Nahe Rente, kleine Abfindung

Arbeitsrecht

Die Berücksichtigung einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente bei Sozialplanabfindungen ist zulässig. Das hat zuletzt das Bundesarbeitsgericht entschieden.

In der Entscheidung vom 26.3.2013 (Az. 1 AZR 813/11) beschäftigt sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage, ob Betriebsparteien bei der Bemessung von Sozialplanabfindungen berücksichtigen dürfen, dass Arbeitnehmer eine vorgezogene gesetzliche Altersrente beziehen können.

Zum Sachverhalt:
Im Rahmen einer Standortschließung vereinbarte die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan, wobei sich die Abfindungen grundsätzlich nach dem Bruttoentgelt, der Betriebszugehörigkeit sowie dem Lebensalter berechneten (Standardformel). Daneben existierte eine Sonderregelung für Beschäftigte, die im Zeitpunkt des Ausscheidens das 58. Lebensjahr vollendet hatten. Sie erhielten einen Abfindungsbetrag, der sich auf einen 85-prozentigen Bruttolohnausgleich unter Anrechnung des Arbeitslosengeldes bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente beschränkte. Demnach erhielt der 62-jährige Kläger eine Abfindung in Höhe von 4.974,52 Euro. Er war jedoch der Auffassung, dass die Sonderregelung eine unzulässige Altersdiskriminierung darstelle und klagte auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 234.246,87 Euro.

Zur Entscheidung:
Das BAG erklärte die hier in Rede stehende Abfindungsregelung für wirksam und sah darin weder einen Verstoß gegen § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), noch gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78. Dem BAG zufolge bezweckt der Sozialplan künftige Nachteile auszugleichen, die Arbeitnehmern durch eine Betriebsänderung entstehen. Dafür stehen den Betriebsparteien nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Rentennahe Arbeitnehmer erleiden durch den Verlust des Arbeitsplatzes regelmäßig geringere Nachteile als rentenferne Arbeitnehmer. Die Überbrückungsfunktion einer Sozialplanabfindung rechtfertigt es deshalb, wenn die Betriebsparteien bei rentennahen Arbeitnehmern nur die bis zum vorzeitigen Renteneintritt entstehenden wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen. Die Betriebsparteien sind auch nicht dazu verpflichtet, den rentennahen Arbeitnehmern mindestens die Hälfte einer nach der Standardformel berechneten Abfindung zu gewähren. Dies sei auch europarechtlich nicht zu begründen.

Fazit:
Mit der Entscheidung erweitert das BAG seine bisher ständige Rechtsprechung, wonach ein Sozialplan Differenzierungen nach dem Alter vornehmen darf. Nach dieser Entscheidung ist es nun möglich, Abfindungsansprüche nicht mehr nur auf den tatsächlichen Zeitpunkt des Eintritts in die gesetzliche Rente zu begrenzen, sondern die Begrenzung bereits auf den Zeitpunkt vor zu verlagern, in dem ein Arbeitnehmer Anspruch auf eine vorzeitige (gekürzte) Altersrente hätte.
Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer unter Umständen einen lebenslangen Rentenabschlag in Kauf nehmen muss.

 

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Joachim Huber, Foto: Privat

Joachim Huber

Dr. Joachim Huber ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Dr. Huber Dr. Olsen in München.

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