Nachhaltige Weiterbildung braucht Emotionalisierung

Personalmanagement

Wundern Sie sich, dass Ihre Mitarbeiter Schulungen und Weiterbildungsveranstaltungen besuchen – und sich dann an ihrem Verhalten kaum etwas ändert?

Das kann daran liegen, dass sich die Weiterbildungen nicht oder zu wenig an den Erkenntnissen der Hirnforschung und den Prinzipien der Neurodidaktik orientieren. Demnach lässt sich die Behaltenswahrscheinlichkeit und die gelungene Umsetzung von Lerninhalten in der Praxis vor allem dann erreichen, wenn alle oder möglichst viele Sinneskanäle der Teilnehmer aktiviert werden. Doch allzu oft versinken die Weiterbildungen in langweiliger Tristesse, durch die höchstens negative Emotionen geschürt werden. Weiterbildung ohne Emotionalisierung: Damit vergraulen Sie jeden Teilnehmer! Darum gilt: Unternehmer, Personalentwickler und Führungskräfte sollten ihre Weiterbildungsentscheidungen nicht nur an den vermittelten Inhalten ausrichten, sondern auch an den didaktischen Vermittlungsmethoden.

„Action!“ in den Umsetzungsphasen

Das fängt schon bei der grundsätzlichen Trainingsstruktur an. Es hilft den Teilnehmern, wenn eine Weiterbildung in Seminar- und Umsetzungsphasen unterteilt ist. Was heißt das genau? Im Seminarraum erlernen sie zum Beispiel innovative Verkaufstechniken oder agile Führungsmethoden. Danach geht es in die Umsetzung. Führungskräfte erfahren im Seminarraum, wie sie das Werte- und Emotionssystem ihrer Mitarbeiter einschätzen – und berücksichtigen dies dann bei ihrer Führungsarbeit. Der dominante Feuerkopf unter den Mitarbeitern wird zu noch besseren Leistungen angespornt, weil der Chef es nun versteht, dessen wichtigste Werte anzusprechen – wie das geht, hat er zuvor im Seminar gelernt. Und der Verkäufer kann jetzt im direkten Kundenkontakt die neue Einwandbehandlungsmethode anwenden.

Erfolgserlebnisse motivieren

Das hat einen auch didaktisch erheblichen Vorteil: Es kommt bereits während der Maßnahme zu nachhaltigen Erfolgserlebnissen. Indem die Teilnehmer ihre neuen Kompetenzen erfolgreich anwenden, entstehen positive Lern-Gefühle. Und wenn es nicht so klappt wie gewünscht, kann dies im nächsten Modul mit dem Trainer besprochen werden. Oder dieser steht online per Frage-Hotline zur Verfügung.

Entscheidend ist: Durch den Wechsel zwischen Lernphase im Seminarraum und Umsetzungsphase am Arbeitsplatz kann ein elementares Prinzip der Neurodidaktik beachtet werden: Die Teilnehmer erweitern nicht nur ihr Fachwissen, sondern lernen über Erfahrungswissen. Sie lernen mit Herz und Verstand, mit Leidenschaft und Vernunft, mit Emotio und Ratio.

Indem sie das neue Know-how in den Umsetzungsphasen in ihrem Verantwortungsbereich aktualisieren, kommt es zu Verhaltensveränderungen. Die unter neurodidaktischen Gesichtspunkten so wichtige Kontinuität und ständige Wiederholung und Einübung kreativer Verhaltensweisen ist möglich. Seminarleiter hingegen, die im Frontalunterricht binnen kürzester Zeit möglichst viel Lernstoff in die Köpfe der Teilnehmer hinein schaufeln, lassen jedes didaktisch-pädagogische und neurodidaktische Feingefühl vermissen.

Überforderung vermeiden

Nachhaltiges Lernen braucht Zeit, gelungene Weiterbildung ist nicht im Sekundentakt zu haben. Die Seminarabläufe sollten so strukturiert sein, dass der Denkapparat Zeit und Muße hat, Verbindungen zwischen neuem und vorhandenem Wissen herzustellen. Dann können die Teilnehmer das neue Wissen mit ihrem Erfahrungsschatz verknüpfen. Darum sind die Pausen so wichtig – das Lernzentrum „Gehirn“ darf nicht überfordert werden. Phasen, in denen angespannt und konzentriert gelernt wird, sollten abwechseln mit Phasen der Ruhe, Muße und Entspannung. Die Trainingsintervalle dürfen darum auf keinen Fall mit Inhalten überfrachtet werden. Das Gehirn bedankt sich mit hoher Behaltenswahrscheinlichkeit und Umsetzungsorientierung.

Emotionale Funken sprühen lassen

Menschen lernen meistens effektiver, wenn sich im Training aktivitätenbasierte Übungen und reflexionsorientierte Feedbackphasen abwechseln. Dabei sollten stets die emotionalen Funken sprühen. Die richtige Mischung zwischen rationalen und emotionalen Anteilen lässt sich durch eine „Fünf-Sinne-Strategie“ erreichen: Der Trainer spricht so oft wie möglich alle oder viele Sinneskanäle an.

Nehmen wir das Beispiel der Dokumentation der Trainingsergebnisse: Das Seminar wird auf Papier, auf einer Audio-CD und als Fotoprotokoll resümiert. Wichtig ist, dass für jeden Sinnestyp etwas dabei ist. Wenn die Teilnehmer die Lernunterlagen dann auch noch selbst erstellen dürfen, indem sie zu Papier, Stift und Klebstoff greifen, um Folien, Protokolle und Collagen zu kreieren, werden Trainingsergebnisse für alle Sinne erfühl- und erlebbar.

Emotion durch Interaktion

Emotionen kommen auf, wenn der Trainer im Verbund trainieren, üben und lernen lässt. Je mehr sich die Teilnehmer mit Leidenschaft in das Seminargeschehen einbringen können, desto effektiver verläuft es. Vielleicht deckt sich dies mit Ihren Erfahrungen: Eine deftige Plenumsdiskussion ist lebendiger als trockener Frontalunterricht, interaktive Gruppenarbeit toppt stupide Einzelarbeit, Lernen mit sozialen Interaktionen motiviert zum gegenseitigen Kennenlernen. Die Teilnehmer bauen Beziehungen zueinander auf.

Der Trainer sollte jede Gelegenheit nutzen, um Erfahrungen und neues Wissen über alle Sinne körperlich „am eigenen Leib“ begreifbar und emotional erfahrbar zu machen: Dafür sollte er den Teilnehmern anbieten, sie telefonisch, per E-Mail, per Chat, mithilfe eines Skripts oder durch die Begleitung an den Arbeitsplatz bei der Umsetzung zu unterstützen.

Individueller Nutzen der Schulung muss deutlich werden

Weiterbildner, denen das nachhaltige Lernen am Herzen liegt, sorgen für eine lernfördernde Atmosphäre. Das fängt bereits bei der Gestaltung des Trainingsraums an, der weniger an ein Schulzimmer, sondern mehr an eine Kreativ-Werkstatt erinnern sollte. Den Emotionalisierungsgrad erhöht ein Trainer überdies, indem er mit Storytelling arbeitet, also mit emotionalisierenden Geschichten und Best-Practice-Beispielen, die er aus der Erfahrungswirklichkeit der Teilnehmer ableitet.

Ein Trainer steht in der Verantwortung, Lernerfolge herbeizuführen, indem er die Inhalte in das „emotionale Warum“ einbettet, mithin für jeden (!) Teilnehmer den individuellen Nutzen der Schulung verdeutlicht. Jeder Lerner will wissen, wie er die neuen Kompetenzen einsetzen kann. Darum: Achten Sie bei Ihren Weiterbildungsentscheidungen darauf, dass der Anbieter auf die verschiedenen Lerntypen konkret Rücksicht nimmt.

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Marion Seßler ist seit 1992 für die Intem Trainergruppe Seßler & Partner, Mannheim, tätig

Marion Seßler

Marion Seßler ist seit 1992 für die Intem Trainergruppe Seßler & Partner, Mannheim, tätig und verantwortet dort den Bereich Konzeption, Umsetzungskontrolle und Nachhaltigkeit. Die stellvertretende Intem-Geschäftsführerin bietet Unternehmen einen Nachhaltigkeits-Check an, bei dem sie die Nachhaltigkeit aller Weiterbildungsprozesse in einem Unternehmen überprüft und Verbesserungsvorschläge unterbreitet

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