Verhandlungen: Kein Platz für Selbstinszenierung

Leadership

Mit Verhandlungen lässt sich in kurzer Zeit viel gewinnen oder verlieren. Über Erfolg entscheidet, wie Gruppenmitglieder intern miteinander umgehen. Aber wie vorgehen, damit Verhandlungsteams harmonieren und sich Einzelne nicht den Status der Führungsrolle zuschreiben?

Der Erfolg von Unternehmen und Organisationen hängt oft mit den Ergebnissen von Verhandlungen zusammen, die im Rahmen von Change-Prozessen, strategischer Neuausrichtung, Abbaumaßnahmen oder Tarifkonflikten erfolgen. Der Verhandlungserfolg ist abhängig vom Ausbildungsgrad aller Beteiligten und davon, wie die Teams zusammengestellt sind. Ein gut funktionierendes Team braucht Rollenklarheit und Disziplin. Denn Verhandlungen sind keine Selbstläufer. Sie brauchen ein perfektes Verhandlungsteam, das aufgebaut wird, weit bevor Verantwortliche mitbestimmungspflichtige Themen dem Betriebsrat bekannt geben oder einen Organisationsumbau neu verhandeln. Die gute Nachricht ist: Verhandeln lässt sich erlernen. Mit der richtigen Vorbereitung und einer passenden Taktik erhöhen sich die Erfolgschancen – und Erfolg hängt davon ab, wie ein Team gruppenintern agiert.

Meist treffen in einem Verhandlungsteam Fachleute aufeinander, allesamt Expertinnen und Profis in ihrem Fachgebiet. Viele von ihnen wissen, welches Ziel sie in einer Verhandlung verfolgen. Geht es jedoch an den Verhandlungstisch, herrscht oft Chaos, weil viele unterschiedliche Vorstellungen und Interessen zusammenkommen. Oftmals bringen Beteiligte diese nicht strukturiert unter einen Hut. Alle versuchen, das Beste zu geben. Ist das Team jedoch nicht nach klaren Regeln aufgestellt, agiert es mitunter wie eine Gruppe von Kleinkindern, die Fußball spielen: Alle stürmen gleichzeitig los und versuchen, an den Ball heranzukommen. Oder es folgt eine Solovorstellung: Eine Person übernimmt alles und der Rest sind Teilnehmende ohne Aufgabe. Unter solchen Bedingungen lässt sich kein gutes Ergebnis erzielen.

Rollen klar aufteilen

Wenn für eine Verhandlung Teamarbeit vorgesehen ist, müssen Rolle und Funktion definiert sein. Auch Mitglieder aus der Führungsebene, die nicht direkt am Verhandlungstisch sitzen, müssen sich ihrer Rolle und Funktion bewusst sein. Wer ist für Deeskalation zuständig? Welche Sprach- und Handlungsdisziplin sollen alle einhalten? Denn: Niemand kann alles alleine stemmen. Auch das Delegieren von Aufgaben will gelernt sein. Nichts schadet einer Verhandlung mehr, als wenn sich Personen aus den eigenen Reihen plötzlich ins Wort fallen oder das gerade Gesagte – verbal oder nonverbal – infrage stellen. Solche gut gemeinten Interventionen oder auch Friendly Fire haben schon in so mancher Verhandlung einen Vorteil in einen Nachteil verwandelt. Noch schädlicher ist es, wenn aus dem eigenen Team Widerspruch ertönt und dieser am Verhandlungstisch für alle deutlich wird. Das zugrunde liegende Problem ist in beiden Fällen ein nicht aufeinander abgestimmtes Verhandlungsteam. Jedes Teammitglied kann also eine potenzielle Fehlerquelle sein.

Ein Modell, das hilft, Fehler zu minimieren, kommt mittlerweile in vielen Unternehmen und bei politischen Verhandlungen zum Einsatz. Angelehnt ist dieses Konzept an die Überlegungen und Prinzipien des ehemaligen FBI Chief Negotiators Frederick Lanceley, der es ursprünglich für Krisenverhandlungen entwickelte. Es eignet sich gleichermaßen für Start-ups, kleine und mittelständische Unternehmen wie für Konzerne. Es ist so ausgelegt, dass alle, die es anwenden, verschiedene Eskalationsebenen innerhalb der Verhandlung nutzen können.

Das Modell sieht drei Funktionen vor: zwei Funktionen am und eine außerhalb des Verhandlungstisches. Die beiden Funktionen am Verhandlungstisch bezeichnet man als Verhandlungsführung und Verhandlungssteuerung. Außen vor bleibt jene Person, die entscheidet – ein Decision Maker. Natürlich ist dieses Konzept aufstock- und erweiterbar. Man kann jederzeit weitere Personen integrieren: Protokollführende, Fachleute – also juristisch, ökonomisch oder wissenschaftlich versierte Personen –, ausgebildete Beobachtende oder auch professionelle Profilerinnen und Profiler, die in größeren Verhandlungen eine zunehmende Rolle spielen. Eine Grundregel ist dennoch zu beachten: Masse ist nicht gleich Klasse. Denn, wie wir wissen: Jede zusätzliche Person ist auch eine potenzielle Fehlerquelle. Eine akribische Vorbereitung, um geschlossen in eine Verhandlung zu gehen, dient auch dem Ziel, Fehlerquellen zu minimieren. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, dass am Verhandlungstisch strenge Disziplin herrscht.

Abstimmung verhindert Verstimmung

Das Wesen der Verhandlung ist die Kommunikation. Dazu gehört, dass geklärt ist, wer spricht und wer das Wort erteilt. Denn nicht jedes Teammitglied kann reden, wann es ihr oder ihm passt. Auch wildes Durcheinanderreden ist unangebracht. Eine Person führt das Gespräch und gibt das Wort auch weiter an die Teammitglieder. Um gleich ein Missverständnis auszuschließen:

Verhandlungsführende müssen nicht an der Spitze der Teamhierarchie stehen. Das ist vielmehr die Funktion der Verhandlungssteuernden. Diese führen in die Verhandlung ein, begrüßen die Anwesenden und stellen die Verhandlungsagenda vor, ehe sie an den oder die Verhandlungsführenden übergeben. Diese Übergabe läuft nicht formell ab, sondern geht fließend im Gespräch vonstatten. Obwohl die Verhandlungsführenden hierarchisch unter den Verhandlungssteuernden stehen können, haben sie in der Regel den größten Gesprächsanteil.
Verhandlungsführende haben den roten Faden im Kopf und wissen, wie sie Phase für Phase der Verhandlung abarbeiten. Sie kennen die dazugehörigen Taktiken und Vorgehensweisen und haben dabei immer das Ziel des besten Ergebnisses im Auge. In Absprache mit der Person, die die Verhandlung steuert, strukturieren sie den Prozess und navigieren konsequent durch die Verhandlung. Ihre Aufgabe ist es, während des gesamten Verhandlungsprozesses weiter zu analysieren und mit Fragen der Verhandlung die Richtung vorzugeben.


Sieben Tipps für erfolgreiche ­Verhandlungen:

  • Definieren Sie klare Rollen im Team.
  • Bereiten Sie sich gemeinsam mit allen Beteiligten vor.
  • Führen Sie Vorverhandlungen innerhalb des Teams.
  • Behalten Sie Rollen- und Sprachdisziplin in der Verhandlung bei.
  • Lassen Sie Entscheidende am Verhandlungstisch außen vor.
  • Erarbeiten Sie Verhandlungsleitfäden für Unternehmen und Beteiligte.
  • Sorgen Sie für einheitliche Ausbildungsstandards für Verhandelnde.

Deeskalation durch Steuerung

Werden Begrifflichkeiten, Motivlagen oder Ergebnisse im Eifer des Gefechts übersehen oder falsch zusammengefasst, ist es Aufgabe der Verhandlungssteuernden, einzugreifen und dies zu korrigieren. In deren übergeordneter Rolle, bei der sie nicht ständig im Dialog agieren, fällt es den Verhandlungssteuernden leichter, zuzuhören, zu beobachten und gegebenenfalls einzuspringen. Auch beobachten sie Veränderungen auf der Beziehungsebene und beraumen, zum Beispiel wenn es hitziger wird, eine Pause ein. Sie können die Pause nutzen, um anzusprechen und zu vermitteln, wenn Teammitglieder ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben oder außerhalb der zugewiesenen Redezeiten das Wort ergreifen. Sollte es dem Verhandlungsergebnis nutzen, können Verhandlungssteuernde im Extremfall Teammitglieder austauschen.

Während der Verhandlung sollten Verhandlungssteuernde stets die gemeinsame Strategie im Auge behalten: Möchte das Team mit Druck in die Verhandlung gehen, eher kooperativ vorgehen oder auf Zeit spielen? Gibt es bestimmte Verhandlungspunkte, die man bereit ist, aufzugeben? Neben dem roten Faden der Verhandlung behalten sie auch stets die Agenda und die darin fixierten Zeiträume im Auge. So wird die Verhandlungsdisziplin im Team gewährt.

Auch wenn der engere Austausch mit der Gegenseite den Verhandlungsführenden obliegt, ist es die Aufgabe der Verhandlungssteuernden, einzugreifen, sobald die Beziehungsebene bedroht ist. Dies kann der Fall sein, wenn ein Teammitglied verbal angegriffen oder unfair behandelt wird oder es durch unkontrollierte Emotionen selbst zur Eskalation beiträgt. Sie decken eine wichtige Deeskalationsebene ab. Diese Funktion sollten konsequenterweise Personen innehaben, die über viel Erfahrung in Verhandlungsprozessen verfügen.

Keine Führungsperson am Tisch

Eine Funktion, die am Verhandlungstisch nichts zu suchen hat, ist die der tatsächlich abschließend entscheidenden Person. Meistens ist dies jemand aus höheren Führungsebenen eines Unternehmens oder einer Organisation. Bei der Strategieentwicklung und Definition der Ziele und Forderungen im Vorfeld der Verhandlung sollte der- oder diejenige eingebunden sein, sich danach jedoch nicht an den Verhandlungstisch ziehen lassen.

Die Hauptaufgabe ist es, eine Beziehungsebene zum Pendant der Gegenseite aufzubauen. Sollte es zu keinem Ergebnis kommen, kann die Person, die schlussendlich entscheidet, zur Lösung beitragen. Sie muss im Krisenfall deutlich machen, dass ihr Verhandlungsteam mit ihrer hundertprozentigen Vollmacht agiert und ihr volles Vertrauen genießt. Auch entscheidet sie in letzter Instanz über das weitere Vorgehen. Damit ist nach dem Verhandlungssteuernden eine zweite Deeskalationsebene eingezogen, die eine weitere Chance bietet, eine zum Scheitern drohende Verhandlung doch noch zum Erfolg zu bringen.

Teaminvestition heißt ­Erfolgsinvestition

Professionelle Organisationen haben ganz klare Regeln für die Teamaufstellung. Gut aufgestellte Teams, mit klaren Ausbildungsstandards und gemeinsamen Vorbereitungen, schaffen ihrem Unternehmen Vorteile, die auf anderen Wegen kaum zu erreichen sind. Eine Vielzahl von Unternehmen oder auch Gewerkschaften haben dafür eigene Verhandlungsleitfäden erarbeitet. Diese gelten für alle Beteiligten und ermöglichen damit auch bei kurzfristigen Änderungen im Team ein klares Grundverständnis. Denn Erfolg steht und fällt mit der optimalen Vorbereitung, der Investition in Ausbildung sowie der Verteilung und Einhaltung von Rollen innerhalb Verhandlungsteams. Diese Investition sollte es allen Verhandelnden wert sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Status. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann

Quadriga Hochschule Berlin
Thorsten Hofmann arbeitete viele Jahre als operativer Ermittler des Bundeskriminalamts und Interpol. Er war im Bereich Organisierte Kriminalität tätig, vor allem bei ­Verhandlungsfällen von Erpressungen und Geisel­nahmen. Heute berät er Unternehmen, Verbände und Politik. Er leitet das C4 Center for Negotiation an der Quadriga Hochschule Berlin.

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