Wie das Internet of Things Lernerfolge steigert

Future of Work

Das Internet of Things (IoT) umfasst viele Arbeitsbereiche. Wie genau, ist oft schwer zu verstehen. Wir haben mitSirkka Freigangdarüber gesprochen, wie das IoT das Lernen am Arbeitslatz verändert. Sie ist Head of Smart Learning Environments bei Bosch Software Innovations.

Frau Freigang, Wie kann man das Internet of Things beim Lernen einsetzen?

Sirkka Freigang: Das Internet of Things ist ein Überbegriff für einen sehr großen Zweig an neuen Technologien. Es bezeichnet die Idee eines erweiterten Internet, das neben klassischen Rechnern und mobilen Endgeräten auch beliebige physische Gegenstände mittels Sensoren und Aktuatoren in seine Infrastruktur einbindet und so zu Anbietern beziehungsweise Konsumenten verschiedenster digitaler Dienste macht. Das erklären auch Elgar Fleisch undFrédéric Thiessein dem Aufsatz „Internet der Dinge“. Ein wesentliches Merkmal des IoT ist seine technologische Konvergenz, das heißt, es werden unterschiedlichste Technologien vernetzt. Einer der großen Vorteile, die das IoT im Bildungsbereich mit sich bringt ist, dass das Technikerlebnis immersiver, integrierter und auch barrierefreier wird.

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Können Sie das an einem Praxisbeispiel erklären?

SF: Die Technik tritt hier bewusst in den Hintergrund, die lernende Person wird also unaufdringlich durch die Technik unterstützt. IoT-basierte Lernlösungen (auch Smart Learning Environments, SLEs, genannt) digitalisieren und vernetzen alle Dinge (insbesondere auch Lerngegenstände) in der Umgebung der lernenden Person. In einem ersten Schritt wird beispielsweise ein Kugelschreiber mit Iot-Komponenten angereichert. Damit erhält der Kugelschreiber neue Fähigkeiten. Er ist dann zum Beispiel in der Lage, Informationen aufzunehmen und an andere Dinge weiterzugeben. Der Kugelschreiber könnte darüber hinaus das auf Papier Geschriebene oder Gezeichnete erkennen, digitalisieren und weiterverarbeiten.

Angenommen, der Kugelschreiber könnte dann mit dem Notizbuch kommunizieren, dann entstehen vernetzte IoT-basierte Lernumgebungen. Laut dem Paper „Die Informatisierung der Arbeitswelt und des Alltags“ von Botthof und Bovenschulte spricht man dann von sogenannten „Embedded Systems“. Weiterhin wäre dann der Kugelschreiber in der Lage, mit meinem Smartphone zu kommunizieren. So könnte automatisch erkannt werden, wann der beste Zeitpunkt ist, um neue Inhalte aufzunehmen. Da der Kugelschreiber bereits weiß, dass Notizen zum Thema „Industrie 4.0“ gemacht wurden, wird diese Information im Hintergrund mit anderen Daten verknüpft und gespeichert. Wenn man dann beispielsweise ein paar Tage später an einem Start-up vorbeiläuft, das ein Industrie 4.0-Meetup anbietet, kann das System eine Empfehlung zum Besuch dieses Meetups abgeben. Und dies war nun nur ein exemplarischer Use Case. Spannend wird es, wenn alle Lerngegenstände mit den Lernräumen vernetzt sind, alle miteinander kommunizieren können und mit individuellen Lernbedarfen (Lernprofilen) verknüpft werden.

Welche Ziele verfolgt IoT-basiertes Lernen?

SF:Ziel von IoT-basierten Lernlösungen ist es, das lebenslange Lernen zu unterstützen und neu Erlerntes in den regulären Arbeitsalltag zu integrieren. Lernangebote sind somit also nicht mehr nur losgelöste und abstrakte Fakten auf einer Powerpoint-Folie, sondern können direkt in den Kontext, in dem Sie relevant sind angewendet werden. Sogenannte Hybride Lernformen lösen die strikte Trennung zwischen Arbeiten und Lernen, zwischen Trainingssetting und individuellem Lernen auf. Im Zusammenhang mit technischen Trainings sind Technologien wie Augmented Reality schon länger im Einsatz. Der Vorteil ist, dass das Wissen on demand, personalisiert zur Verfügung steht und das Lernen zum Erleben wird.

Wie müsste ein Büro für ein Smart Learning Environment gestaltet sein?

SF:Smart Learning Environments bauen auf drei Säulen auf:

  1. Menschen
  2. Physische Räume
  3. Technologien

Ausgangspunkt für die Gestaltung von Büros, die das Konzept von Smart Learning Environments integrieren möchten, sind immer die Menschen, die in diesen Büros arbeiten. Partizipation, Co-Creation und User Research sind hier die wichtigsten Erfolgsfaktoren, die zu einem guten Ergebnis führen. Auf dieser Basis können dann weitere Erfolgsfaktoren in Bezug zur Büroraumgestaltung reflektiert und umgesetzt werden. In einem finalen Schritt erfolgt dann auf Basis der konkreten Aufgaben, Tätigkeiten und Herausforderungen ein Konzept für die Integration von intelligenten Technologien in die Räume, die dann dazu beitragen, das lebenslange Lernen am Arbeitsplatz zu unterstützen. Smart Learning Environments entfalten ihr Potenzial dann, wenn sie auf die aktuelle Situation der Organisation und auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgerichtet sind. Daher entwickeln wir Smart Learning Prototypen im Rahmen von 5-tägigen Design Sprints, in welchen wir ein wissenschaftlich fundiertes Framework mit 30 Erfolgsfaktoren zur Gestaltung von SLEs nutzen.

Smart Learning Environments sind nämlich nicht nur physische Lern- und Arbeitsumgebungen, sondern beziehen auch auf das soziale Umfeld am Arbeitsplatz. Fragen im Hinblick auf Organisations- und Lernkultur tauchen dann zwangsläufig auf und müssen in den Entwicklungsprozess eingebunden werden. Ansonsten hat man eine Lernlösung, die im worst case keiner braucht oder nutzt.

Worauf muss man in der Entwicklung des Büros achten?

SF:Wichtig ist, dass die Umgebung unterschiedliche Arbeits- und Lernaktivitäten unterstützt und sich die Mitarbeiter ihren Bedürfnissen entsprechend selbst aussuchen können, wo und wie sie lernen und arbeiten möchten. Ein „Smart-Learning-Büro“ bietet also sowohl Rückzugsorte für das einzelne fokussierte Lernen, als auch großzügige Räume für kollaborative und kreative Zusammenarbeit. Ein gutes Beispiel, wie so etwas aussehen kann, ist unser Bosch IoT Campus in Berlin.

„Smart-Learning- Büros“ verfügen in Ergänzung dazu über integrierte Technologien, die das Lernen und Arbeiten unsichtbar und kontinuierlich unterstützen. Als gute Ausgangsbasis bieten sich hier ganz klassische Lösungen aus dem Smart Home Segment an. Die Möglichkeiten sind jedoch nahezu unendlich, es ist allein unserer Phantasie überlassen, wie wir dies gestalten. Von daher empfehlen wir eine systematische und zielgerichtete Entwicklung im Rahmen von Innovationsworkshops, sogenannten Design Sprints, in denen nachhaltige Use Cases herausgearbeitet werden können. Aber um einmal ein konkretes Beispiel zu nennen, könnte das bedeuten, dass das „smarte“ Büro automatisch erkennt, wann die Mitarbeiter in die Tiefgarage fahren. Falls eine bestimmte Person ein Meeting in Raum XY als Organisator eingetragen hat, könnte alles im Vorfeld automatisiert vorbereitet werden. Zum Beispiel könnten die Fenster im Besprechungsraum geöffnet werden, um für frische Luft zu sorgen. Kurz vor Beginn des Meetings könnte der Screen die hinterlegte Präsentation automatisch starten und ruft nicht anwesende Personen via Skype-Call dazu. Durch die entstandenen Notizen mit dem smart Pen zum Thema „Industrie 4.0“ wird kurz nach dem Meeting eine Empfehlung per E-Mail geschickt, sich zum Lunch mit Kollege XY zu treffen, der im Moment von einem anderen Standort zu Besuch ist und an ähnlichen Themen arbeitet. Auf dem Weg nach Hause wird dann ein Podcast vorgeschlagen, der von einem engen Twitter-Kontakt getweetet wurde.

Mit welchen Tools und Geräten lernen Sie persönlich am liebsten?

SF:Das ist eine schwierige Frage, da ich ein sehr großer Fan von Tools bin, egal ob digital oder analog. Insofern nutze ich sehr viele unterschiedliche Lernwerkzeuge und zwar immer in Abhängigkeit dessen, was ich gerade benötige. Das können ausdruckbare Templates, also analoge Tools sein wie z.B. die Lernkarten vom Education Innovation Lab oder die SAP Scenes, die ich gerne zur Inspiration bzw. zum Prototyping in Workshops nutze. Natürlich gehören aber auch Dinge wie Lego Serious Play oder die Ozobots dazu. Letztlich nutze ich gerne kreative Tools, die dazu beitragen, die Inhalte begreifbar und erlebbar zu machen. Wir entwickeln derzeit auch unser eigenes Smart Learning Toolkit, dabei kombinieren wir analoge Planspiele oder auch Plakate mit digitalen Features. In diesem Zusammenhang spreche ich dann von „hybriden Lernwerkzeugen“, da physische und digitale Lernwelten verschmelzen. Wir haben beispielsweise eine augmentierte Vernissage entwickelt, die dazu dient, sich selbstgesteuert und multimedial mit dem Thema Smart Learning vertraut zu machen, um dann anschließend in einer Gruppenarbeit darüber zu reflektieren. Hierfür nutzen wir eine Augmented Reality-App, die dann die von uns hinterlegten Zusatzinformationen (zum Beispiel Videos) auf die Plakate projiziert.

Ich nutze aber natürlich auch sehr viele rein digitale Tools, wie zum BeispielMentimeter, womit ich interaktive Sessions anleiten kann. Immer wichtiger werden auch Tools, die das Visualisieren unterstützen. Um Mindmaps zu erstellen gibt es viele unterschiedliche Tools, die im Team oder auch alleine verwendet werden können. Mein Favorit derzeit im Bereich der Visualisierung ist Easel.ly. Damit kann ich in nur fünf bis zehn Minuten eine schicke Infografik erstellen. Es gibt so viele nützliche Tools, die ich hier gar nicht alle aufzählen kann. Aber wir bieten beispielsweise Workshops an, wo die besten Lerntools vor allem auch im Hinblick von Smart Learning vorgestellt werden. Vor ein paar Jahren habe ich auch mal eine Zusammenfassung erstellt, die auf meinem Blog zu finden ist. Das Problem bei diesen Tools ist aber leider, dass manche nicht immer weiterentwickelt werden oder auch im betrieblichen Umfeld schlecht eingesetzt werden können. Neuere Entwicklungen gehen in den Bereich Augmented und Virtual Reality, da kann man heutzutage schon sehr viel spannende Tools ausprobieren und testen. Meine neueste Entdeckung ist der Merge Cube, für den es sogar ein Plug-in gibt, das heißt, man kann eigene Augmented Reality-Inhalte mit dem Cube kombinieren und völlig neue Lernwelten kreieren.

Grundsätzlich empfehle ich, Toolsammlungen von T3N, Jane Hart oder Robin Good zu sichten und sich diejenigen zu vermerken, die für einen selbst relevant sein könnten. Das kann allerdings etwas zeitaufwändig werden, allein die Toolsammlung von Robin Good enthält über 600 Tools.

Hinweis: Auf der 4. Tagung Corporate Learning am 29. November 2018 in Berlin präsentiert Sirkka Freigang ihren Best Case mit dem Titel “Wie Smart Learning Environments das lebenslange Lernen am Arbeitsplatz fördern”.

(c) Bosch
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Sirkka Freigang ist Head of Smart Learning Environments bei Bosch Software Innovations.

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Senta Gekeler, Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager

Senta Gekeler

Senta Gekeler ist freie Journalistin. Sie war von 2018 bis 2023 Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager.

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