Mehr reden, weniger rechnen

Personalmanagement

Viele Konzerne basteln derzeit an ihrem Performance Management. Die Systeme seien zu aufwendig und wenig aussagekräftig, so die Kritik.

Michael Mager, Personalvorstand und Arbeitsdirektor des Armaturenherstellers Grohe, ist mit seinem Performance-Management-System hochzufrieden. Wenige Tage vor der Deadline haben 95 Prozent der Führungskräfte die jährlichen Beurteilungen ihrer Mitarbeiter bereits abgeliefert: „Die restlichen fünf Prozent kommen noch“, ist Mager zuversichtlich. „Führungskräfte und Mitarbeiter akzeptieren das System gleichermaßen, das ist für uns ein Zeichen, dass unser Performance Management gut funktioniert.“ Grohe arbeitet bereits seit vielen Jahren mit dem jetzigen, betont einfach gehaltenen System. Und hat immer wieder hier und da an Stellschrauben gedreht. Aus insgesamt 18 Managementbereichen haben sich schließlich acht bis zehn Pflichtbestandteile herauskristallisiert, in denen die Führungskräfte jeden ihrer Mitarbeiter bewerten und darauf aufbauend die Höhe der jeweiligen Bonuszahlung ermitteln. Im Jahresgespräch besprechen Chef und Mitarbeiter dann die Ergebnisse und reden vor allem darüber, wie es im nächsten Jahr weiter gehen soll. „Das Jahresgespräch ist uns sehr wichtig, den Rest versuchen wir so schlank wie möglich zu halten“, sagt Mager.

Mit dieser Haltung liegt Grohe im Trend: Weniger Zahlensalat und mehr Gespräche lautet das Gebot der Stunde. „Viele Unternehmen feilen derzeit an ihrem Performance Management, entschlacken Prozesse und fokussieren sich stärker auf ihre jeweiligen Prioritäten“, sagt Thomas Aleweld, Partner und Performance-Experte bei der Personalberatung Aon Hewitt. Berater wie Aleweld beobachten, dass ein großer Teil der Dax-Unternehmen und großen Mittelständler derzeit sein Performance Management unter die Lupe nimmt. „Bei vielen Firmen hat sich in den vergangenen Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass ihr Performance Management einerseits zu aufwendig ist, und andererseits zu wenig Konsequenzen und konkrete Maßnahmen aus den Beurteilungen der Mitarbeiter abgeleitet werden“, sagt Aleweld.

Denn der Aufwand im Zusammenhang mit dem Performance Management ist groß, in den Personalabteilungen genauso wie bei den Führungskräften. Die Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter ist nur ein zentrales Instrument des Performance Management. In vielen Firmen müssen die Chefs gleich mehrere Gespräche pro Jahr etwa zu Karriereplanung, zum Jahresverlauf und zur Gehaltsentwicklung vor- und nachbereiten. Meist tauschen sich Führungskräfte zusätzlich untereinander aus, Daten werden bis zum Vorstand hoch verdichtet und noch einmal bewertet. Außer einer Rückschau auf das vergangene Jahr und der Bemessung des Bonus geschieht mit all den Informationen allerdings häufig herzlich wenig. „Das ist ziemlich viel Arbeit, wenn es nur darum geht, dass alle Mitarbeiter am Ende des Jahres ein bisschen Geld ausgeschüttet bekommen“, sagt Maren Hauptmann, Performance-Management-Expertin bei der Unternehmensberatung Deloitte.

Um diesen Effekt zu verhindern, hat Grohe-Personalchef Mager das Feedback zur Beurteilung zusammen mit dem Karrieregespräch in einen Termin gepackt. Das hat gleich mehrere Vorteile: Zum einen werden die Führungskräfte nicht mit Terminen überfrachtet. Zum anderen bekommt das Beurteilungsgespräch automatisch eine prospektive Komponente: „Die Führungskräfte sollten ja nicht nur beurteilen, wie das vergangenen Jahr war, sondern vor allem auch Wege aufzeigen, wie es für den Mitarbeiter im Unternehmen weitergeht“, sagt Personalvorstand Mager. Die Kandidaten aus den guten Leistungskategorien A bis C bekommen dann Entwicklungsperspektiven im Unternehmen aufgezeigt, neue Aufgaben zugeteilt und Projekte übertragen, D- und E-Mitarbeiter erhalten Hilfestellung, wie sie ihre Leistung verbessern können.

Beurteilungen pro Quartal

Einige Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter und lassen ihre Führungskräfte über das Jahr verteilt häufiger Feedback-Gespräche mit ihren Mitarbeitern führen, etwa nach Abschluss eines Projektes oder in Form von Zwischenbeurteilungen einmal pro Quartal. „Die Eindrücke sind dann noch frisch, außerdem haben Führungskraft und Mitarbeiter die Chance, prospektiv zu denken und zu überlegen, was sie im laufenden Jahr anders machen können“, sagt Deloitte-Beraterin Hauptmann. Statt vager langfristiger Zielvorgaben können Chef und Mitarbeiter dann ganz konkret vereinbaren, was im nächsten Projekt anders laufen soll. Ein solches Konzept beinhaltet allerdings, dass sich Manager deutlich häufiger mit der Arbeit ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen. Zum einen schmilzt dafür aber der große Brocken des Jahresendgesprächs auf ein kurzes finales Resümee zusammen, die laufenden Gespräche sind deutlich weniger formalisiert und eher fachlich auf konkrete Ziele für die kommenden Wochen bezogen. Zudem wächst die Bereitschaft, in solche Gespräche Zeit zu investieren, wenn beide Seiten daraus konstruktive Schlüsse ziehen können. „Solche unterjährigen Feedback-Gespräche können ein ganz wichtiger Teil des Performance Managements sein“, sagt Hauptmann.

Stärken und Schwächen benennen

Neben dem Turnus ist die Art und Weise, wie Chefs Gespräche mit ihren Mitarbeitern führen, ein zentraler Faktor des Erfolgs beim Performance Management, sind sich Personalberater und -manager einig. „Wichtig ist uns, dass die Vorgesetzten im Jahresgespräch erklären, wie ihre Beurteilung zustande gekommen ist“, sagt Grohe-Personalchef Mager. „Wir haben dazu in den vergangenen zwei Jahren viele Führungskräfte geschult.“ Eine sinnvolle Investition, denn in vielen Unternehmen fühlen sich Mitarbeiter bei der Beurteilung ungerecht behandelt. „Jeder denkt doch erst einmal, dass er super gearbeitet hat“, sagt Deloitte-Beraterin Hauptmann. Dann kommt das Jahresgespräch, in dem der Chef den Mitarbeiter faktisch auf eine Leistungszahl reduziert. „Das Jahresendgespräch dreht sich dann zum großen Teil darum, dass der Vorgesetzte seinem Mitarbeiter erklären muss, warum Kollege XY einen Punkt besser abgeschnitten hat als er. Häufig können Vorgesetzte das Ranking dann nicht schlüssig erklären, was für beide Seiten frustrierend ist“, sagt Hausmann. Performance-Management-Systeme sollten Führungskräfte stattdessen dazu anhalten, Stärken und Schwächen von Mitarbeitern zu benennen und entsprechend einzusetzen. „Die Frage ist nicht mehr, wie gut oder schlecht ein Mitarbeiter war. Sondern was er gut kann und was nicht und wie ich ihn dementsprechend einsetze“, sagt Hauptmann. „Um das herauszufinden, müssen Vorgesetzte allerdings ganz andere Gespräche führen als bislang.“

Zudem müssen Manager deutlich stärker als bisher führen: Mitarbeiter bewerten, Stärken und Schwächen erkennen, Entwicklungspotenziale heben. Faktisch sind viele Führungskräfte allerdings schon heute mit ihrem Job überfordert oder nehmen den Part der Führung nicht ernst: „Viele leitende Manager sind schlicht keine guten Führungskräfte, und dieses Manko kann man auch mit noch so guten Führungsinstrumenten nicht ausgleichen“, beobachtet Deloitte-Expertin Hauptmann. „Das wussten Personalmanager im Zweifel auch schon früher. Ihre Performance-Management-Systeme offenbaren die Schwächen der Führungskräfte aber nun schwarz auf weiß.“ Denn die Beurteilungen der Leistungen der Mitarbeiter lassen auch Rückschlüsse auf die Führungskompetenz der Chefs zu. „Unternehmen müssen die Führungskompetenz ihrer Manager stärken und gegebenenfalls grundsätzlich hinterfragen, wer für welchen Führungsjob geeignet ist“, sagt Hauptmann. „Viele Führungskräfte wollen in Wahrheit viel lieber eine Fachkarriere einschlagen. Wenn es die nicht gibt, nehmen sie eben in Kauf, dass sie auf der nächsten Karrierestufe führen müssen, auch wenn sie das gar nicht wollen.“

Weitere Erkenntnis nach mehreren Jahren Praxiserfahrung mit Performance-Management-Systemen hierzulande: Chefs trauen sich häufig nicht, erhebliche Unterschiede zwischen den Mitarbeitern zu dokumentieren und daraus Konsequenzen zu ziehen. „Viele Chefs beurteilen ihre Mitarbeiter als durchschnittlich oder etwas darüber. Das ist aber nicht das Problem des Performance-Management-Systems, sondern das der Führungskraft“, sagt Aon-Hewitt-Berater Aleweld. Wenn Chefs nicht willens oder in der Lage sind, die Leistungen ihrer Mitarbeiter zu differenzieren, kann das erhebliche negative Konsequenzen haben: „Viele Unternehmen unterschätzen die Bedeutung ihrer Top-Performer für den Erfolg ihrer Firma“, sagt Aleweld. Wie man seine Elite auf Händen trägt, machen junge und extrem erfolgreich Firmen wie der Suchmaschinenriese und Internetrevolutionär Google vor: Dort können besonders gute Mitarbeiter ein Vielfaches dessen verdienen, was ihre durchschnittlich begabten Kollegen auf der gleichen Karrierestufe bekommen. „Die Gefahr ist natürlich groß, dass man mit einer derart ungleichen Bezahlung den großen Teil der guten mittleren Performer frustriert und demotiviert“, sagt Aleweld. Sein Vorschlag: Unternehmen sollten statt bei der Bezahlung besser bei der Karriere differenzieren: „Sehr gute Mitarbeiter müssen die Gelegenheit bekommen, entsprechend ihrer Ausnahmefähigkeiten deutlich schneller als ihre Kollegen aufzusteigen“, sagt Aleweld. „Wenn die Extremperformer dann viel Verantwortung übernehmen, akzeptieren ihre Kollegen auch, dass sie mehr Geld verdienen.“

Arbeiten werden delegiert

Die gute Nachricht für Führungskräfte: Die Mitarbeiter könnten in Zukunft deutlich mehr der fürs Performance Management erforderlichen Arbeiten selbst übernehmen. „Personalmanager haben in den vergangenen Jahren einiges an klassischer HR-Arbeit bei den Führungskräften abgeladen“, sagt Frank Gierschmann, Performance-Management-Experte bei der Unternehmensberatung HKP. „Mittlerweile können die Chefs einige dieser Arbeiten weiterdelegieren.“ Denn die ersten Unternehmen gehen dazu über, dass Mitarbeiter Informationen wie zum Beispiel Karriereerwartungen sowie Teile von Beurteilungen selbst ins System eingeben. Der Chef braucht die Angaben dann nur noch durchzusehen. „Unterm Strich ist das erheblich weniger Arbeit, als wenn die Vorgesetzten wie sonst üblich die Daten komplett selbst eingeben müssen“, sagt Gierschmann. Der Performance-Management-Experte beobachtet einen weiteren Trend: Einige Unternehmen koppeln die Bonuszahlung von der Performance des Mitarbeiters ab. Eine vertraglich vereinbarte Sonderzahlung hängt dann allein davon ab, ob das Unternehmen insgesamt ein bestimmtes Ergebnis erzielt hat. „Der Bonus erhöht natürlich stark die Aufmerksamkeit, die das Performance Management bekommt“, sagt Gierschmann. „Außerdem verleitet es Führungskräfte dazu, ihre Mitarbeiter tendenziell besser zu beurteilen, nur damit sie eine möglichst hohe Sonderzahlung bekommen.“

Auch bei Grohe kennt man dieses Phänomen: Beim Armaturenhersteller hängt die Höhe der jährlichen Bonuszahlung eines Mitarbeiters von seiner Leistungskategorisierung ab, und mancher Chef möchte sich gerne beliebt machen, indem er eher zu viel als zu wenig ausschüttet. Für den Personalchef allerdings bislang kein Grund, die Regelung abzuschaffen: „Solche Effekte korrigieren wir nachträglich“, sagt Mager. Denn die Verknüpfung der Leistungsbeurteilung mit dem Bonus hat auch einen entscheidenden Vorteil: „Mitarbeiter und Chefs nehmen das Performance Management ernst“, sagt Berater Gierschmann. „Diesen Faktor sollte man nicht unterschätzen.“

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André Schmidt-Carré, Foto: copyright @ ruwan loehr

André Schmidt-Carré

Redakteur
Wortwert
André Schmidt-Carré ist Redakteur bei wortwert - die wirtschaftsredaktion. Er schreibt seit Jahren regelmäßig für den HRM.

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