Privatsache Trauer am Arbeitsplatz?

Leadership

Erleben Mitarbeiten einen Todesfall im eigenen Umfeld oder kommt es gar zu einem Trauerfall innerhalb des Teams, entsteht vor allem eines: Unsicherheit, wie man als Vorgesetzter, als Kollege mit der Trauer eines Mitarbeiters umgehen soll. HR sollte hier Unterstützung geben. Eine Handreichung.

„Bedenkt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muss man leben!“ Mascha Kaléko

Als Personalmanager und Personalmanagerin beginnt für Sie dieser Tag wie jeder andere auch: Sitzungen, Personalgespräche und mehrere Außentermine stehen auf der Agenda.

Sie sitzen in Ihrem Büro und bereiten sich innerlich auf die vor Ihnen liegenden Termine vor, als das Telefon klingelt und eine Kollegin unter Tränen berichtet, dass der langjährige Kollege Herr S. am Wochenende plötzlich verstorben sei. Seine Frau hätte gerade in der Abteilung angerufen und von diesem schrecklichen Ereignis berichtet.

Sie fühlen, wie Ihr Herz stockt. Sie selbst sind erst seit einigen Monaten im Unternehmen. Sie sind unsicher, was jetzt zu tun ist. Tausend Gedanken schwirren Ihnen durch den Kopf…

Jährlich sterben circa 140.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter. Und obwohl die Trauer über den Verlust auch die Unternehmen betrifft, in denen diese Menschen zuvor gearbeitet haben, wird diese Trauer immer noch häufig als Privatsache eingestuft.

Unter Trauer wird der seelische Schmerz über einen Verlust oder ein Unglück verstanden. Jeder Mensch kennt Trauer aus eigenem Erleben. Während im privaten Kontext Trauer eine Zeit lang toleriert oder sogar eingefordert wird, gilt Trauer im beruflichen Kontext eher als hinderlich oder wird gar als störend empfunden.

Trauer ist kein Problem, das man lösen kann

Dabei befindet sich ein Trauernder in einem Ausnahmezustand, der sich physisch, psychisch und mental auswirken kann. Deshalb kann nicht verarbeitete Trauer zu gravierenden Leistungsverlusten am Arbeitsplatz führen. Einzelne Kollegen oder ein komplettes Team können betroffen sein.

Welche Rolle spielt der Umgang mit Trauer in Ihrem Unternehmen? Gibt es bei Ihnen etablierte Verfahren im Umgang mit Trauernden? Welche Kenntnisse bestehen bei Ihren Führungskräfte zum Phänomen Trauer?

Jeder Trauerfall im beruflichen Umfeld bringt Sie als Führungskraft unbewusst mit Ihren eigenen Trauererfahrungen in Berührung und löst damit unter Umständen eigene Trauer und Hilflosigkeit aus. Dabei ist Trauer kein Managementproblem, das gelöst werden kann, sondern eine normale Krisensituation, die begleitet werden muss. Trauer ist keine Schwäche, sondern sie ist eine Notwendigkeit, um den Verlust in das Leben zu integrieren.

Aus der modernen Trauerforschung weiß man heute, dass Trauer ein sehr langer Prozess ist. Sprach man früher von einem Trauerjahr, in dem alle Erinnerungstage und Festtage im Jahreskreis einmal durchlebt werden, ist sich die Forschung heute darüber einig, dass sieben Jahre Trauerarbeit durchaus normal sind und die Trauer auch danach nicht vorbei ist. Deshalb gilt es, mit der Trauer zu leben.

Ein offener Umgang mit Trauer im Unternehmen kann als wichtige präventive Maßnahme verstanden werden. Trauer ist keine Krankheit und kann deshalb auch nicht mit Medikamenten geheilt werden.

Durch einen sensiblen Umgang mit den Betroffenen kann es gelingen, Arbeitsausfälle einzuschränken und die Trauernden in den Arbeitsalltag zu integrieren. Leistung und Trauer scheinen nicht zusammen zu passen. Trauernde können psychosomatische oder kognitive Einschränkungen haben. Es kann aber für sie sehr hilfreich sein, in den Rhythmus des Arbeitsalltages eingebunden zu sein und damit über viele Stunden am Tag auch eine gewisse Stabilität zu erleben.

Trauer ist immer individuell. Trotzdem kennt man aus der Trauerforschung eine Vielzahl von Trauermodellen. Führungskräfte können einer Trauersituation mit ihrer professionellen Kompetenz, ihrer menschlichen Erfahrung und ihrer Betriebskenntnis begegnen. Dabei kommt es vor allem auf den individuellen Kontakt zu den Trauernden an. Grundlage dafür ist ein vertrauensvolles Verhältnis, in dem sich der Trauernde verstanden fühlt und seine Bedürfnisse ansprechen kann.

Die Adressaten einer betriebsinternen Trauerkultur können einzelne Mitarbeiter sein, die einen nahen Angehörigen verloren haben. Es kann aber genauso ein Team betroffen sein, wenn ein Kollege, wie im obigen Fallbeispiel beschrieben, verstirbt.

Unternehmen sind nicht in erster Linie Orte der Trauer. Wenn allerdings ein Trauerfall eintritt, ist es erforderlich, auf diese Situation angemessen professionell und persönlich zu reagieren.

Jeder trauert anders

Jede Führungskraft wird sich die Frage stellen, was eine angemessene Reaktion gegenüber einem Trauernden ist. Ein Mitarbeiter möchte viel und immer wieder über seine Situation sprechen, ein anderer ist froh, durch die Arbeit abgelenkt und nicht ständig mit den Gedanken bei dem Verstorbenen zu sein. Bei wieder anderen Kollegen ist die Trauer unter Umständen gar nicht sichtbar. Jeder Mensch trauert anders. Es kann nur gelten, mit jedem Trauernden individuell und persönlich zu besprechen, was er sich wünscht und diese Wünsche dann selbstverständlich zu respektieren. Aber auf den Trauernden zuzugehen und ihn zu fragen, was er jetzt und von wem braucht, ist ein wichtiger Schritt, um mit dem trauernden Kollegen in Kontakt zu treten. Daraus werden sich die weiteren Schritte ergeben. Bei einer ausweichenden Antwort bedeutet das allerdings nicht, nun nie mehr nachzufragen, sondern gerade dann das Gespräch von Zeit zu Zeit zu suchen. Denn Trauer und auch die Bedürfnisse in der Trauer verändern sich.

Fragen, die zeitnah geklärt werden sollten:

  • Wer muss informiert werden?
  • Wie wird der Tod im Unternehmen bekannt gemacht?
  • Wer setzt eine Anzeige auf?
  • Wie wird der Kontakt zu den Angehörigen gestaltet?
  • Wer schreibt einen Kondolenzbrief?
  • Welche Rituale gibt es bereits im Unternehmen? Können die vorhandenen Rituale genutzt werden oder müssen neue Rituale entwickelt werden?
  • Wer geht zur Trauerfeier und spricht eventuell als Vertreter des Unternehmens?
  • Wer räumt den Arbeitsplatz auf?

Damit sind die Aufgaben für eine Führungskraft allerdings noch nicht beendet:

  • Wie und wer hält längerfristig den Kontakt zu einem trauernden Kollegen?
  • Welche Unterstützung braucht ein Team, das um einen Kollegen trauert oder einen trauernden Kollegen hat?
  • Soll der Trauernde direkt angesprochen werden oder halten sich alle eher zurück? Was ist angemessen?
  • Gibt es ein Gedenken bei Betriebsfeiern oder am ersten Todestag?

Führungskräfte sind hier in all ihrer Kreativität gefordert, um auf einen Todesfall, angemessen zu reagieren. Aus Unsicherheit oder Unwissenheit nichts zu tun, kann keine Alternative sein. Wertschätzung und Mitgefühl drücken sich in vertrauensvollen Gesprächen aus, in denen immer wieder nach den Bedürfnissen gefragt wird. Eine Führungskraft wird nicht auf alle Fragen und Probleme eine Antwort haben. Wenn eine Führungskraft die eigene Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit angesichts des großen Verlustes offen eingesteht, dann kann dies auch für Trauernde hilfreich sein. Statt Schwäche drückt sich hierin Solidarität mit trauernden Menschen aus.

Vorschläge zur Etablierung einer Trauerkultur als präventive Maßnahme:

  • Benennen eines Ansprechpartners
  • Erweiterung des Notfallmanagements um das Thema „Trauer“
  • Workshops für Führungskräfte zum Thema: „Umgang mit Trauer im Team“
  • Coachingangebote für Führungskräfte oder Teams

Trauer im Unternehmen scheint auf den ersten Blick ein Randthema zu sein. Bei einem offenen Umgang damit wird allerdings deutlich, dass möglicherweise deutlich mehr Kolleginnen und Kollegen direkt oder indirekt davon betroffen sind, als ursprünglich vermutet wurde.

Einerseits sind etablierte Verfahren hilfreich; andererseits bedarf es großer Sensibilität und Individualität, um Trauernden auch in der Arbeitswelt die nötige Unterstützung zu geben.

Damit ist Trauer kein Problem, das schnell gelöst werden kann. Sie erfordert vielmehrvor allem eine innere Bereitschaft, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Und sie erfordert viel Zeit.

Ich möchte Ihnen Mut machen, sich darauf einzulassen und in Ihrem Unternehmen eine Kultur zu schaffen, die Trauer nicht als Schwäche empfindet und sie deshalb zu verdrängen versucht, sondern die Trauer als individuelle Krise begreift, die heute oder morgen jeden von uns erfassen kann.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Angelika Behm, Foto: Magali Fuhs-Balster

Angelika Behm

Geschäftsführerin
Diakonie-Hospiz Wannsee
Angelika Behm ist Geschäftsführerin des Diakonie-Hospizes Wannsee.

Weitere Artikel