„KI wird unsere Gesellschaft umwälzen“

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„Siri, was soll ich heute anziehen?“, Unbedingt Cowboystiefel!“. In Zukunft sollen Roboter so gut kommunizieren wie Menschen. Der Informatik-Professor Christian Bauckhage erklärt, was Maschinen bereits können und was sie noch sprachlos macht.

Herr Bauckhage, nehmen wir an, Sie hätten keine Zeit für dieses Interview, würden es aber gerne führen. Könnte ein Computer Sie vertreten?

Jetzt, im Jahr 2017, ist das noch keine gute Idee. Zwar haben wir Computer, mit denen Sie Dialoge führen können, beispielsweise Siri von Apple. Das System versteht Ihre Fragen und Kommentare und kann das nächste Restaurant suchen und kleine Sachen erledigen. Wissenschaftliche Dialoge kann es noch nicht führen.Das dauert aber nicht mehr lange.

Wann wird es so weit sein?
Ich schätze so in etwa fünf, maximal zehn Jahren.

Also ist die aktuelle Entwicklung schon sehr weit. Was muss ein Chatbot können, damit eine gelungene Kommunikation zustande kommt?
Damit ich mich mit einem Chatbot wie mit einem Menschen unterhalten kann, muss er sehr viel wissen. Menschen haben unheimlich viele Informationen im Kopf. Damit Sie eine Vorstellung davon haben: Das Gehirn hat eine Kapazität von etwa 2,5 Millionen Gigabyte. Das entspricht einer Speicherkapazität von ungefähr 11.000 Laptops. Mit der Fülle an Informationen entwickeln Menschen Ideen und eine eigene Meinung. Computer müssen das erst lernen. Sie müssen sich dieses Weltwissen aneignen. Und dieser Prozess steckt noch in den Kinderschuhen.

Wie lange dauert es, einen Chatbot zu entwickeln?
Ich würde sagen, das dauert etwa einen Tag.

Einen Tag? Nicht eher Jahre?
Klar, einen Chatbot mit künstlicher Intelligenz zu entwickeln, der ein Gespräch auf sehr hohem Niveau führen kann, das braucht viel Zeit. Aber die Chatbots, die Sie heute im Internet finden, sind Standardtechnologie. Einen einfachen Chatbot kann jeder im Hobbykeller programmieren.

Wird ein intelligentes Sprachprogramm gleich auf den Menschen „losgelassen“? Oder muss es vorher getestet werden?
Es sollte getestet werden. Ansonsten können Dinge passieren wie mit dem Chatbot Tay. Microsoft hat den Twitterbot entwickelt. Er sollte von Menschen lernen und klüger werden, umso häufiger er mit Usern kommuniziert. Als Tay im März 2016 online gestellt wurde, ging erst mal alles gut. Doch dann bombardierten Trolle den Bot mit rassistischen Nachrichten. Dadurch dass alle Dialogangebote, die Tay bekam, rassistisch waren, hat der Bot gelernt, Rassist zu sein. Nach nicht einmal einem Tag musste Microsoft den Bot vom Netz nehmen. Die haben damals den Fehler gemacht, Tay ungetestet auf die Menschheit loszulassen.

Und wie kann ein Bot getestet werden?
Zunächst muss eine Person den Bot in dem für ihn vorgesehenen Bereich unterrichten. Das heißt, ein Mensch muss dem Bot erklären, wie er auf bestimmte Anfragen reagieren soll. Daraus ergibt sich eine Datensammlung, anhand derer das System trainiert wird. Dann muss der Bot Aufgaben lösen. Wenn seine Reaktion nicht im gewünschten Bereich liegt, muss er weiter mit Wissen gefüttert werden – bis er die richtigen Antworten gibt.

Das klingt sehr aufwendig.
Das dauert auch lange. Aber eine genaue Zeitangabe kann ich nicht machen. Das kommt auf das System an.

Muss der Mensch eigentlich ebenfalls lernen, wie er mit dem Computer sprechen muss?
Nein, Sie brauchen keine zusätzliche Ausbildung. Ziel ist, die Kommunikation mit Computern so benutzerfreundlich zu gestalten, dass wirklich jeder damit umgehen kann.

Sprache ist etwas Soziales. Sehen Sie die Gefahr, dass Gespräche zwischen Computer und Menschen mit der Zeit die zwischenmenschliche Kommunikation verdrängt?
Absolut. An der Stelle muss ich sagen, Sie reden tatsächlich mit jemandem, der die Entwicklung auch kritisch sieht. Ich selbst vermeide es, soweit möglich, Smartphones zu nutzen. Ich fahre viel Bus und Bahn und ständig sehe ich dabei Leute, die in ihre Handys tippen. Das finde ich bedenklich.

Das ist überraschend. Aufgrund Ihrer Profession könnte man meinen, Sie benutzen häufig Ihr Smartphone.
Das höre ich oft. Dann sage ich immer: Ich kann auch Experte für Kannibalismus sein, ohne Menschen zu essen. Nur weil ich zu den Entwicklern dieser Technologie gehöre, bedeutet das nicht, dass ich mein Privatleben auch darauf ausrichte.

Wie wird sich die Kommunikation zwischen den Menschen verändern?
Kommunikation wird künftig noch mehr über Maschinen abgewickelt. Man kann auch davon ausgehen, dass die Geräte immer kleiner werden. Sie werden immer mehr an uns heranrücken. Denken Sie an Google Glass: Momentan starren Menschen auf ihre Touchscreens, in ein paar Jahren starren sie womöglich in eine Brille, die Videos und Whatsapp-Nachrichten zeigt.

Das klingt, als sei die zwischenmenschliche Kommunikation in Gefahr.
Das ist der Grund, warum ich Smartphones im privaten Bereich so gut es geht meide. Vor ein paar Wochen war ich in England in einem Restaurant und habe etwas Schockierendes gesehen: Ein junges Pärchen, das offensichtlich ein Date hatte. Beide kamen in das Restaurant, setzten sich nebeneinander und legten ein Smartphone auf den Tisch. Sie schauten einen Film, während sie aßen. Dabei sprachen sie kein Wort miteinander. Es ist seltsam, was diese Technologie mit unseren Sozialleben macht. Aber Google und Facebook haben kein Interesse, dem entgegenzuwirken.

Es liegt also an jedem selbst, die zwischenmenschliche Kommunikation aufrechtzuerhalten?
Ja, jeder muss für sich entscheiden, wie sehr er die Technologie in sein Leben lässt. Ich kann nur den schönen Spruch zitieren: „Analog ist das neue Bio.“

Gibt es Bereiche, in denen sprechende und denkende Computer niemals eingesetzt werden sollten?
Bei dem unfassbaren Fortschritt, den wir in den letzten Jahren erlebt haben, muss man davon ausgehen, dass solche Systeme in absehbarer Zeit alles können. Deshalb sollten Menschen künstliche Intelligenz niemals beim Militär einsetzen. Denn dort geht es um Leben und Tod, da wird künstliche Intelligenz gefährlich. Deswegen haben renommierte Vertreter aus der IT-Branche und prominente Wissenschaftler, wie Stephen Hawking, 2015 einen offenen Brief verfasst. Darin sprechen sie sich gegen die Nutzung dieser Technologie für militärische Zwecke aus. Leider ist dem US-Verteidigungsministerium oder Ländern wie China so ein Brief völlig egal. Sie setzen KI trotzdem ein.

Das heißt, künstliche Intelligenz wird uns möglicherweise umbringen?
Auf jeden Fall entwickelt sich künstliche Intelligenz dramatisch schnell. Dieser Fortschritt wird unsere Gesellschaft und den Alltag umwälzen.

Wir haben vor allem über die negativen Folgen von KI gesprochen. KI hat doch sicher auch positive Seiten?
Künstliche Intelligenz wird den Menschen viel Arbeit abnehmen, so dass sie wieder mehr Zeit für andere, wichtigere Dinge haben. Neue Technologien haben immer Vor- und Nachteile. Aber letztendlich möchte keiner die ganze Technologie, die uns heute zur Verfügung steht, sei es in Form von Autos, Telefonen oder Medizintechnologie, missen. Wir wollen nicht ins Mittelalter zurück. Immer wenn neue Technologien eingeführt werden, kommt es zu Veränderungen. Aber in der Regel hat die Menschheit bislang immer davon profitiert.

 

Foto: Fraunhofer IAIS
Foto Fraunhofer IAIS

Christian Bauckhage, Professor für Informatik an der Universität Bonn und Lead Scientist für maschinelles Lernen am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS

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Kira Pieper

Redakteurin bei der Nachrichtenmanufaktur, einem Redaktionsbüro für N-TV

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