„Rat der Arbeitswelt“: Wer leider draußen bleiben muss

Future of Work

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat einen „Rat der Arbeitswelt“ ins Leben gerufen. Er soll die Politik, Unternehmen und die Öffentlichkeit „regelmäßig zum Wandel der Arbeitswelt informieren und beraten“. Auch wenn die hochtrabende Bezeichnung des Gremiums ein wenig zu sehr an Regierungsprosa wie das Gute-Kita-Gesetz und das Starke-Familien-Gesetz erinnert, ist das im Grundsatz ein vernünftiger Schritt. Wie, wo, wann und mit wem wir zukünftig arbeiten, wie Technologie und Globalisierung unsere Arbeit verändern werden, welche gesellschaftlichen Auswirkungen das hat: Das sind überaus drängende Fragen.

Es kann keineswegs schaden, kluge Köpfe aus Forschung, Wirtschaft und Gewerkschaften zusammen zu holen, um sie beantworten. Dass Heils „Rat der Arbeitswelt“ kompetent und hochkarätig besetzt ist – daran kann kein Zweifel bestehen. Von Siemens-Personalvorständin Janina Kugel bis zu VW-Betriebsrat Matthias Möreke, von Isabel Rothe, der Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, über Ex-Verdi-Chef Frank Bsirske bis hin zu hochangesehenen Professor:innen und erfolgreichen Unternehmer:innen: Die elf Mitglieder des Gremiums – sechs Männer, fünf Frauen – können zweifellos einiges beitragen zur Diskussion darüber, wie sich Arbeit wandeln wird und wandeln muss.

Und doch bleibt ein fader Beigeschmack – beim Blick darauf, wer im „Rat der Arbeitswelt“ erstaunlicherweise nicht vertreten ist.

Wieso keine junge Menschen?

Niemand wird vom Wandel der Arbeit mehr betroffen sein als jene, die erst seit ein paar Jahren im Berufsleben stehen oder es sogar noch ganz vor sich haben. Die rasant voranschreitende Digitalisierung der Wirtschaft, deren soziale und psychologische Auswirkungen, die Unsicherheiten und Unwägbarkeiten – wen geht das mehr an als junge Menschen? Im „Rat der Arbeitswelt“ sind sie nicht vertreten. Jüngstes Mitglied ist der Betriebsratsvorsitzender bei BASF, Sinischa Horvart, Jahrgang 1976. Niemand in Heils neuem Beratergremium ist jünger als vierzig Jahre. Eine bemerkenswerte Generationenlücke und ein schwerer Konstruktionsfehler.

Weshalb kaum Digitales, kaum Dienstleistungen?

Die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz dürfte in all ihren Ausprägungen der Megatrend sein, der Arbeit schon in wenigen Jahren am drastischsten und nachhaltigsten verändern wird. Gemessen daran, ist das neue Beratergremium des Bundesarbeitsministeriums erstaunlich klassisch und wenig digital besetzt. Wo sind die Start-ups, wo die Software-Unternehmen, wo die Programmierer:innen, wo die KI-Spezialist:innen, die Expert:innen für digitale Kommunikation?

Auf der anderen Seite finden, abgesehen vom Gewerkschafts-Ruheständler Bsirske und Gebäudereinigungsunternehmer Stephan Schwarz, Dienstleistungen und der öffentliche Dienst in Heils Gremium praktisch nicht statt. Millionen Deutsche arbeiten in der Pflege, im Einzelhandel, auf dem Bau, als Paketbot:innen und Call-Center-Agent:innen, hangeln sich von Praktika zu befristeten Jobs, oftmals unter prekären Bedingungen. Im konzern-dominierten „Rat der Arbeitswelt“ scheinen sie eine Randnotiz zu sein. Ein weiterer Konstruktionsfehler.

Warum keine Ostdeutschen?

Wenn es in Deutschland eine Bevölkerungsgruppe gibt, die Erfahrungen mit tiefgreifender, schmerzhafter Transformation von Arbeit hat, sind es die ehemaligen Bürger:innen der DDR. Gerade in Ostdeutschland mit all seinen Struktur- und Demografieproblemen, politischem Extremismus und niedrigem Organisationsgrad von Arbeitgebern und Arbeitnehmer:innen lassen sich einige der Probleme, die der Gesellschaft als Ganzes wohl noch bevorstehen, wie unter einem Brennglas beobachten. Und doch: Keine einzige Ostdeutsche, kein einziger Ostdeutscher fand einen Platz im „Rat der Arbeitswelt“. Eine besonders bizarre Fehlentscheidung, welche die bislang zaghaften Rufe nach besserer Repräsentation Ostdeutscher in Politik und Gesellschaft nochmals verstärken dürfte. Mit vollem Recht.

Bundesarbeitsminister Heil sollte unbedingt nachbessern und seinen neuen „Rat der Arbeitswelt“ zügig erweitern. Diversität, vor allem Diversität im Denken aufgrund unterschiedlicher Perspektiven und Erfahrungen, ist Voraussetzung für zukünftigen Erfolg. Doch Diversität ist mehr als eine Frauenquote. Wenn es um die Zukunft von Arbeit geht, sollten junge Menschen unbedingt gehört werden, müssen Digitalexpert:innen und Dienstleistende mitreden, dürfen Ostdeutsche keinesfalls außen vor bleiben.

Bislang entspricht der „Rat der Arbeitswelt“ in seiner Zusammensetzung noch stark dem Schema der längst überholten Deutschland AG – mittelalt, konzerngeprägt, industrielastig, westdeutsch. Ändert sich das nicht schnell, besteht die Gefahr, dass er als „Rat der Arbeitswelt des 20. Jahrhunderts“ agieren wird.

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