Nicht gleich den Geldbeutel zücken

Employer Branding

Hochschulmarketing ist in Zeiten begehrter Absolventen eine aufwendige Angelegenheit. Mittelständler können aber auch ohne große Budgets bei ausgewählten Hochschulen den Fuß in der Tür behalten. Bisher ungenutzte Netzwerke helfen dabei.

Scheinbar schlechte Karten haben derzeit kleine und mittlere Unternehmen: Bei der immer intensiveren Suche nach talentierten Hochschulabsolventen ziehen große Unternehmen mit hohem Personal- und Budgetaufwand in den „War for Talent“, betreiben nicht mehr nur einfaches „Recruiting“, sondern „Employer Branding“ mit aufwendigen Marketingkampagnen für das eigene Image. Die Studenten kann es freuen: Sie können sich immer häufiger aussuchen, wer ihr künftiger Arbeitgeber sein soll.

Dabei müssen nicht unbedingt die internationalen Großkonzerne im Fokus stehen, sondern auch Mittelständler mit einem kleineren Budget für Hochschulmarketing können beliebte Adressen für Absolventen sein. „Mittelständler können beim Gehalt, den Sozialleistungen und dem Arbeitsklima durchaus mit den großen Wettbewerbern am Arbeitsmarkt mithalten, sie müssen allerdings ihre Produkte häufig intensiver erklären“, sagt Hochschulmarketingspezialist Christian Kramberg. „Außerdem geht der Trend zur Regionalität – bei Hochschulen und Studierenden steht immer häufiger die Zusammenarbeit mit regionalen Mittelständlern im Vordergrund.“ Also doch goldene Zeiten für kleinere Unternehmen – wenn sie sie zu nutzen wissen.

Kramberg hat als einer der ersten in Deutschland vor rund zehn Jahren als Mitarbeiter der Universität Mannheim provokante Marketingmethoden entwickelt, die eigentlich aus dem Sport bekannt sind. Die Mannheimer benannten ihre Hörsäle nach Sponsoren wie SAP und Fuchs Petrolub, die wiederum dort Veranstaltungen mit Studierenden ausrichten durften. Zahlreiche deutsche Hochschulen zogen nach – und handelten sich wegen der offensiven Werbeform öffentliche Kritik ein. Kramberg, heute Geschäftsführer der MSW & Partner Personalberatung für Führungsnachwuchs, hält nicht viel von millionenschweren Budgets für nationale Arbeitgeber-Marketingkampagnen. Er setzt auf eine Mischung neuer und klassischer Instrumente. Innovative Werbeformen auf Mensa-Tabletts, Kaffeebechern oder Speiseplänen können Aufmerksamkeit schaffen, so wie auch neue Werbeformen in den mobilen Medien: Mittels „Geotagging“ können Studenten dann über Apps auf ihrem Smartphone über potenzielle Arbeitgeber informiert werden – je nachdem, an welcher Universität sie sich gerade aufhalten.

„Man muss aber nicht immer gleich den Geldbeutel zücken“, meint der Berater, „ein Mittelständler sollte sich klarmachen, welches Absolventenprofil er sucht und dann eine entsprechende Zielhochschule definieren, die zu seinen Anforderungen passt. Der Mittelständler könnte gezielt mit einem Professor zusammenarbeiten, der ihn im Idealfall bei der Suche nach Hochschulabsolventen unterstützt.“ Kleinere Unternehmen können über ihre Mitarbeiter Kontakte zu deren früheren Professoren aktivieren. „Solche Netzwerke nutzen Unternehmen noch viel zu wenig“, meint der Berater. Auch über Forschungsaufträge lassen sich gute Kontakte zu einem Lehrstuhl knüpfen – da Professoren inzwischen mehr forschen müssen, sind kleine Projekte auch schon für deutlich weniger als 10.000 Euro zu beauftragen.

Kein großes Budget nötig

Ist das besondere Vertrauensverhältnis erst einmal aufgebaut, können Unternehmensvertreter möglicherweise eine Vorlesungsstunde übernehmen oder das Unternehmen bietet Workshops und Übungen für die Studierenden an. Praktikantenstellen sind nach wie vor ein wichtiges Element, um gute Kandidaten kennenzulernen. Alle Maßnahmen benötigen keine großen Budgets, bringen aber Aufmerksamkeit und am Ende konkrete Bewerber. „Vor allem in den Ingenieurstudiengängen werden gute Absolventen über Kontakte an gute Unternehmen weitervermittelt“, weiß Kramberg.

Die mitunter mühsame Kontaktanbahnung zu bestimmten Lehrstühlen erübrigt sich bei einem Modell wie dem Hochschulcampus Tuttlingen: Die baden-württembergische Fachhochschule, die formal zur Hochschule Furtwangen gehört, wird von einem Förderverein getragen, der sich aus 100 Unternehmen, der Stadt und dem Landkreis zusammensetzt. „Powered by industry“, nennt sich das Konzept salopp.

Als der Campus vor vier Jahren seinen Lehrbetrieb in Ingenieurwissenschaften aufnahm, hatte zuvor eine Initiative der Privatwirtschaft viele kleine Unternehmen der ländlichen Region für zehn Jahre als Mitstreiter gewonnen. Treiber war vor allem der Medizintechnikhersteller B. Braun Aesculap. Inzwischen ist der zweite Ingenieurjahrgang bereit für die freie Wirtschaft – ausgebildet nach deren Anforderungen. „Wir richten unsere Studieninhalte danach aus, was wichtig ist für die Unternehmen“, sagt Kurt Greinwald, Dekan Industrial Technologies am Campus Tuttlingen. „Wir haben Lehrbeauftragte aus Firmen, die bei verschiedenen Fächern mitwirken, kooperieren bei Praktika und Thesisarbeiten und binden die Unternehmen auch bei der Berufung neuer Professoren eng ein.“ Das Ergebnis: 80 Prozent der Absolventen bleiben der Region und den Unternehmen erhalten.

Allerdings nutzt das schönste Hochschulmarketing-Konzept wenig, wenn das Unternehmen keinen langen Atem beweist. Kontinuität hat den führenden Lösungsanbieter für Mess- und Rundfunktechnik Rohde & Schwarz aus München zu einem der erfolgreichen und anerkannten Player im Hochschulmarketing gemacht. „Kurzfristig kann man nicht viel erreichen“, erklärt Carolin Unger, Leiterin Personalmarketing & Rekrutierung bei Rohde & Schwarz, „aber durch langfristiges Engagement haben wir eine deutliche Steigerung an qualifizierten Bewerbungen erzielt.“

Auf allen Kanälen unterwegs

Rohde & Schwarz hatte schon immer Bedarf an gut ausgebildeten Technikern, war aber als hoch spezialisiertes Unternehmen auf einem Nischenmarkt nicht unmittelbar auf dem Radarschirm der Absolventen. Die Münchener suchten in einem ersten Schritt Kontakt zu Schlüsseluniversitäten, definierten ihr Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb um Talente und spielen seither „auf allen Kanälen“. Dazu zählen Exkursionen für Studenten, Inhouse-Seminare, der Fallstudienwettbewerb oder Mitarbeiter, die als Lehrbeauftragte und Markenbotschafter an die Universitäten gehen. „Wir haben diese Angebote auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten aufrecht erhalten, das war uns sehr wichtig“, erläutert Unger, „denn wenn man erst einmal den Fuß aus der Tür genommen hat, braucht man später ein deutlich größeres Budget, um wieder unter Absolventen bekannt zu werden.“ Das Unternehmen versucht Studenten das zu bieten, was sie an der Hochschule nicht unbedingt bekommen – den Bezug zur Realität. Dazu gehören im Rahmen einer Vorlesung auch praktische Übungen, bei denen Mitarbeiter des Unternehmens die Studenten an technischen Bauelementen tüfteln lassen. Der nächste Schritt ist ein Praktikum, anschließend vielleicht eine Stelle als Werksstudent. „Die Bindung der Talente ist uns dann besonders wichtig“, so Unger, „unsere Zielgruppe ist prüfend, abwartend, ihnen steht alles offen – die Kontakte wollen also gepflegt werden.“ Mit dem „Go for talent“-Bindungsprogramm werden ausgesuchte Kandidaten zu Diskussionsrunden und Veranstaltungen im Unternehmen eingeladen, die Facebook-Seite und das Kundenmagazin sollen Anlässe zum Austausch bieten. Nicht zu viele Kontakte bearbeitet der Mittelständler, dafür aber gute – ganz so wie bei Freundschaften. Sie sollen auch möglichst lange halten.

Es kommt einem Blind Date gleich, hat aber nichts mit der Partnerschaft, sondern mit dem späteren Job des Studenten zu tun: das Projekt „Blind Applying“. Vergangenen Herbst hatten sich 18 international tätige Konzerne und Mittelständler wie die Deutsche Telekom, Rohde & Schwarz oder Gebr. Heinemann unter einem völlig neuen Ansatz zusammengefunden. Auf einer eigens eingerichteten Online-Plattform konnten sich Studierende um ein internationales Praktikum bewerben. Dabei reichte eine Bewerbung für alle 18 Praktikumsplätze aus. Die Unternehmen wählten aus dem Bewerberpool geeignete Kandidaten aus, die in diesem April mit ihren Praktika in verschiedenen Ländern starten. Die Idee zur Blindbewerbung hat Sabine Burmeister, duale Masterstudentin bei der Deutschen Telekom, entwickelt. Das Standard-Bewerbungsverfahren um Praktikumsplätze sei „ermüdend und nicht besonders clever“, so Burmeister auf der Website. Studenten müssten viele Male zeitraubende Anschreiben und Motivationsbriefe für mögliche Praktika formulieren, ohne anschließend eine Antwort erwarten zu können. Das neue Portal soll dagegen das Verfahren deutlich vereinfachen und gleichzeitig Spaß am Bewerben vermitteln. Schließlich bleibt die spannende Frage, welcher der Arbeitgeber sich für das eigene Profil interessieren mag.

Um den akademischen Nachwuchs auf dem Wachstumsmarkt China anzusprechen, hat der Reifenhersteller Continental ein besonderes Konzept rund um „Job Shadowing“ entwickelt. Der Konzern will so einen Schulterblick für talentierte Studenten ermöglichen, um ihnen direkte Einblicke in den Manager-Alltag zu gewähren und mit vielversprechenden Absolventen Kontakte zu pflegen. Über die Internetplattform „Meet the manager“ konnten sich Studierende im vergangenen Jahr bewerben, um Führungskräfte aus den Bereichen Forschung, Fertigung, Vertrieb oder Verwaltung an mehreren chinesischen Standorten wie Shanghai oder Nanjing einen Arbeitstag lang zu begleiten. Auch für die Zielgruppe europäischer Studenten hatte der Konzern den Schulterblick schon ermöglicht – vergangenen Sommer konnten vielversprechende Kandidaten eine von fünfzehn Continental-Managerinnen am Konzernsitz in Hannover einen Tag lang begleiten.

Auf besonders spezialisierten Nachwuchs ist Lufthansa Technik, der luftfahrttechnische Dienstleister der Fluglinie, angewiesen. Das Unternehmen verfolgt ein transparentes Hochschulmarketing über sieben Zielhochschulen, die es offen kommuniziert. Die „engen Kooperationen“ mit der RWTH Aachen, der Technischen Universitäten Berlin, Braunschweig, Darmstadt und Hamburg-Harburg, der HAW Hamburg und der Universität Stuttgart sollen den Dienstleister schon früh mit den „besten Köpfen“ vernetzen. Vorträge, Exkursionen, Workshops, studentische Projekte und Lehraufträge gehören zum Programm. Auch gemeinsame Forschungsaktivitäten können aus den engen Verbindungen resultieren. Für Lufthansa Technik ist das der „Idealfall“, denn in der Luftfahrtindustrie wird der technische Vorsprung immer entscheidender.

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Petra Schäfer

Online Redaktioni

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