Was bringt New Work wirklich?

Future of Work

Alle sind im New Work-Fieber. Fast alle. Nur Manager fremdeln noch mit ihr. Das wundert mich nicht. Denn ich bin selbst einer und kenne die Herausforderungen. Und denen wird das, was unter New Work derzeit verhandelt wird, nicht gerecht.

Schuld daran sind die New-Work-Apostel. Die kommen aus hippen, mit Risikokapital gepäppelten Start-ups, zeitgeistigen Beratungen und der neuromantischen Selbstentfaltungsecke. Diese selbst ernannten Evangelisten tönen mit ihren überzogenen Verheißungen laut und liefern nicht, woran Manager gemessen werden: einen nachhaltigen Beitrag zum Geschäftsergebnis.

Das macht mich traurig, denn ich sehe manch Gutes in New Work.

Wofür New Work gedacht war

Deshalb noch einmal Schritt für Schritt: Was will New Work? Aus meiner Sicht folgendes:

  • Mehr Verantwortung, Partizipation und Gestaltung an der Basis (weil Manager nicht alles wissen und können)
  • Mehr Flexibilität (wie es die viel beschworene volatile, unsichere, komplexe und ambigue VUKA-Welt von uns fordert)
  • Mehr Kundenorientierung (wie es uns neue, oft digitale, höchst kundenzentrierte Geschäftsmodelle vormachen)

All das ist richtig und wichtig. Aber was haben die New-Work-Apostel daraus gemacht?

Was aus New Work geworden ist

Sie haben viel Lärm um Kreativität, Potenzialentfaltung und Sinnsuche erzeugt. Sie haben Arbeit zur Wohlfühlorgie im Bällebad, am Kickertisch und der Büro-Hängematte stilisiert. Sie haben einen hohen Durchsatz an Post-its in unzähligen Design- und Kreativworkshops produziert. Und sie haben den Begriff New Work mit allem aufgeladen, was dem Zeitgeist gefällt: von Kapitalismuskritik über Ökologie bis hin zu Genderfragen – mit dem Ergebnis, dass der Kern von New Work (siehe oben) nicht mehr erkennbar ist.

All das bringt Likes in Social Media und Applaus auf Barcamps. Aber es leistet keinen Beitrag zum Geschäftserfolg. Um den aber geht es umso dringlicher, je mehr die Konjunktur lahmt und wir in die Krise rutschen.

Darum: Lassen Sie uns aus Entscheidersicht die Spreu vom Weizen trennen. Was hat sich auch in meinem Alltag als Interimsmanager, der immer und überall unter Zeit- und Ergebnisdruck steht, aus der New-Work-Philosophie bewährt?

Richtig: Effektivere Zusammenarbeit

Wo immer New Work dazu beigetragen hat, den Menschen besser zu verstehen und ihn produktiver zu machen, hat diese Bewegung echten Fortschritt produziert. Für mich sind das alle Aspekte und Methoden, wie Gruppen besser zusammenarbeiten.

Das umfasst die Sensibilisierung aller, wie wichtig „psychologische Sicherheit“ („psychological safety“) in Gruppenprozessen ist. Teams und Führungskräfte müssen die Voraussetzungen schaffen, dass Ideen und Kritik frei geäußert werden und nicht im Vorschlagswesen oder in Kummerkästen versanden. Und sie müssen Fehler zulassen. Denn wer keine Fehler machen darf, wird sich auf unbekanntes Terrain nicht vorwagen.

Auch die Förderung des bereichsübergreifenden Austausches von Wissen und Erfahrungen haben New Worker zu Recht auf die Agenda gesetzt. Hier wurde in Silos viel Potenzial für Innovation und bessere Wertschöpfung verschleudert.

Falsch: Popanz „Purpose“ und Kultur

Gut verzichten können wir allerdings auf die Glorifizierung von „Sinn“ in der Arbeit, neudeutsch „Purpose“. Was hier in der Praxis herauskommt, ist nicht viel mehr als die Neuauflage altbekannter Leitbildprozesse und das schale Gefühl, dass alles Bisherige sinnlos war.

Auch die fortwährende Arbeit an der so genannten Unternehmenskultur stiftet wenig Wert. Zumal sie sich meist in Äußerlichkeiten wie neuen Sitzgarnituren, Hängematten, Wasserpistolen für alle und Mate-Tee in der Kaffeeecke erschöpft.

Richtig: Flexiblere Menschen und Organisationen

Meine volle Unterstützung hat die Forderung, überbordende Bürokratie und unnötige Formalismen einzudämmen. Zettelkram lenkt vom Wesentlichen ab. Da die Welt komplexer wird und immer mehr Überraschungen bereithält, müssen Menschen und Organisationen flexibler werden.

Der Gedanke, größere Freiräume zu schaffen, ist richtig. Nur freier Geist kann schweben und kreativ die Lösungen finden, die wir brauchen – vor allem wenn die Zeiten härter werden. Ein auf Linie gezwungenes Gehirn ist nicht in der Lage, um die Ecke zu denken.

Falsch: Vernachlässigung von Governance und Führung

Doch folgt daraus nicht, dass Hierarchien, klare Verantwortlichkeiten und Regeltreue von gestern sind. Governance und Compliance sind Bereiche, mit denen sich New Worker nur mit spitzen Fingern befassen. Stattdessen predigt man Selbstorganisation und setzt auf diffuse Schwarmintelligenz.

Wenn beide aber dazu führen, dass in Gruppen endlos debattiert wird und Führung und Verantwortung niemandem mehr zuzuordnen sind, sehnen sich Manager zu Recht nach klaren Verhältnissen zurück.

Falsch: Agilität als Dogma

Zudem darf Agilität nicht zum Selbstzweck werden. „Do, Plan, Check, Act“ nach Edward Deming ist der richtige Weg, um komplexe Projekte zum Erfolg zu führen. Der Grundsatz ist allerdings älter als die New-Work-Bewegung.

Der gute alte „Wasserfall“ (durchgeplantes Vorgehen mit klaren Meilensteinen) ergibt in vielen Projekten dennoch oft mehr Sinn als Scrum oder sonstige agile Vorgehensweisen. Ich habe in einigen meiner Interim-Einsätze Projektarbeiter und Auftraggeber dadurch glücklich gemacht, dass ich das agile Vorgehen in stockenden Projekten einkassiert habe.

Was zählt, ist das Ergebnis – nicht der noch so trendige Weg, auf dem wir es erzielen.

Richtig: Kundenorientierung statt Nabelschau

Zu guter Letzt: Den Kunden in den Mittelpunkt all unseren Tuns zu stellen, ist selbstverständlich richtig. Doch Hand aufs Herz: War von dem in all den Kreativworkshops, den Kulturdiskussionen und den Selbstfindungsprozessen wirklich die Rede? War dieser Kunde mit im Raum?

Wenn ja, dann haben Sie sich New-Work-Ideen von der richtigen Seite genähert. Wenn nein, dann haben Sie sich von New-Work-Aposteln auf die schiefe Bahn führen lassen.

Sie haben sich in diesem Fall vermutlich auf die Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen gemacht. Aber nicht danach, was unser aller Jobs und den Geschäftserfolg sichert. Auch in harten Zeiten.

Auf diese schiefe Bahn werden sich fähige Manager nicht begeben. Und sie tun gut daran.

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(c) privat

Bodo Antonić

Dr. Bodo Antonić ist als Interimsmanager seit 20 Jahren unter Extrembedingungen im Einsatz: kurzfristig, unter Druck, auf begrenzte Zeit. Hierbei hat er einen unverstellten Blick auf die Herausforderungen im Management entwickelt, den er mit seiner Taucherfahrung abgleicht und in Veröffentlichungen und Vorträgen anschaulich vermittelt.

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