Kandidat oder Kununu: Wer profitiert vom New-Work-Siegel?

Employer Branding

Die New Work SE, vielen besser bekannt unter ihrem früheren Namen Xing, hat in diesen Tagen ein firmeneigenes Siegel vorgestellt, das bewerten soll, bis zu welchem Grad Arbeitgeber im jeweiligen Unternehmen New Work umgesetzt haben. Zu diesem vermeintlichen Gütesiegel haben wir eine klare Meinung, die wir als Diskussionsbeitrag gerne öffentlich machen.

Fragwürdige Methodik

Ein ganz zentrales Kriterium, das einem Gütesiegel wirklich Aussagekraft und vor allem Glaubwürdigkeit verleiht, ist Unabhängigkeit. Die hohe Glaubwürdigkeit, die zum Beispiel die Stiftung Warentest seit Jahrzehnten in der deutschen Öffentlichkeit genießt, beruht auch auf der meist sauberen Methodik der ihrer Testverfahren, in allererster Linie aber auf ihrer Unabhängigkeit.

Wie sieht es in Sachen Unabhängigkeit beim New-Work-Gütesiegel aus? Die Methodik des New-Work-Gütesiegels sieht nach eigenen Angaben des Unternehmens vor, versehen mit dem Feigenblatt eines Fragebogens der Handelshochschule Leipzig, hauptsächlich Dimensionen aus Kununu zu Rate zu ziehen, um ein Gütesiegel zu verleihen, das so heißt, wie die Muttergesellschaft von Kununu, nämlich die New Work SE. Unternehmen, die kein Kununu-Profil betreiben, sind von dem so genannten Gütesiegel also a priori ausgeschlossen. Closed shop!

Es braucht also ein kostenpflichtiges Kununu-Profil, um ein wiederum kostenpflichtiges Siegel verliehen zu bekommen. Daran ändert auch nichts, dass das Siegel selbst in der Startphase – die New Work SE sagt, wegen der Corona-Krise, böse Zungen könnten es Einführungsrabatt nennen – zunächst gebührenfrei sein soll, was sich aber, wiederum laut Unternehmensangaben, bald ändern soll.

Eines ist jedoch klar: Sämtliche Geldströme im Kontext des Siegels fließen in Richtung New Work SE. Schöne Idee der Vertriebsabteilung, aber Unabhängigkeit sieht anders aus.

Fragwürdige Aussagekraft für Arbeitnehmer

Auch die differenzierende Aussagekraft eines Siegels auf Basis der Kununu-Werte ist für Arbeitnehmer fraglich. Wenn sich zwei oder mehrere Arbeitgeber um einen Zehntelpunkt hinter dem Komma unterscheiden, welche Entscheidungshilfe ist das dann für einen Arbeitnehmer?

Sind authentische Stories zu den vermeintlich hinter dem Begriff „New Work“ stehenden Werten wie Flexibilität, Selbstverwirklichung, Transparenz, Kultur des Vertrauens und mehr – auch über die notwendigen Elemente von New Work ließe sich übrigens trefflich streiten – nicht viel aussagekräftiger als eine Dezimalstelle hinter dem Komma?

New Work ist kein Qualitätsmerkmal per se

Fragt man zehn Arbeitnehmer oder auch zehn Arbeitgeber nach deren Definition von New Work, dann wird man beinahe sicher jeweils zehn verschiedene Aussagen erhalten. Das verwundert nicht, denn New Work ist eben kein feststehender, mit konkreten Inhalten fest umrissener Begriff.

Und, was in diesem Kontext noch wichtiger ist: New Work ist kein Qualitätsmerkmal per se.

Sicher, New Work ist ein klarer Trend, den die allermeisten Akteure in der Arbeitswelt begrüßen. Wohlgemerkt: die allermeisten. Aber längst nicht alle. Es gibt sehr wohl Arbeitnehmer, die keine flexiblen Arbeitszeiten, sondern nine to five wollen, die keine eigenverantwortlichen Entscheidungen treffen möchten, sondern klare Ansagen bevorzugen oder der Arbeit im Homeoffice herzlich wenig abgewinnen können.

Die Gleichung, je mehr New-Work-Elemente, desto attraktiver der Arbeitgeber, stimmt sicher für viele Arbeitnehmer, aber längst nicht für alle. Und wer entscheidet, wo und für wen das der Fall ist, und wo nicht? Die New Work SE?

Unser Rat an HR

Unser Rat an die HR-Abteilungen und alle Personalverantwortlichen lautet daher: Lassen Sie sich nicht blenden von vermeintlichen Gütesiegeln, die alles andere als frei sind von wirtschaftlichen Interessen der Vergabestelle. Zeigen Sie sich vielmehr anfassbar, erfahrbar und nachempfindbar, wie Sie in Ihrem Unternehmen eine wertschätzende Kultur, die zu Eurer Employer Brand passt, lebt, umsetzt und vorantreibt. Dann wird Ihre authentische Arbeitgebermarke ganz sicher eine verlässlichere Trumpfkarte im Wettbewerb um die besten Talente als ein gebührenpflichtiger Stempel für die Kunden der New Work SE.

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(c) YeaHR!

Andreas Herde

Andreas Herde ist Gründer und Geschäftsführer von YeaHR! und spezialisiert auf Employer Branding und Recruiting. YeaHR! wurde 2015 in Düsseldorf gegründet. Mit sechs HR Excellence Awards in unterschiedlichen Disziplinen – davon 2017 und 2020 als Personalagentur des Jahres – gehört YeaHR! zu den am meisten ausgezeichneten HR-Dienstleistern der vergangenen Jahre. YeaHR! arbeitet unter anderem für Air Liquide, die Vaillant Group, Rheinmetall, Symrise und verschiedene Ministerien und zahlreiche öffentliche Auftraggeber.

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