New Work im Reality Check

Future of Work

Die Pandemie verändert unsere Arbeitswelt nachhaltig. Wie ein Katalysator beschleunigt sie die Digitalisierung, Sie zwingt nun auch große Konzerne und sehr traditionelle Branchen dazu, Arbeit neu zu denken. Wir haben schon sehr viel vertestet, was man unter New Work versteht. So manches ging richtig schief, vieles funktioniert besser als wir es selbst gedacht hätten. Drei wichtige Erfahrungen aus unserem Reality Check:

1. Freiheit funktioniert nur in Maßen

Als 2016 der Startschuss zu unserer selbstbestimmten Arbeitskultur fiel, waren wir voll freudiger Erwartung und überzeugt, dass der neue, freie Arbeitsmodus die Leidenschaft und Dynamik in unser Team zurückbringen würde. Wir haben unsere Organisation radikal umgekrempelt: Wir haben die Abteilungsstruktur aufgelöst, cross-funktionale Squads und fachliche Chapters geschaffen. Gleichzeitig haben wir sehr konsequent hierarchische Strukturen und Freigabeprozesse abgeschafft. Unser Team wollte Freiheit. Wir wollten nicht mehr die Bottlenecks sein, über deren Tisch jede einzelne Entscheidung läuft. Es sollte ein Befreiungsschlag werden!

Absolute Freiheit klingt toll. Vor allem als Gegenentwurf zur Nicht-Freiheit, die die meisten von uns durch Top-Down-Entscheidungen und steile Hierarchien negativ erfahren haben. Doch obwohl unser Team sich Selbstbestimmung gewünscht und die Transformation selbst mitinitiiert hatte, hat sich schnell gezeigt, dass viele nicht mit der neugewonnenen Freiheit umgehen konnten. Manche wollten plötzlich gar keine Entscheidungen treffen, anderen fehlte schlichtweg der Mut. Wieder andere trafen übereilte Entscheidungen und nur wenige konnten mit der Verantwortung umgehen, die sie ganz automatisch mit der Freiheit mitbekommen hatten. Statt schneller und dynamischer zu werden, wurden wir langsamer. Alles fühlte sich zäh an.

Unsere Erkenntnis: Obwohl wir selbst die Idee so gut fanden – in der Praxis funktionierte das Ideal von führungslosen Teams für uns leider nicht. Das bedeutet nicht, dass Top-Down-Entscheidungen und steile Hierarchien das richtige sind! Vielmehr haben wir gelernt, dass wir das richtige Maß an Selbstbestimmung finden müssen, also die richtige Balance zwischen Führung und Freiraum. Heute haben wir eine sehr freiheitliche Kultur, in der wir laterale Führungsrollen implementiert haben. Führung ist verteilt und wird situativ gelebt. Jeder im Team kann Führung übernehmen, und zwar durch Überzeugungskraft und nicht durch Anweisung. Damit sind wir sehr erfolgreich – und haben in der aktuellen Krise bewiesen, dass wir eine sehr resiliente Organisation entwickelt haben. Mit einem Team, das sich selbst organisieren kann.

2. Menschen bringen Leistung, (erst recht!) wenn man nicht hinschaut

Entsprechend unserer Kultur gibt es keine Freigaben – auch nicht für Remote Work, auch vor Corona. Tatsächlich macht fast jeder, der neu in unser Team kommt, erst einmal einen Lernprozess durch. Denn, dass man morgens einfach frei entscheiden kann, von wo man arbeitet, ist wohl immer noch die Ausnahme. Die Möglichkeit remote zu arbeiten mitsamt der dafür nötigen technischen Infrastruktur, gibt es schon lange bei uns. Wir haben frühzeitig in die richtige Hardware investiert und setzen auf webbasierte Kollaborationslösungen wie den Google Workspace, Jira, sowie Slack und Facebook Workplace. Alle Mitarbeiter können selbst entscheiden, ob und wann sie ins Büro kommen wollen.

Dass Remote Work oder Homeoffice in vielen Unternehmen an Genehmigungsprozesse geknüpft oder auf wenige Tage im Monat beschränkt wird, finde ich – auch wenn gerade keine Pandemie ist – falsch. Dahinter steckt Misstrauen und die Annahme, dass die Produktivität im Homeoffice automatisch geringer ist als im Büro. Die Überzeugung, dass Menschen nur Leistung bringen, wenn sie sich beobachtet – also kontrolliert – fühlen, teile ich überhaupt nicht. Und ich frage mich auch immer: Wenn ich überzeugt bin, dass mein Gegenüber mich hintergeht, sobald ich wegschaue, habe ich dann nicht ein ganz anderes Problem?

Ich kann aus eigener Erfahrung nur empfehlen, mehr Vertrauen zu geben! Und ich hoffe, dass die aktuelle Situation mehr Unternehmen zum Umdenken bringt. Als Corona zuschlug, war es für uns die einfachste Übung, die Mitarbeitenden in den vollen Remote Modus zu schicken. Seit Monaten war kaum jemand im Büro. Die Produktivität hat nicht gelitten – im Gegenteil. Das Engagement, das das Team in dieser Zeit an den Tag gelegt hat und weiterhin legt, ist einfach überwältigend!

3. Büros sind ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur

Remote Work liegt also in unserer DNA. Dennoch haben wir in der Vergangenheit viel in unsere Offices investiert. Unsere Büros spiegeln unsere aufgeschlossene Kultur und schaffen eine familiäre Atmosphäre. Alle Räumlichkeiten sind hochwertig ausgestattet und bewusst offen gestaltet – mit vielen Möglichkeiten zum informellen Austausch: Wir legen beispielsweise ganz besonderen Wert darauf, dass wir gemeinsam kochen und essen können.

Wie wichtig unsere Büros für unser Team tatsächlich sind, hat sich in den letzten Monaten in vollem Umfang gezeigt. Das Corona-bedingte dauerhafte Wegbleiben von Offices und den realen Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen stellt einige vor hohe emotionale Herausforderungen.

Obwohl virtuelle Zusammenarbeit für uns Alltag ist, käme es daher für uns nicht infrage, dauerhaft auf die Büros zu verzichten. Sie sind ein wichtiges Tool, das unsere Werte kommuniziert und prägt, wie wir arbeiten. Daher werden unsere Büros selbst nach unserem Wandel hin zur Remote First Company einen hohen Stellenwert für uns haben und im „New Normal“ eine neue, wichtige Rolle spielen. Wir haben bereits viele Ideen, wie wir ein hybrides Modell schaffen können, in dem jeder seine individuelle Balance zwischen Remote und Office Work finden kann. Diese zu erproben wird unsere nächste Aufgabe nach dem Lockdown sein.

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Steffen Behn, CEO der Celebrate Company

Steffen Behn

Steffen Behn ist CEO von der Celebrate Company.

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