Mit Biss zum Erfolg

Employer Branding

Viele deutsche Universitäten unterstützen gründungsinteressierte Studenten und Absolventen mit Beratung und Forschung – wenn sie mit Unternehmergeist und einer guten Idee überzeugen können. Die Anforderungen sind allerdings sehr hoch.

Noch vor zehn Jahren glich die Startup-Sphäre um deutsche Universitäten und Hochschulen einer Steppenlandschaft: Karg, uninteressant für Fördermaßnahmen, nebensächlich. Seitdem hat sich viel getan: Besonders im Großraum Berlin, aber auch an vielen anderen deutschen Universitäten und Fachhochschulen, haben sich Stabstellen, Startup-Abteilungen oder selbstständige Tochterunternehmen gebildet. Sie sollen Studenten anlocken, ermutigen und die Botschaft vermitteln: Gründet ein Unternehmen, traut Euch! Wer eine gute Idee, ein gutes Team und genug Biss hat, kann sich nach dem Studium selbstständig machen – mit Unterstützung der Hochschule.

Wie sehr die Welt zwischen Jungunternehmen und Hochschulen im Umbruch ist, zeigt sich auch an der Universität zu Köln: Gemessen an der Zahl ihrer Studenten ist Köln die größte, gemessen an ihrem Gründungsjahr die drittälteste Hochschule in Deutschland. Trotzdem wird jetzt erst ein Gründungsservice eingerichtet, der Studenten und Hochschulmitarbeiter in ihre Selbstständigkeit begleiten soll. In der Gründerszene wird in diesem Zusammenhang nicht nur von einem Startup, sondern auch von einem Spin-Off gesprochen: Während dieser Begriff in der Firmenwelt die Ausgliederung eines eigenständigen Konzerns aus dem Mutterunternehmen beschreibt, verstehen Gründer darunter Startups, denen eine Hochschule beim Anschub geholfen hat. Diese Nachwuchsunternehmen haben sich nicht vollkommen aus eigener Kraft gegründet, sondern sich im ersten Schritt Hilfe bei ihrer Hochschule gesucht. Ob dieser Anschub in Form von Beratungsgesprächen, Stipendien oder wissenschaftlichen Studien geschehen ist, spielt dabei keine Rolle.

Beratung durch das Gründerzentrum

Ein solches Spin-Off ist das Berliner Startup Offtime. Die vier Gründer haben eine App entwickelt, die sich vor allem eines zur Aufgabe macht: Zeit schaffen, Ablenkungen minimieren. Sie soll ihren Nutzern Freiräume geben, unabhängig davon, ob diese sich selbst vor Zeitfressern wie Facebook oder anderen sozialen Medien abschirmen oder ob sie vorübergehend einfach nicht gestört werden wollen. „Es geht um Selbstoptimierung bei der Arbeit, aber auch darum, in seiner Freizeit effektiv abschalten zu können“, sagt Mitgründer Michael Dettbarn. Die App wird auf dem Handy installiert und schirmt Anrufe und Nachrichten ab oder blockiert andere Apps – je nachdem, was der Nutzer einstellt. Derzeit ist sie für Privatpersonen in einer schlanken Version noch kostenfrei im Angebot. Wer mehr Funktionen möchte, muss zahlen.

Die Idee dafür hatte Mitgründer Alexander Steinhart vor etwa zwei Jahren. Inzwischen hat das Unternehmen seinen ersten Mitarbeiter eingestellt. „Wir haben in unserer Anfangszeit mit der Humboldt-Uni zusammengearbeitet“, erzählt Michael Dettbarn. „Das war eine große Chance. Ohne diesen Anschub wären wir jetzt mit Sicherheit nicht an dem Punkt, an dem wir inzwischen sind.“ Die Zusammenarbeit sah konkret so aus: Die vier ließen sich zunächst beim Gründungszentrum der Humboldt-Universität, der HU Innovation GmbH, beraten. „Wir haben den Kontakt zu Mentoren aufbauen können, unter anderem zu einer Professorin aus dem Fachbereich Psychologie, die mit uns eine umfangreiche Studie erstellt hat.“ Gemeinsam untersuchten die Nachwuchsunternehmer, was ihre App überhaupt leisten muss, was sich potenzielle Nutzer wünschen und wie eine Marktlücke in dem Segment aussehen kann.

Wissenschaftlich fundierte Ergebnisse helfen

Mit den wissenschaftlichen Ergebnissen im Rücken bewarben sich die Offtime-Gründer um das Gründerstipendium „Exist“ des Wirtschaftsministeriums. „Die Studie, unsere Mentoren und die Uni selbst haben uns Rückhalt gegeben“, sagt Michael Dettbarn. „Anders hätten wir das Stipendium wahrscheinlich nicht bekommen.“ Ein Jahr lang finanzierte sich das junge Unternehmen mit dem Exist-Geld: Jeder Gründer, der einen Hochschulabschluss hatte, bekam 2500 Euro im Monat, wer noch im Studium steckte immerhin 1000 Euro. Für Sachausgaben gab es noch einmal bis zu 10.000 Euro. Inzwischen ist das Stipendium ausgelaufen und das junge Unternehmen steht recht sicher auf eigenen Beinen.

Es gibt inzwischen zahlreiche Investoren und Lizenzpartner in Deutschland und der Schweiz, die mittelfristig die Finanzierung sichern. „Unsere Studie war immer ein gutes Argument, um Investoren zu überzeugen“, sagt Dettbarn. „Es ist viel wert, wenn man wissenschaftlich fundierte Ergebnisse vorzeigen kann.“ 300.000 Nutzer haben sich die App bisher heruntergeladen, darunter sind viele zahlende Nutzer. Die jungen Unternehmer zeigen sich zuversichtlich und kämpferisch: „Bis zum Ende des Jahres wollen wir auf jeden Fall die Millionen-Marke knacken“, sagt Dettbarn. Die meisten deutschen Universitäten haben in den vergangenen Jahren erkannt, warum und inwiefern es sich lohnen kann, Energie in die Förderung von zukünftigen Unternehmern zu stecken. Für den Raum Berlin und Brandenburg, Deutschlands größte und wichtigste Startup-Region, befragte die Technische Universität Berlin im vergangenen Jahr 721 neu gegründete Unternehmen zu ihrer Struktur, ihren Finanzierungsplänen und zur Rolle der Hochschulen bei der Gründung. 42 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, sich in ihrer Anfangszeit auf Gründungsangebote von Hochschulen gestützt zu haben, 38 Prozent pflegen auch weiterhin noch Kontakt mit ihren Instituten. Das entspricht dem Grundgedanken des Spin-Offs: Im Idealfall befruchten sich Unternehmen und Hochschule gegenseitig.

Viele Gründer fördern ihre Hochschule später

Die befragten Startups haben im Berliner Umkreis 17.000 Arbeitsplätze. „Für uns ist das ein ganz deutliches Zeichen, möglichst viel Energie in die Gründungsförderung zu stecken“, sagt Miriam Rönn, die für die Humboldt-Innovation GmbH Gründungsinteressierte unterstützt. „Spin-Offs sind ein extrem wichtiger Motor für unsere Region, aber auch für die Universität. Viele Gründer fördern und unterstützen ihre Hochschule später genauso wie andere junge Unternehmer in ihrer Anfangsphase.“ Ihrer Erfahrung nach haben Spin-Offs tendenziell eine deutlich höhere Überlebensrate als Gründungen, die ohne Universitäten gestartet sind. „Spin-Offs verknüpfen Wirtschaft und Wissenschaft miteinander“, sagt Rönn. „Und so soll es auch sein.“ Allerdings ist der Weg zum eigenen Unternehmen mit Uni-Unterstützung recht lang und steinig – viele Studenten scheitern daran, die Anforderungen der Hochschule zu erfüllen. „Wir haben im Jahr etwa 150 Erstberatungen“, sagt Rönn. Gerade einmal acht Teams gründen später tatsächlich ein Spin-Off.

Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich in Berlin und an anderen deutschen Universitäten ganz konkrete Faktoren herausgebildet, auf die Gründungszentren Wert legen, bevor sie Jungunternehmern bei ihrem Vorhaben unter die Arme greifen. „Wir schauen uns sehr genau an, wie gut das Team ist“, sagt Miriam Rönn. „Idealerweise sind die Kompetenzen ausgeglichen verteilt.“ Konkret heißt das: Es sollte in jedem Fall jemanden geben, der Kenntnisse in Betriebswirtschaft hat und jemanden, der das Marketing der Firma beherrscht. Teams von etwa drei Leuten haben sich in der Vergangenheit besonders häufig bewährt. „Außerdem schauen wir sehr genau, ob das Team Biss hat und wie stabil und zuverlässig es zusammenarbeitet.“

Ein weiterer Faktor, den Hochschulen gerne genau prüfen: Die Konkurrenzsituation und die Qualität der Idee. Nur, wenn sich Studenten und Absolventen sehr genaue Gedanken darüber gemacht haben, inwiefern sie in ihrem Segment erfolgreich sein können, haben sie langfristig eine Chance, am Markt zu überleben – und nur dann riskieren es Hochschulen, Ressourcen in das junge Unternehmen zu investieren. „Wir kennen die aktuellen Stipendien, die es für Gründer gibt, und wissen recht genau, welche Ansprüche dort gestellt werden, um eine Förderung zu bewilligen“, sagt Rönn. „Die Kriterien decken sich zu großen Teilen mit dem, worauf wir ohnehin achten.“

Die Universität als Türöffner

Das Spin-Off Scolibri gehört zu den jungen Unternehmen, die es mit der Unterstützung ihrer Hochschule schon recht weit gebracht haben. Die Geschäftsidee: Eine Art soziales Netzwerk für Lehrer, Schüler und Eltern, das ausschließlich für Schulzwecke genutzt wird und den Austausch von Materialien, Aufgaben und Informationen beiden Seiten erleichtert, aber auch als Organisationshilfe oder Pool für Lehr- und Lernmaterial genutzt werden kann. „Wir hatten den Eindruck, dass in vielen Schulen immer noch sehr viel auf Frontalunterricht gesetzt wird“, erzählt Tobias Hönig von Scolibri. „In vielen Bereichen ist einfach alles so, wie es immer war. Dabei haben wir heute ganz andere Möglichkeiten, Unterricht zu gestalten. Scolibri bezieht diese mit ein.“

Mit dieser Idee hat sich das junge Team an die Gründungsberatung der eigenen Hochschule, der Berliner Humboldt-Universität gewendet. „Uns wurde dort schon viel abverlangt“, erzählt Hönig. „Wir waren ja noch gar kein Unternehmen, mussten aber schon professionelle Präsentationen halten, Business-Pläne erarbeiten und unsere Idee vermarkten.“ Schließlich gelang es den Gründern, ein begehrtes Stipendium zu ergattern – und sich ein komplettes Jahr ausschließlich um das Jungunternehmen zu kümmern. Sie nutzten die Zeit und untersuchten an rund 50 Schulen, was ein virtuelles Bildungsnetzwerk können muss, um erfolgreich zu sein, was Lehrer und Schüler und Eltern erwarten und wo es Bedarf gibt. „Wir brauchten bei unserer Studie keine direkte Hilfe von der Universität, aber indirekt natürlich schon“, sagt Tobias Hönig. „Die Uni hat ihre Kontakte genutzt und uns Türen geöffnet, dadurch ist vieles einfacher geworden. Sonst hätten wir keinen guten Zugang zu den Schulen gefunden.“ Inzwischen laufen verschiedene Projekte, die teilweise gemeinsam mit der Uni organisiert werden, wie beispielsweise die Betreuung einer Klasse, die ausschließlich mit Tablets ausgestattet ist. „Die Forschungsergebnisse werden wir gemeinsam mit der Universität auswerten“, erzählt Tobias Hönig. „Dadurch profitieren beide Seiten.“

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Josephine Pabst

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