Kündigungsschutz in Grenzen

Arbeitsrecht

Eine Betriebsverlagerung ins Ausland wirft arbeitsrechtliche Fragen auf. So kann der deutsche Kündigungsschutz unter Umständen seine Wirkung verlieren. Ein „Ship and Fire“ wird möglich.

Häufig erwägen Unternehmen, Arbeitsprozesse in Deutschland einzustellen und ins Ausland zu verlagern. Durch die Verlagerung von zum Beispiel Produktionsabteilungen oder sonstigen Dienstleistungen über die Grenzen versprechen sich Arbeitgeber insbesondere Standortvorteile wie niedrigere Personalkosten oder andere Synergieeffekte. Arbeitsrechtlich stellt sich aber die Frage, welche Folgen derartige grenzüberschreitende Umstrukturierungen für die betroffenen Arbeitnehmer haben.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 26.5.2011 (8 AZR 37/10) wichtige Weichen für die Beurteilung grenzüberschreitender Betriebsverlagerungen gestellt. Es entschied, dass auch Betriebsverlagerungen ins Ausland einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB darstellen und damit die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer auf das ausländische Unternehmen übergehen können.

Diese Kernaussage bestätigten die Erfurter Richter mit Urteil vom 13.12.2012 (6 AZR 608/11). Wichtig ist aber, dass nicht jede Verlagerung in das Ausland per se zu einem Betriebsübergang führt. Die Voraussetzungen eines solchen Übergangs müssen im jeweiligen Einzelfall auch vorliegen. Dabei kann ein Betriebsübergang nach § 613a BGB bei der Verlagerung von Betrieben oder Betriebsteilen ins Ausland schon aufgrund der geografischen Entfernung zwischen alter und neuer Betriebsstätte ausscheiden, so das BAG. Jedenfalls führe eine erhebliche räumliche Entfernung zwischen den Betriebsstätten dazu, dass die Arbeitsverhältnisse nicht auf den ausländischen Erwerber übergehen. Dies sei bei 60 Kilometer Entfernung noch nicht der Fall, exakte Kilometergrenzen, ab wann § 613a BGB ausscheidet, können jedoch nicht festgelegt werden. Ist die Entfernung zwischen alter und neuer Betriebsstätte zum Beispiel so weit, dass nicht mehr der bisherige Kundenstamm gehalten wird, wird aber regelmäßig ein Betriebsübergang nicht vorliegen.

Bei Vorliegen eines Betriebsübergangs ändert sich in der Konsequenz das anwendbare Recht, wenn die Arbeitsvertragsparteien nicht ein bestimmtes nationales Recht vereinbart haben. Demnach wird in aller Regel ausländisches Arbeitsrecht anwendbar, nachdem die Arbeitsverhältnisse ins Ausland übergegangen sind. Dies kann für die Arbeitnehmer zu einem bösen Erwachen führen. Ist nämlich beispielsweise eine vor dem Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung noch nach dem deutschen Kündigungsschutzrecht zu beurteilen, wird als Kehrseite der Medaille aber auch ein „Ship and Fire“ möglich. Unternehmen können Arbeitsverhältnisse bewusst zunächst ins Ausland transferieren, weil im Zielland kein oder nur ein schwächerer Kündigungsschutz besteht.

Dadurch ist es zulässig, mit einer Kündigung zunächst bis zum Betriebsübergang abzuwarten, um so das Arbeitsverhältnis im Ausland je nach dort geltendem Arbeitsrecht leichter beenden zu können.

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Alexander Raif, Foto: Privat

Alexander Raif

Dr. Alexander Raif ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Berliner Büro der Kanzlei WEITNAUER.

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