Ist das Employer Branding oder kann das weg?

Employer Branding

Stefan Döring sprach auf dem Personalmanagementkongress 2016 über das Employer Branding im öffentlichen Dienst. Für uns hat er sich das Thema noch einmal genauer vorgenommen: Ist das Employer Branding oder kann das weg? Ein Meinungsbeitrag.

In den letzten Wochen war ich im Gespräch mit mehreren Personalern und Dienstleistern, die übereinstimmend bestätigen, dass Employer Branding wieder trendy ist. Nach einer Phase, in dem das Thema nicht zwingend an erster Stelle der To-Do-Listen in den Personalabteilungen stand, wird es jetzt wieder getrieben. Bezüglich möglicher Gründe bestand ebenfalls Einigkeit: Bei den Arbeitgebern, die bislang Employer Branding als unnötig abgeschrieben haben, tut es langsam richtig weh. Stellen können nicht, nur schwer oder nicht mit den optimalen Kandidaten besetzt werden beziehungsweise die Fluktuation steigt. Bei den Unternehmen, die bereits eine Arbeitgebermarke haben, geht es um eine Schärfung, wenn die Arbeitgebermarken schlicht „nicht funktioniert“. Drittens gibt es noch die Arbeitgeber, die ihre Brand aufgrund geänderter Herausforderungen, Strategien und dafür benötigter Kompetenzen weiterentwickeln möchten (Stichwort Digitalisierung).

Wenn ich von „trendy“ spreche, so krankt der Employer-Branding-Prozess in den Personalabteilungen genau daran: „Da es alle machen, machen wir es jetzt auch. Vielleicht hilft es ja.“ Neben relativer Konzeptlosigkeit schwingt außerdem die Sichtweise auf Employer Branding als Instrument mit, das schnelle Lösungen verspricht. Die Folgen dieser Sichtweise sind Arbeitgebermarken, die im Meer des Belanglosen untergehen. Mit Studenten diskutiere ich regelmäßig Arbeitgebermarken – zunächst anonymisiert. Dann wird geraten, welcher Arbeitgeber sich hier beschreibt. Da werden Autobauer zu Software-Firmen und Managementberatungen zum öffentlichen Dienst. „Einheitsbrei“ schrieb der Harvard Business Manager mit Verweis auf die Leitbilder der Unternehmen.

Die Realität des Employer Brandings

Genau so sieht die Realität des Employer Brandings aus: Austauschbare Arbeitgebermarken in wohlklingenden aber nichtssagenden Worten, illustriert mit Standard-Bildern lachender Menschen, bei denen aber natürlich jeglicher Gender- und Migrationsaspekt bedacht worden ist und begleitet mit Videos, die so authentisch sind wie Waschmittelwerbung. Authentizität, Glaubwürdigkeit und Differenzierung: Fehlanzeige. So kann weder Aufmerksamkeit noch Wiedererkennungswert erzeugt werden. Das bei den Bewerbern bestenfalls Langeweile und bei den Mitarbeitern Unverständnis bis Ablehnung die Folge ist, dürfte eigentlich nicht verwundern. Ursachen für diese Entwicklung ist ein Missverständnis von Employer Brandig als Beschreibung eines vermeintlich für die Zielgruppe attraktiven Idealbildes oder im Sinne eines strahlenden Soll-Profils des Arbeitgebers. Selten spielt bei diesem tatsächlich die Strategie des Unternehmens, dafür benötigte Kompetenzen und kommende Führungsstile (Stichwort Agilität) eine Rolle. Employer Branding hat aber mindestens noch zwei weitere Facetten:

Zum einen muss der Ist-Zustand beim gelebten Führungsstil, Umgang mit Mitarbeitern und Bewerbern sowie Wir-Gefühl im Unternehmen nicht zwingend etwas mit dem Idealbild zu tun haben. Um diese Realität zu erfassen, müsste man mindestens die Mitarbeiter fragen. Das passiert leider zu selten oder nicht nachhaltig genug. Kultur von heute und morgen zu beschreiben ist aufwändig. Darum werden lieber die Jahrzehnte alten und nicht selten schon längst überholten sowie teilweise unrealistischen Führungsgrundsätze als Basis genommen. Die zweite, in der Regel ignorierte Facette des Employer Brandings ist die Marke, welche die Zielgruppen dem Arbeitgeber zuschreiben. Im Grunde ist das tatsächlich die einzig relevante Employer Brand. Diese zu kennen hat enorme Bedeutung, denn ob die Meinung über den Arbeitgeber getragen wird von einer starken, positiv belegten Produktmarke oder negativen Vorurteilen bis zur absoluten Unbekanntheit des Unternehmens, macht einen gewaltigen Unterschied.

Folge dieses Missverständnisses sind Arbeitgebermarken, die in kürzester Zeit aus dem Elfenbeinturm der Personalabteilung heraus, bestenfalls mit Beteiligung der üblichen, nicht zu kritischen Mitarbeiter gestrickt werden. Da wird dann von „Flexibilität“, dem besonderen „Wir-Gefühl“, „Mitarbeiter sind uns wichtig“, und „Wertschätzung gegenüber den Bewerbern“ gesprochen. Wenn das alles zutreffen würde, warum gehen die Bewerbungszahlen passender Kandidaten nicht nach oben? Warum sinkt mit der Employer Brand nicht Fluktuation und Krankenstand? Warum bekommen immer noch viele Bewerber gar keine Rückmeldung? Warum zeigt sich das Personalmanagement so wenig flexibel, wenn ein Bewerber den Kontakt auf Xing sucht und nicht seine kompletten Unterlagen stundenlang in gruselige Bewerberformulare eintippt? Die Antwort auf diese Fragen lautet immer gleich: Weil die formulierte Brand “nicht passt“ und leider nur wenig mit der gelebten Praxis zu tun hat. Gerade wenn HR die durch solche Schlagworte gekennzeichneten Employer Brand nicht lebt, ist jede Glaubwürdigkeit dahin – nach innen, als auch nach außen. Selbst wenn die Brand tatsächlich treffend ist, fehlt es an Differenzierung und er geht in der Masse unter.

Beschäftigt Euch mit der Unternehmenskultur und ihrem Wandel

Aus meiner Sicht besteht der Auftrag an die Personalabteilung, die drei Perspektiven der Arbeitgebermarke – Realität heute, auf die Zukunft ausgerichtete Vision und Fremdwahrnehmung – zu erheben und anschließend durch geeignete Maßnahmen Deckungleichheit herzustellen. Diesbezüglich ist aber viel mehr als das oft nur extern ausgerichtete Personalmarketing gefordert. Bilder, Slogans, Messeauftritte, Videos und Social-Media-Aktivitäten et cetera sind sogar der deutlich leichtere Teil. Viel aufwändiger ist die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur und deren Wandel. Denn hier geht es um Werte und damit nicht um schnelle Lösungen. Schon im Begriff macht das „ing“ auch einen nicht endenden Prozess deutlich.

Dafür braucht es neben dem entsprechenden Know-how vor allem das richtige Mindset im Personalmanagement. Notwendig ist eine strategische und zukunftsgerichtete Perspektive. Dazu gehört eine gesunde Selbstkritik und die Bereitschaft der kritischen Prüfung der Unternehmens- und Führungskultur und von Effizienz, Effektivität und Zukunftstauglichkeit der Personalinstrumente. Wichtig ist aber vor allem das Selbstverständnis als Dienstleister auf Augenhöhe mit Führungskräften, Mitarbeitern und Bewerbern. Und nicht zuletzt würde den meisten Personalabteilung eine gehörige Portion Mut und Humor auf dem Weg zu einer gelungenen Arbeitgebermarke gut tun. Gute Beispiele gibt es, Lernen ausdrücklich erwünscht. Aber bitte nicht kopieren!

 

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Stefan Döring

Stefan Döring

HR-Manager
Dr. Stefan Döring ist Speaker, Berater und Dozent für die Themen Recruiting, Personalmarketing und New Work. Aktuell arbeitet er an der Schnittstelle von Digitalisierung und Kommunikation im Public Sector. Nach vielen Jahren als Personaler hat Döring zum Thema „Management der Dienstleistung HR“ promoviert. Seine Sichtweise auf professionelles Personalmanagement verbloggt er auf www.leadinghr.blog

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