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Employer Branding

Das Spezialchemieunternehmen Altana setzt in seiner Kommunikation auf Mitarbeiter als Testimonials. Das Beispiel zeigt jedoch, mit einer Kampagne alleine ist es nicht getan.

Die U2 ist voll bis auf den letzten Platz – wie eigentlich jeden Morgen. Nebenan liest jemand den Spiegel, aufgeschlagen irgendwo in der Mitte prangt eine Anzeige. Darauf zu sehen ist ein junger Mann mit weißem Kittel und blaugerahmter Laborbrille. Er hält ein Reagenzglas mit einer ölig wirkenden Flüssigkeit hoch, blickt prüfend hindurch. Auf der Anzeige steht in Versalien: „Forscher + Verpackungskünstler“.

Der junge Mann heißt Marcel Altenburg und forscht für die Altana Holding an wasserbasierten Lacken. Das lässt sich auf der Webseite nachlesen und der Forscher selbst erklärt, was es mit den IML-Lacken auf sich hat und wie sie sich für Verpackungsmaterialien einsetzen lassen. Womit dann auch geklärt wäre, was sich in dem kleinen Glasröhrchen den prüfenden Blick gefallen lassen muss. Die Anzeige ist Teil einer Image-Kampagne und Marcel Altenburg einer von fünf Botschaftern, die derzeit nicht nur in Nachrichtenmagazinen, sondern auch auf allen Kommunikationskanälen des Unternehmens das Gesicht von Altana prägen, wie Kommunikationschefin Andrea Neumann – angesprochen auf den zufälligen Eindruck in besagter Berliner U-Bahn – erläutert.

Es geht dabei jedoch weniger um Employer Branding und Recruiting als um Kundenkommunikation. Und das ist im ersten Moment doch ungewöhnlich. Die Altana ist eine Holding, die knapp 6.000 Mitarbeiter in rund 50 operativen Gesellschaften in sich vereint und Spezialchemie anbietet. Produkten wie Lacke und Additive in der Markenkommunikation ein menschliches Gesicht zur Seite zu stellen, ist da nicht unbedingt ein Gedanke, der sich aufdrängt.

Der Mitarbeiter als USP

„Spezialchemie heißt nichts anderes, als dass wir individuelle Lösungen entwickeln. Und das bedeutet auch, dass wir ständig innovativ sein müssen“, kontert Andrea Neumann den Einwand. „Wir haben also wenige Produkte ‚von der Stange‘, sondern beginnen oft erst mit der Entwicklung, wenn die Kunden mit ihren Themen auf uns zukommen. Unsere Mitarbeiter stehen dementsprechend sehr eng mit unseren Kunden in Kontakt, und daher ist es auch alles andere als unwichtig, wer da an den Reagenzgläsern arbeitet.“ Der jeweilige Mitarbeiter und mit ihm die Möglichkeiten, die ihm das Unternehmen zur Verfügung stellt, damit er seine Innovationskraft auch für den Kunden einsetzen kann, sind daher die Unique Selling Proposition von Altana, ergänzt Neumann.

Altana verfolgt dabei den Ansatz der integrierten Kommunikation. Was auch bedeutet, dass Andrea Neumann und ihr Team sich eng mit der HR-Abteilung abstimmen und die Konzepte zusammen entwickelt werden, um auf den Kanälen tatsächlich auch ein einheitliches und möglichst realitätsnahes Bild zu vermitteln. „Wir glauben, dass interne und externe Kommunikation nicht nur durch die sozialen Medien immer mehr verschwimmen werden. In dem wir bewusst beide Bereiche verschmelzen, können wir viel zielführender arbeiten und Synergien nutzen“, betont sie.

Sie meint damit nicht zuletzt den Kulturtransfer innerhalb der Gruppe. Das sagt auch Jörg Bauer: „Der Konzern besteht aus vier Divisionen mit jeweils eigener Ausrichtung und Erfolgszielen. Und da ist es wesentlich, dass wir eine gemeinsame Klammer mit der Dachmarke haben.“ Dem Personalchef von Altana ist wichtig, dass die Kampagne nicht als Kuschelkurs, sondern auch als Forderung an die Kollegen und die Zukünftigen verstanden wird. „Wir brauchen diese Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter. Wir haben einen sehr großen Forschungsapparat, der entscheidend ist für unseren Erfolg. Und wenn dieser Erfolg nicht kommt, dann ist der Kostenblock für die Forschung zu hoch, als dass wir das lange tragen könnten.“

Ausgangspunkt der Image-Kampagne, wie sie heute existiert, war jedoch nicht der Wunsch nach einem neuen Marketingkonzept, sondern das eigene Unternehmensleitbild etwas nachzuschärfen. „Ursprünglich dachten wir, diese Überarbeitung dauert drei Monate – das war eine klare Fehleinschätzung“, sagt Jörg Bauer. Es sollte zwei Jahre dauern, bis es mit seinen vier Dimensionen Wertschätzung, Handlungsspielraum, Offenheit und Vertrauen schließlich 2011 eingeführt werden konnte. Das lag nicht zuletzt daran, dass dabei die Mitarbeiter an allen Standorten weltweit einbezogen wurden und der Interpretationsspielraum selbst von einzelnen Worten des Leitbildes entsprechend groß war. „Wir mussten da wesentlich mehr Basisarbeit leisten, als wir zuerst dachten. Aber sie war notwendig und richtig für die Akzeptanz im Unternehmen und wurde auch vom Vorstand unterstützt“, sagt Bauer.

Die Markenwerte neu aufladen

Um die neue Kultur in das Unternehmen zu tragen, wurden zwei Tage lang Workshops mit allen Mitarbeitern durchgeführt und ein aufwendiges Filmprojekt gestartet, in dem ein Filmteam ein Jahr lang an allen Standorten Interviews mit Mitarbeitern dazu geführt hat, was für sie Altana ausmacht. „Das ist natürlich erst einmal eine interne Sicht. Aber die haben wir dann mit den Anforderungen unserer B2B-Kunden an uns abgeglichen und festgestellt, dass die Punkte, die unseren Mitarbeitern wichtig sind, letztlich auch die sind, die unsere Kunden von uns erwarten“, erläutert Andrea Neumann. Aus dem Projekt entstand somit nicht nur ein Film, der 2014 seine Premiere feiern konnte, sondern das Unternehmen fand auch einen Weg, die eigenen Markenwerte neu aufzuladen und in die externe Kommunikation zu übertragen.

Damit ist bei der Altana gewachsen, was essenziell ist, um Mitarbeiter erfolgreich als Markenbotschafter einzusetzen: Die Deckungsgleichheit zwischen dem Bild, das die Kollegen im Namen des Unternehmens nach außen vertreten, und dem, das sie in ihrem Arbeitsalltag selbst erleben. Diskrepanzerfahrungen können hier fatale Folgen für das Klima in einem Unternehmen haben. Davon ist auch Isabel Ihm überzeugt. Die Marken- und Kommunikationsexpertin unterstützt Unternehmen unter anderem bei der Umsetzung von mitarbeiterbezogenen Kampagnen und würde Firmen eher von dem Einsatz von Markenbotschaftern abraten, wenn klar wird, dass Wunsch und Wirklichkeit im eigenen Hause zu weit auseinanderliegen. Ebenso wäre es ein falsches Signal, Models und Schauspieler einzusetzen, auch wenn das auf den ersten Blick als der leichtere Weg erscheint und man von Mitarbeitern nicht unbedingt das zu hören bekommt, was aus Marketingsicht vielleicht das bessere Testimonial wäre. „Doch ein solches Kartenhaus bricht relativ leicht zusammen, wenn es keine stabile Basis im Unternehmen hat“, erklärt Ihm.

Der wichtigste Faktor ist dabei tatsächlich die Zeit. Viele Unternehmen, so die Beraterin, würden mit solchen Kampagnen viel zu schnell rausgehen und den Prozess, den es im Inneren braucht, übergehen. An erster Stelle steht dabei immer die Analyse des Status quo. „Es geht erst einmal darum, die Kontaktpunkte zu suchen, an denen die Mitarbeiter intern und extern mit der Marke in Berührung kommen. Und dann muss das Unternehmen eine ehrliche Antwort darauf finden, inwieweit tatsächlich das gelebt wird, was hinausgetragen werden soll“, erläutert sie. Bleibt die Frage, wer tatsächlich dann als Markenbotschafter auftreten soll.

„Im Idealfall identifizieren sich die Mitarbeiter aus Überzeugung mit ihrem Arbeitgeber, machen die unternehmerischen Interessen zu ihren eigenen und zeigen Begeisterung und ein hohes Engagement. Wenn dem aber nicht so ist, dann muss man auch bereit sein zu fragen, was fehlt.“

Externer Ausdruck gelebter Kultur

Eine Markenbotschafter-Kampagne ist damit letztlich nur der externe Ausdruck dessen, was intern als gelebte Kultur vorhanden sein muss und auch kommunikativ begleitet werden sollte. Davon ist auch Andrea Neumann von Altana überzeugt. In dem Unternehmen wurde die Anpassung des unternehmensinternen Leitbildes von Mitarbeitern in die einzelnen Divisionen getragen, die sich auch darüber hinaus dafür eingesetzt haben und später erste Ansprechpartner für den Film waren. „Für uns war es auch wichtig, dass die Mitarbeiter eine interessante Geschichte zu erzählen haben. Daher ist die Kampagne auch mit unserer Webseite verbunden und deswegen können Sie auch genau nachlesen, was einen Verpackungskünstler eigentlich auszeichnet“, erläutert sie.

Und auch im Hochschulmarketing setzt Altana auf Markenbotschafter, wie Andrea Pfister erzählt, die bei dem Unternehmen für den Bereich Recruiting und alle Themen rund um die Employer Brand verantwortlich ist. „Wenn wir an die Hochschulen gehen oder Studenten zu Exkursionen einladen, versuchen wir immer auch die Fachbereiche mit einzubeziehen, damit sie über den Arbeitsalltag berichten. Die Studenten wollen wissen, worauf sie sich einlassen.“ In den nächsten Monaten soll dann eine eigene Anzeigenkampagne für das Recruiting starten. Und auch hier wird das Unternehmen auf Markenbotschafter setzen.

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Sven Pauleweit

Sven Pauleweit

Ehemaliger Redakteur Human Resources Manager

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