Jobs und Spiele

Employer Branding

Der Elektronikkonzern Rohde & Schwarz setzt im Recruiting stärker als andere Unternehmen auf spielerische Elemente. Zuletzt sorgten die Münchener auf der IT-Messe Cebit mit einem sogenannten Escape Game für Aufsehen. Recruiting-Chef Thomas Teetz ist überzeugt, dass solches Recrutainment gerade für Arbeitgeber aus der zweiten Reihe sinnvoll ist.

Sobald sich die schwere Stahltür des schwarzen Schiffscontainers geschlossen hatte, war die Studenten-Gruppe im Innern auf sich allein gestellt. Ein Countdown auf einem Bildschirm zeigte an, wie viel Zeit noch blieb: 33 Minuten. Die Aufgabe der Nachwuchs-IT-Spezialisten lautete: Stoppt den berüchtigten Hacker Lord Lulz, der einen perfiden Angriff auf einen der größten Internet-Knoten der Welt plant. Im Cyber-Kampf mit dem Verbrecher mussten die Studenten ihre Fähigkeiten im Bereich Kryptologie unter Beweis stellen und als Team zusammenarbeiten. Nur wenn sie innerhalb der vorgegebenen Zeit alle Aufgaben lösen konnten, durchkreuzten sie den Plan von Lord Lulz.

Erleben, wie das Unternehmen tickt und sehen, welche Fähigkeiten gefragt sind

Der Schiffscontainer stand im Februar in Halle 11 der IT-Messe Cebit in Hannover. Aufgestellt hatte ihn der Elektronikkonzern Rohde & Schwarz. Das sogenannte Escape Game „Crack the Code“ gehört zum Recruiting des Unternehmens. Die Münchener wollten mit der Geschichte um Lord Lulz Studenten auf Rohde & Schwarz aufmerksam machen. Vor allem solche Studenten, die sich für Verschlüsselungstechnik interessieren – eines der Geschäftsfelder des Unternehmens. „Das Spiel ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Arbeit bei uns aussieht“, sagte Ammar Alkassar, CEO von Rohde & Schwarz Cybersecurity auf der Messe. „Man muss kreativ denken, nicht den geraden Weg nehmen, Lösungen finden, immer wieder neue Ideen entwickeln.“ Das Container-Spiel fand auf der Cebit großen Anklang, manche Interessenten mussten lange warten bis sie an der Reihe waren.

„Crack the Code“ war bei Rohde & Schwarz der bisherige Höhepunkt dessen, was man als Recrutainment bezeichnet: Unternehmen setzen beim Recruiting auf spielerische Elemente, lassen Kandidaten Teil einer Geschichte werden. Im Idealfall bringt das beiden Seiten einen Zusatznutzen. Die Kandidaten können spielerisch erleben, wie ein Unternehmen tickt und sehen, welche Fähigkeiten dort gefragt sind.


Crack The Code auf der Cebit, Foto: Rohde & Schwarz

Die Personaler sammeln Erfahrungen, wie sich Kandidaten beim Lösen von Aufgaben und in der Zusammenarbeit mit anderen verhalten. Und beide Seiten lernen sich währenddessen besser kennen, kommen miteinander ins Gespräch und bauen eine Beziehung auf.

Thomas Teetz, der seit Mai bei Rohde & Schwarz für Personalmarketing und Recruiting verantwortlich ist, ist vom Nutzen des innovativen Recruiting-Ansatzes überzeugt. „Wir konkurrieren auf dem Arbeitsmarkt mit weitaus größeren Unternehmen um talentierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“, sagt er. „Aber wir wollen vermeiden, in der Auswahlentscheidung der Kandidaten an zweiter Stelle zu stehen.“ Deshalb sei es konsequent, im Recruiting neue Wege zu gehen, eine außergewöhnliche Kandidaten-Ansprache zu nutzen und stärker als andere Arbeitgeber die Emotionen potenzieller Mitarbeiter anzusprechen. Denn für Rohde & Schwarz ist der „War for Talents“ wie für viele Unternehmen in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. „Unter Spezialisten für Mess- und Funktechnik haben wir einen guten Namen“, berichtet Teetz. „Aber wenn wir neue Geschäftsfelder aufbauen wollen und dafür Mitarbeiter suchen, stehen wir vor einer großen Herausforderung.“ Das gelte momentan zum Beispiel für Spezialisten für Cyber-Sicherheit. Spielerische Elemente im Recruiting passen gut zur Arbeitgebermarke von Rohde & Schwarz, meint Teetz. „Wir bieten unseren Mitarbeitern Freiraum, um sich mit den Themen der Zukunft auseinanderzusetzen“, formuliert er den Kern des Employer Branding. Genau diesen Freiraum für kreatives, selbstbestimmtes und zielorientiertes Handeln böten auch Spiele. „Wir sind noch stärker als andere Unternehmen auf Mitarbeiter angewiesen, die solches Arbeiten lieben“, sagt Teetz. „Denn bei uns gibt es für viele Themen jeweils nur einen einzigen Spezialisten.“

Das Escape Game für die Cebit hat der Dienstleister Young Targets entwickelt, der Unternehmen bei innovativen Recruiting-Projekten unterstützt (siehe Interview). Das Vorgehen war für Rohde & Schwarz Neuland. Bisher hatten die Personaler des Unternehmens spielerische Recruiting-Elemente stets selbst entwickelt. Sie kommen vor allem in einem Wettbewerb für Studenten zum Einsatz, den das Unternehmen seit dem Jahr 2004 ausrichtet. Ursprünglich trug er den bürokratischen Namen Fallstudienwettbewerb, inzwischen nennt ihn das Unternehmen „Engineering Competition“.

Für den Wettbewerb im Jahr 2016 hatten sich die Personaler folgende Geschichte ausgedacht: Das Signalverarbeitungs-Genie Dr. Gauss will das Internet löschen, um die Erde in den analogen Zustand zurückzuversetzen. Studenten aus aller Welt, die am Wettbewerb teilnehmen, sollen ihn stoppen. Teams aus 13 technischen Hochschulen aus verschiedenen Ländern traten dazu an. Sie stammten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Tschechien, den USA und Singapur. Die erste Aufgabe lautete, in einer Datei versteckte Signale zu finden und zu entschlüsseln. Die erfolgreichsten drei Teams lud Rohde & Schwarz dann nach München ein, wo sich das Spiel fortsetzte: Die Studenten suchten mit einem Spezialgerät von Rohde & Schwarz nach dem Aufenthaltsort des Bösewichts.

Als attraktiver und innovativer Arbeitgeber positionieren

Das Spiel um Dr. Gauss hatten Personaler des Unternehmens gemeinsam mit Kollegen aus den Fachabteilungen entwickelt. „Wir haben das komplett intern vorbereitet, die Kollegen haben sogar Filme selbst
gedreht“, berichtet Teetz. „Es ist toll zu sehen, mit wie viel Begeisterung unsere Mitarbeiter dieses Spiel geplant und umgesetzt haben.“ Für das Unternehmen zahle sich das Engagement aus – auch wenn Recrutainment aufwendig ist. „Wir haben uns bei den Studenten als ein innovatives Unternehmen und als ein attraktiver Arbeitgeber präsentieren können und viele viel versprechende Kontakte geknüpft“, berichtet Teetz. Mehrere der Wettbewerbs-Teilnehmer werden bei Rohde & Schwarz ihre Bachelor- oder Master-Arbeiten schreiben. Und mit großer Wahrscheinlichkeit werden mehrere danach ihren ersten Job bei den Münchnern antreten – das war auch schon in den Vorjahren so.

Die „Engineering Competition“ soll auch im kommenden Jahr wieder stattfinden, wie zuletzt mit spielerischen Elementen. Und auch eine Neuauflage des Escape Games kann sich Recruiting-Chef Teetz vorstellen. Nachdem der erste Versuch eine positive Resonanz hatte, möchte Teetz ein solches Spiel beim zweiten Anlauf noch professioneller angehen: Anders als beim ersten Durchgang will er die Teilnehmer nach persönlichen Daten fragen, um nach dem Spiel mit ihnen in Kontakt bleiben zu können. Und er will den Erfolg des Projekts messen, also zum Beispiel dokumentieren, wie viele neue Mitarbeiter Rohde & Schwarz auf diesem Weg gefunden hat. „Außerdem möchte ich versuchen, die Inhalte des Spiels noch stärker auf die Fachgebiete zu fokussieren, in denen wir besonders intensiv nach Kandidaten suchen.“

Auch komplett neue Recrutainment-Ansätze will Teetz in den kommenden Jahren ausprobieren. Pläne hat er schon in der Schublade, Details will er noch nicht nennen. Dabei solle aber immer der Grundsatz gelten, dass es kein Spielen um des Spielens willen geben darf. „Es muss immer um Themen und Inhalte gehen, die für das Unternehmen wichtig sind“, sagt er. „Wir wollen die Teilnehmer schließlich nicht nur gut unterhalten, sondern sie für die Arbeit bei uns begeistern.“

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Christoph Hus

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