Netzwerken als Führungskraft

Leadership

Ob Geschäftsleitung oder mittleres Management: Ein Netzwerk kann Führungskräfte fachlich und persönlich im Vorankommen unterstützen. Doch was ist beim Aufbau einer hilfreichen Community zu beachten?

Ich gehöre doch nicht zu diesen Networkern oder Networkerinnen!“ – diese Einschätzung höre ich häufig bei Führungskräften im mittleren Management, die mit Leuten aus dem Top-Management zu tun haben. Sie halten wenig von Selbstdarstellerinnen und Blendern, die überall kundtun, wie toll sie sind. Ebenso wenig halten sie von den vermeintlich Faulen, die gut vernetzt sind, aber keine Leistung bringen. Stattdessen vertreten sie selbst das Motto: „Wer gut ist, muss nicht über sich reden – der wird entdeckt.“ Schön wär’s. Die betriebliche Realität sieht meist anders aus.

Wer in einer Führungsposition bewusst darauf verzichtet, Beziehungen zu knüpfen, bleibt in der Regel im Schatten der laut sprechenden Persönlichkeiten. Vor allem aber sind Führungskräfte häufig auf die Fähigkeiten und Kompetenzen von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen angewiesen, wenn sie wirklich weiterkommen wollen. Sie müssen wissen, wer bei der einen oder anderen Frage Auskunft geben und wer bei einem akuten Problem helfen könnte. Ein gutes Netzwerk eröffnet Zugang zu wichtigen Akteuren und Drahtzieherinnen, es kann Informationen zuspielen und Unterstützung vermitteln. Und spätestens, wenn Führungskräfte den nächsten Karriereschritt anstreben, kommt es für sie darauf an, den Bekanntheitsgrad bei allen zu erhöhen, die von ihnen wissen sollten. Für die Karriere ist Netzwerken extrem wichtig: Studien zeigen, dass jede dritte Position innerhalb des eigenen Netzwerks vergeben wird.

Strategisch vorgehen

Aufbau und Pflege von Business-Beziehungen kosten viel Zeit, denn nicht jeder Kontakt, in den man investiert, erweist sich als brauchbar beziehungsweise zielführend. Daher sind Sie gut beraten, wenn Sie sich beim Netzwerken auf die wichtigen Kontakte konzentrieren. Meine Erfahrung zeigt: Ein Qualitätsnetzwerk ist immer sinnvoller als ein quantitatives Netzwerk. Anstatt wahllos Visitenkarten zu sammeln oder zu verteilen, ist strategisches Vorgehen gefragt. Folgende Punkte sind dabei wichtig:

  • Bauen Sie Ihre Business-Kontakte mit einem klaren Ziel auf. Was möchten Sie erreichen? Überlegen Sie dann, welche Kontakte wichtig sind, um diesem Ziel näher zu kommen. Wenn Sie etwa eine neue Position anstreben, benötigen Sie Kontakte im entsprechenden Bereich oder in der Hierarchieebene, in die sie wechseln wollen.
  • Wer im Unternehmen und auch außerhalb der Firma kann Sie bei Ihren Zielen unterstützen? Spielen Sie ruhig auch über Bande. Das heißt: Suchen Sie in Ihrem bereits bestehenden Netzwerk nach Menschen, die interessante Kontakte zu Ihrer Wunschzielgruppe haben, und bitten Sie diese um Hilfe, um mit der Zielperson in Verbindung zu kommen. Falls keiner Ihrer Netzwerkpartnerinnen und -partner in Kontakt zu der Person ist, überlegen Sie: Kennen Sie jemanden, über den Sie jemanden kennenlernen könnten, der mit der Zielgruppe vertraut ist?
  • Nehmen Sie Einladungen zu interessanten Veranstaltungen an und gehen Sie dort gezielt auf ein bis zwei Menschen zu, die Ihr Netzwerk bereichern können. Bleiben Sie aber auch offen für unerwartete Begegnungen.
  • Wichtig ist, zu verinnerlichen, dass man Sie auf Veranstaltungen nicht nur kennenlernen, sondern auch ein bestimmtes Bild von Ihnen erhalten soll. Überlegen Sie deshalb genau, welches Image Sie von sich selbst vermitteln möchten. Idealerweise entwickeln Sie eine Art Markenprofil von sich, dessen Kern Sie in einem Satz formulieren – zum Beispiel: „Ich bin Expertin oder Experte für Teambuilding-Maßnahmen in internationalen Projekten.“
  • Ziehen Sie einmal pro Jahr Bilanz und prüfen Sie Ihr Netzwerk: Passen die aktuellen Beziehungen noch zu Ihnen und Ihren Plänen für die Zukunft? Überprüfen Sie darüber hinaus regelmäßig Ihren aktuellen Netzwerkstatus.

In Vorleistung gehen

Trotz aller Strategie sollten Sie nicht vergessen, den jeweiligen Menschen hinter seiner Rolle zu sehen. Setzen Sie sich daher zum weiteren Ziel, die doppelt Erfolgreichen in Ihrem Netzwerk zusammenzubringen: Menschen, die nicht nur beruflich erfolgreich, sondern auch echte Persönlichkeiten sind. Von Bedeutung ist es ebenso, dass Sie mit Personen vernetzt sind, die ähnliche Werte und Haltungen haben wie Sie. Denn neben Kontakten zu Führungskräften in den Top-Etagen, zukünftigen Vorgesetzten, Teams sowie Kunden und Kundinnen brauchen Sie eine Heimat – eine Gemeinschaft von Menschen, die ihnen Rückendeckung gibt, einen Ort der persönlichen Nähe.

Ohnehin: Netzwerken bedeutet in erster Linie Vertrauens- und Beziehungsarbeit. Dies erreicht in der Top-Etage, wo alles nochmals politischer ist, seine Höchstform. Insgesamt wichtig ist, dass die Begegnung auf Augenhöhe erfolgt. Geben und Nehmen stehen in direktem Zusammenhang. Dabei gilt die Regel: Wenn ich etwas von meinem Gegenüber möchte, dann starte ich das Geben. Diese Grundhaltung des Netzwerkens ist auch für Top-Führungskräfte relevant. Bieten Sie den Menschen aus Ihrem Netzwerk also etwas, das für sie attraktiv ist, wenn Sie etwas wollen, was für Sie selbst wichtig ist. Erkennt Ihr Kontakt, dass er oder sie als Teil Ihres Netzwerks ebenfalls etwas gewinnt, wird die Beziehung erst richtig Früchte tragen.

Diese Haltung des Gebens sollten Sie auch über Ihre Zielpersonen hinaus einnehmen: Achten Sie generell auf die Menschen in Ihrem Umfeld und fragen Sie sich, wohin es diese Personen wohl ziehen mag. Können Sie etwas tun, um sie dabei zu unterstützen? Wer heute noch nicht viel zu sagen hat, mag möglicherweise morgen bereits großen Einfluss haben – und sich dann gerne an Sie erinnern.

Online Kontakte knüpfen

Manche Personen netzwerken mit der Einstellung: schneller Kontakt, schnelles Geschäft und Hauptsache ich habe einen Vorteil. Hochwertige Kontakte machen dies in der Regel aber nicht lange mit. Das gilt sowohl für Offline- als auch für Online-Kontakte.

Apropos online: Gerade während der Corona-Krise und den damit verbundenen vielfach geschrumpften Aufträgen scheint der Versuch, möglichst zahlreiche Kontakte über virtuelle Kanäle zu knüpfen, zugenommen zu haben. Kontaktanfragen von Personen aus dem Marketing oder Sales mehren sich. Das ist zum Beispiel beim Business-Netzwerk Linkedin zu beobachten. Berichten zufolge empfinden Nutzerinnen und Nutzer diese Art des Netzwerkens teils als Belästigung. Die Folge: Führungskräfte betrachten das Thema Netzwerken misstrauisch. Die wenigen potenziell wertvollen Kontakte werden dann schnell übersehen. Mein Rat daher: Heben Sie sich doppelt stark bei Ihrem Kontaktaufbau von oberflächlichen Anfragen ab und drücken Sie Wertschätzung, Respekt und echtes Interesse aus!

Prinzipiell ist gerade jetzt in Zeiten von Corona eine gute Zeit, um auf Menschen zuzugehen, mit denen Sie schon immer im Kontakt sein wollten. Wenn Sie sämtliche Spielregeln beachten und in Vorleistung gehen, können Sie dabei von Plattformen wie Linkedin oder Xing durchaus profitieren.

Persönliche Beziehungen pflegen

Von großem Wert in der Pandemie: Neben dem Aufbau von neuen Kontakten im Gespräch mit Menschen zu sein, denen man vertraut, die für einen inspirierend und bewegend sind. Teilen Sie mit diesen Leuten Ihre Erfahrungen, Ihre Ideen und Konzepte, fragen Sie um Rat und zeigen Sie sich ruhig auch etwas persönlicher. Wir alle freuen uns derzeit über jegliches Socializing und sind generell berührbarer. Verschicken Sie Bücher, Geschenke, Karten, Blumen oder schreiben Sie Briefe als Zeichen, dass Sie sich in irgendeiner Weise mit dem anderen verbunden fühlen. Schlagen Sie Ihren Geschäftspartnern und -partnerinnen auch gelegentliche Spaziergänge vor, wenn diese in der Nähe wohnen, um auch persönliche Begegnungen zu erhalten. Ferner empfehle ich, jede Woche einen Abstands-Spaziergang mit einem Menschen zu machen, den Sie noch nicht so gut kennen.

Eine freundschaftliche Community zu haben, ist aber nicht nur in Krisenzeiten wichtig. Sie kann vor allem auch für die Karriere um einiges hilfreicher sein als ein ausschließlich strategisches Netzwerk. Denn: Reine Business-Kontakte gelten der Funktion, nicht der Person. Fällt die Funktion weg, löst sich oftmals auch der Kontakt auf. Ein komplettes Wohlfühlnetzwerk dürfen Sie wiederum aber auch nicht betreiben – insbesondere nicht eines, das nur nach innen gerichtet ist und in dem sich kaum wichtige Kontakte nach außen befinden. Vielmehr kommt es auf eine gesunde Mischung an. Mit einem balancierten Netzwerk verfügen Sie einerseits über ein solides und verlässliches Basislager, das Deckung, Orientierung und Unterstützung bietet. Gleichzeitig stehen Sie in guten Außenkontakten, die sicherstellen, dass dieses Basislager im Unternehmen richtig positioniert, ausreichend beachtet und immer gut versorgt wird. Und: Auch Geben und Nehmen sollten in der Balance sein. Ist dies nicht der Fall, rate ich: Brechen Sie die Beziehung ab!

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Vernetzung. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Gudrun Happich, Führungskräfte-Coachin

Gudrun Happich

Gudrun Happich ist Inhaberin des Galileo Institut für Human Excellence und blickt auf langjährige Führungserfahrung zurück. Sie ist Führungskräfte-Coachin und Autorin des Buchs Herausforderungen im Führungsalltag.

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