Mehr Persönlichkeit zeigen

Employer Branding

Was Fachkräftemangel bedeutet, weiß man in der Gesundheitsbranche schon ziemlich genau. Die Rotkreuz-Kliniken in Frankfurt haben daher eine Employer-Branding-Kampagne aufgesetzt, die dem entgegenwirken soll. Im Mittelpunkt steht der Teamgeist.

Der Ausspruch vom Mitarbeiter, der in den Mittelpunkt gestellt werden muss, ist ziemlich abgedroschen und zur Floskel verkommen. Was eigentlich schade ist, denn selbstverständlich steckt ein wahrer Kern darin. Und was alles in Bewegung geraten kann, wenn dies tatsächlich im Unternehmen gelebt wird, zeigt das Beispiel der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken, die aktuell mit einer, besonders für das Krankenhaus-Umfeld erstaunlichen, Arbeitgebermarketing-Kampagne von sich reden machen. Die Kampagne trägt den Titel „Teamgeist erleben“, da zeigt sich schon, dass es vor allem um die Menschen geht. „Unsere Mitarbeiter sind das Alleinstellungsmerkmal der Kampagne“, erzählt denn auch Marion Friers, die als Teil der Geschäftsführung die Bereiche Personal, Pflege und Kommunikation verantwortet. Das heißt konkret, dass die Mitarbeiter nicht nur Gesicht zeigen und als Testimonials auf den Kampagnenmotiven und zahlreich in den dazugehörigen Videos zu sehen sind, sondern auch bei der Entwicklung mitreden konnten.

Denn das Herzstück der Kampagne sind die vier Unternehmenswerte Teamgeist, Zeit, Qualifikation und Wertschätzung. Diese Werte wurden mit den Mitarbeitern in Workshops herausgearbeitet, wobei sich der Teamgeist als besonders prägend herausstellte und somit als Claim in den Mittelpunkt rückte. Die Workshops waren im Übrigen der einzige Punkt, an dem eine Agentur mit eingebunden war. „Wir wollten, dass die Mitarbeiter frei reden konnten“, erklärt Martin Camphausen, Leiter Unternehmenskommunikation und Pressesprecher der Krankenhäuser. „Den Rest der Konzeption und Umsetzung haben wir alleine gestemmt, zum einen, weil sich das Haus selbst gut genug kennt und weil wir das benötigte Know-how im Vorfeld bewusst ins Unternehmen geholt haben.“

Verknüpfung der Fachbereiche

Damit meint er zum einen sich selbst, er ist seit Februar 2014 dabei und hat damit fast die gesamte Planungsphase begleitet, und zum anderen zwei weitere Referentinnen für die interne Kommunikation und das Recruiting, alle angesiedelt in der Unternehmenskommunikation. Das Recruiting nicht in der Personalabteilung anzudocken, sondern der Kommunikation zuzuordnen, hat sich für die Frankfurter als richtig erwiesen: „Wir wollten ein passendes und umfassendes Konzept zum Recruiting etablieren, in dem wir zeigen können, was wir als Arbeitgeber zu bieten haben“, erklärt Friers.

Diese Verknüpfung der Fachbereiche kommt der Employer Branding-Kampagne zugute. „Die Kampagne ist durch die starke Einbindung der Mitarbeiter und den Fokus auf die Unternehmens werte sehr authentisch und kommt nicht als reine Marketing-Maßnahme rüber“, meint auch Ulrike Roese-Maier, die als Gründerin und Geschäftsführerin der MCM Media Consult Maier und Partner GmbH Unternehmen im Gesundheitswesen bei der Personalbeschaffung berät. Und durch die Multimedialität würden die Zielgruppen an verschiedenen, für sie passenden, Orten abgeholt.

Kern der Kampagne ist die Microsite teamgeist-erleben.de, auf der die vier zentralen Werte erklärt werden. Darüber hinaus gibt es einen Link zu offenen Stellen, zu einem Kurzbewerbungstool – das potenzielle neue Mitarbeiter zur schnellen Kontaktaufnahme animieren soll –, zu den Videos zur Kampagne sowie Links zu Facebook und Xing. Gerade die Präsenz in Social Media-Kanälen war zunächst umstritten. „Ich komme noch aus einer Ära, in der Kommunikation gesteuert und nichts dem Zufall überlassen wurde“, sagt Marion Friers. „Da muss man sich erst einmal klarmachen, dass wir nun im Zeitalter des Dialogs sind. Gerade Krankenhäuser müssen sich diesbezüglich stark umstellen.“ Viele würden sich Social Media nicht zutrauen, hätten keine Lust, neben den vielen, oft eher negativen Punkten, mit denen man als Klinik in der Presse stehen kann, noch freiwillig weitere Kanäle aufzumachen und gegebenenfalls einem Shitstorm begegnen zu müssen, fügt Martin Camphausen hinzu. Die Rotkreuz-Kliniken haben sich nach langer Diskussion anders entschieden, wollten dadurch das Haus persönlicher zeigen. Inzwischen wird die Kampagne, die im März dieses Jahr gestartet ist, über Social Media stetig begleitet.

Etwas Neues wagen

Aktuell haben Friers und Camphausen mit ihrem Team die 2. Außenwerbungsphase eingeläutet. Dabei sind die Kampagnenmotive unter anderem auf Großplakaten und Litfaßsäulen im Frankfurter Stadtbild zu sehen. Gleichzeitig gibt es seit September eine Phase des Guerilla-Marketings. Dabei werden beispielsweise Fahrradsattelcover in verschiedenen Aktionen an die Zielgruppe verteilt.

Fragt man, was neben dem Fokus auf die von den Mitarbeitern herausgearbeiteten Werte ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Kampagne ist, sprechen Friers und Camphausen von Mut. Den Mut, die eingefahrenen Strukturen, die alle einschlagen, zu verlassen, aus der Menge herauszustechen und etwas Neues zu wagen. „Wir trauen uns was“, sagt Camphausen. Man wolle den Alltag im Krankenhaus darstellen, wie er ist, und nicht idealisiert.

Dazu gehört auch, das Krankenhaus als Gesamtprozess zu zeigen, und nicht nur fokussiert auf das Medizinische. Das ist den Machern wichtig. Auch wenn der Schwerpunkt im aktuellen Kampagnenteil auf der Pflege liegt. „Dabei ging es uns darum, Pflegekräfte nicht mit der tätschelnden Hand am Patienten darzustellen, sondern so, wie sie sind: als hochqualifizierte und selbstbewusste Menschen“, erklärt Marion Friers. Sie glaubt, dass die Mitarbeiter auch deswegen so mit Feuer und Flamme dabei gewesen seien.

Wandel hin zu mehr Emotionalität

Die Kampagne, durch die bereits nach Angaben des Krankenhauses eine Steigerung der Bewerbungszahlen um 45 Prozent erreicht werden konnte, hat für Aufsehen gesorgt. Insbesondere in der Gesundheitsbranche. Denn es ist noch lange nicht Usus, dass auch Krankenhäuser mit einer Employer Brand an die Öffentlichkeit gehen. Dabei ist laut Expertin Roese-Maier gerade der Klinikbereich eine Branche, in der man mehr machen müsste und könnte: „Der Gesundheitssektor hat einen großen Anteil am Bruttoinlandsprodukt, und ich kenne kaum eine Branche die sich so stark am Markt behaupten muss. Dennoch tut sie sich schwer.“ Und das, obwohl dort der Fachkräftemangel bereits zu spüren ist. Für Friers erst recht ein Grund, sich mit der Arbeitgeberkommunikation zu befassen: „Der Erfolg von Krankenhäusern wird sich an den Mitarbeitern entscheiden und nicht daran, ob ich den berühmtesten Chefarzt oder die beste technische Ausrüstung habe.“

Ungewöhnlich ist auch die starke emotionale Seite der Kampagne. Bisher sei Krankenhauskommunikation immer noch eher sachorientiert, meint Roese-Maier. Da ist zu spüren, dass die meisten Einrichtungen nach wie vor sehr verwaltungsnah organisiert sind, und wenn sie kommunikativ unterwegs sind, dann in erster Linie die medizinische Seite in den Vordergrund rücken. Die Rotkreuz-Kliniken haben dies schon länger ein ganzes Stück weit geändert. 2012 wurden neue Führungsstrukturen etabliert, die Leitung wechselte vom klassischen Klinikdirektor zu einer dreiköpfigen Geschäftsführung, in der erstmalig eben auch eine Position explizit für Personal und Unternehmenskommunikation geschaffen wurde. Im Rahmen des daran anschließenden Change-Management-Prozesses fand auch der Aufbau der Arbeitgebermarke statt.

Der Unternehmenskultur gab die Kampagne nochmal einen Schub: „Das war eine riesen Teambuilding-Maßnahme“, sagt Camphausen. Insofern zielt die Kampagne nicht nur auf die externe, sondern auch auf die interne Kommunikation und verknüpft diese mit dem Recruiting und Personalmarketing. Ein ambitionierter Ansatz, der, wie Marion Friers erklärt, nicht als Schnellschuss gedacht ist: „Unsere Mitarbeiter messen uns an der Arbeitgebermarke. Daher sind wir auch nicht an einem kurzfristigen Feuerwerk interessiert, sondern wollen stetig weiter mit ihnen daran arbeiten.“

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Kathrin Justen

Kathrin Justen ist Verantwortliche für People and Culture bei der Digitalberatung Digital Dna und arbeitet nebenberuflich als freie Journalistin.

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