulen benötigen mehr Mittel, damit sie mehr Angebote machen können. Im Bereich der dualen Ausbildung müssen neue Wege gefunden werden, insbesondere was den IT-Anteil der Bildung in kaufmännischen Berufen anbelangt. Zudem muss mehr Aufmerksamkeit auf IT-Berufe gelenkt werden. Informatik ist ein spannendes und zukunftsträchtiges Berufsfeld und junge Menschen sollten Gelegenheit haben, dies zu erfahren.

Aber der Staat wird nicht alles leisten können. Mit „wir“ meine ich auch die Verantwortlichen in den Unternehmen selbst. Wir können es uns gar nicht erlauben, untätig zu bleiben. Viele Kenntnisse, die in der Berufspraxis wichtig sind, kommen in den klassischen Studiengängen zu kurz. Deshalb haben wir vor einigen Jahren bereits den Masterstudiengang IT-Management und –Consulting an der Universität Hamburg mit ins Leben gerufen und unterstützen diesen fortlaufend. Denn der Schulterschluss zwischen Business und IT wird immer enger. Wir brauchen künftig verstärkt Mitarbeiter, die in der Lage sind, die IT an den Geschäftszielen der Kunden auszurichten. Gefordert sind vor allem Qualifikationsprofile wie das Denken in komplexen Zusammenhängen und die Technologieentwicklung für Unternehmen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft stellt Methodenwissen und Praxisbezug hier auf ideale Weise her. Natürlich können wir auch dort nicht mehrere Hundert Absolventen pro Jahr rekrutieren, aber es ist ein Anfang.

Die Generation Y wünscht sich präzise Einarbeitung

Wir werden allerdings nicht darum herumkommen, Absolventen einen umfangreichen begleiteten Einstieg zu organisieren. Die Erwartung, ein Absolvent entspreche sofort allen Anforderungen, ist unrealistisch. Jemanden einfach ins kalte Wasser zu werfen, funktioniert nicht mehr. Dafür ist die Arbeitswelt zu komplex geworden. Und es entspricht auch nicht mehr den Erwartungen der Generation Y, die sich einen partnerschaftlichen Umgang und präzise Anleitung und Einarbeitung wünscht.

Wir kommen also nicht darum herum, umfassend und zielgerichtet in die Ausbildung zu investieren. Als Staat und Unternehmen in die Ausbildungsstätten und als Unternehmen in die beständige Weiterbildung, vom Onboarding junger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zur permanenten Weiterqualifizierung bis zum Pensionsalter. Nicht zu investieren, kann sich keiner leisten – der Staat nicht und die Unternehmen auch nicht. Wir sehen die ersten Oasen in der Wüste, aber noch lange nicht das Ende der Wüste auf unserem Weg in die Zukunft. Wir müssen gemeinsam die Zukunft gestalten, quartäre Bildung in der noch engeren Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen ist gefragt sowie umfangreiche Investitionen in die Bildung. Jetzt!

 

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Michael Donat

Personalleiter
Sopra Steria Consulting

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