Wie Unternehmen im Vorstellungsgespräch punkten

Recruiting

In Zeiten des Fachkräftemangels müssen Unternehmen bei Bewerbern einen guten Eindruck hinterlassen. Dabei geht es vor allem um Details.

Wer vor einem Termin schon mal in der Empfangshalle am Firmensitz eines großen Unternehmens gewartet hat, kennt die Situation: Man geht zum Empfang, meldet sich an und wird dann häufig erst einmal sich selbst überlassen: Hinsetzen und warten. Man kann sich die Zeit vertreiben, schnappt sich irgendwann sein Smartphone und checkt Nachrichten. Hauptsächlich sitzt man aber da, wartet und fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes sitzen gelassen, während die großzügige Eingangshalle ihre Wirkung entfaltet, Eindruck und Macht demonstriert. „Ein solcher Ort hat auf jeden Menschen eine einschüchternde Wirkung“, sagt Susanne Schultz, Leiterin des Instituts für Raumpsychologie aus Bad Bergzabern in Rheinland-Pfalz. „Wenn dieses Warten länger als nur einen Moment dauert, schafft das Distanz und Kühle. Das ist kein guter Start für einen Bewerber, der sich vorstellen will und insofern mit einem sehr persönlichen Anliegen zum Unternehmen kommt.“ Deshalb rät die Expertin: Personalmanager sollten Jobkandidaten unverzüglich empfangen und vor dem Gesprächstermin nicht lange warten lassen.

Ratgeber und Internetseiten sind prall gefüllt mit Tipps für Kandidaten, die zum Vorstellungsgespräch eingeladen sind, mit Ratschlägen zu Timing, Auftreten, Körpersprache und Kleidung. Einen guten Eindruck zu erwecken, ist jedoch auch auf der anderen Seite wichtig: Denn wenn Personaler Kandidaten nicht überzeugend gegenübertreten, ist das Vorstellungsgespräch zumindest innerlich schnell vorbei. Unternehmen gehen so im schlimmsten Fall Top-Talente verloren. In Zeiten eines immer stärker zutage tretenden Mangels an qualifizierten Fachkräften ist es deshalb wichtiger denn je, wie Personalmanager und Linienvorgesetzte im Gespräch mit Jobaspiranten auftreten und wie sie das persönliche Treffen gestalten, damit der erste Eindruck stimmt – und die Chancen steigen, einen interessanten Kandidaten vom eigenen Unternehmen zu überzeugen.

Auf Nahbarkeit setzen

Stimmiger Auftritt heißt: Der Bewerber fühlt sich wohl und gut aufgenommen, schließlich soll er in Zukunft viel Zeit im Unternehmen verbringen. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: „Man will den Bewerber ja so erleben, wie er im beruflichen Alltag ist, und nicht, wie er auf einer Bühne auftritt“, sagt Violeta Mikić, Beraterin für Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation aus Berlin. „Ein Bewerbungsgespräch ist zunächst einmal eine solche Bühne. Wenn ich jemanden wertschätzend behandele, habe ich aber die Chance, dass er sich öffnet.“

Ob das gelingt, hängt stark vom Start und dem viel beschworenen ersten Eindruck ab. Der so genannte Vorkontakt ist deshalb besonders wichtig. Er beschreibt den Moment, in dem Menschen sich begegnen und aufeinander zugehen. Um diesen Moment positiv zu gestalten, sollten Personalmanager sich auf ihr Gegenüber einstellen. Was sich trivial anhört, ist tatsächlich gar nicht so einfach. Denn schnell sind Sätze wie „Wie geht es Ihnen?“ und „Wie war die Anreise?“ dahingesagt, ohne dass der Fragende ernsthaft an der Antwort interessiert ist. „So etwas merken Menschen sofort. Plattitüden vermitteln ein Gefühl von Unaufrichtigkeit, von Nicht-ehrlich-Sein. Damit erzeugt man kein Vertrauen“, sagt Mikić.

Personalmanager sollten in der Situation versuchen zu erkennen, wie es dem anderen geht: Ist er gehetzt oder entspannt, braucht er einen Moment zum Durchatmen oder hat er schon wie eingangs beschrieben einige Minuten allein in der leeren Empfangshalle gesessen und gewartet? „Wenn man nur floskelhaft nach der Anreise fragt, die Visitenkarte in die Hand drückt und dann loslegt, entsteht schnell eine Distanziertheit, die man im Laufe des Gesprächs kaum oder nur schwer auflösen kann“, sagt Mikić. „Stattdessen sollte man Resonanz erzeugen und umgekehrt auch zulassen. Wer nahbar ist und sich ehrlich für seinen Gesprächspartner interessiert, macht schon eine Menge richtig.“

Vor dem Termin zur Ruhe kommen

Dazu gehört auch die Fähigkeit, mit peinlichen oder unangenehmen äußeren Umständen umzugehen. Oft sind es Kleinigkeiten, die zu allgemeinem Unwohlsein der Beteiligten führen, wenn niemand den Sachverhalt anspricht und auflöst. „Die Fähigkeit, spontan auf Situationen zu reagieren und Probleme zu lösen, vermittelt ein Gefühl von Souveränität und erzeugt Vertrauen“, sagt Mikić. Der Klassiker: Der HR-Manager kommt aus einem vorherigen Termin nicht rechtzeitig raus und somit zu spät zum Gespräch mit dem Kandidaten. Wer das kommentarlos oder mit einem kurzen „Sorry“ abtut, vermittelt dem Gegenüber ganz klar: Du bist mir nicht wichtig – was den eingangs während der Wartezeit entstandenen Eindruck von Kühle und Distanz noch verstärkt. „Danach kann der Personalmanager im Gespräch noch so viel über wertschätzende Mitarbeiterführung im Unternehmen reden, das glaubt ihm der Bewerber nicht mehr. Er hat es ja gerade selbst genau anders erlebt“, sagt Mikić. Heißt: Erstens sollten Personaler einfache Tugenden wie Pünktlichkeit hochhalten. Und wenn sie tatsächlich zu spät sind, sich die Zeit für eine ehrliche und aufrichtige Entschuldigung nehmen.

Daran knüpft der nächste Aspekt an: Nicht gehetzt in den Termin kommen. Wer im Stechschritt und mit rotem Kopf durchs Firmengebäude hetzt und in den Besprechungsraum marschiert, läuft Gefahr, den Bewerber mit seiner Hektik schlicht zu überfahren. Das Gleiche gilt, wenn im vorherigen Termin mit Kollegen oder Vorgesetzten die Fetzen flogen. Wenn der Körper mit Adrenalin gefüllt und biochemisch auf Kampf und Flucht programmiert ist, ist es kaum möglich, emphatisch zu sein und auf die Bedürfnisse eines anderen Menschen einzugehen. Besser: Vor dem Termin unbedingt ein paar Minuten zum Runterkommen einplanen – um im wahrsten Sinne des Wortes tief durchzuatmen und auf andere Gedanken zu kommen.

Ein Tabu: Konferenzraum mit Glaswand

In der Gesprächssituation kommt es dann auf weitere Details an: Für eine angenehme Atmosphäre sollten Personalmanager und Linienvorgesetzter dem Bewerber nicht gegenübersitzen, um keine „Wir gegen den“-Position einzunehmen. „Sonst entsteht schnell eine Spannung, die wie eine Befragung und damit unangenehm wirkt“, sagt Mikić. „Genau das sollte man aber vermeiden, wenn man möchte, dass der Bewerber sich wohlfühlt und sich öffnet.“

Zudem empfehlen Experten, solche Gespräche nicht, wie oft üblich, im repräsentativen Konferenzraum abzuhalten. „Ein solcher Ort hat den gleichen Effekt wie die Empfangshalle, er taugt zum Repräsentieren, aber nicht, um sich kennenzulernen“, sagt Raumpsychologin Schultz. Besser ist ein Besprechungsraum, der möglichst wohnlich gestaltet und obendrein überschaubar ist und damit Geborgenheit vermittelt. Räume mit Glaswänden, in denen Bewerber wie auf dem Präsentierteller sitzen, sind ebenfalls tabu „In der Bedürfnispyramide des Menschen spielen solche Faktoren eine große Rolle“, sagt Schultz. „Das ist kein Beiwerk, sondern die Basis für ein gutes Gespräch. Wenn diese grundlegenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind, nützen auch die wärmsten Worte nichts.“

Blickkontakt mit kurzen Pausen

Für Personalmanager und gegebenenfalls den künftigen Vorgesetzten selbst gilt: Ihr Auftreten prägt den Verlauf des Bewerbungsgesprächs maßgeblich. Gestik, Mimik und Körpersprache sagen häufig viel mehr als tausend Worte – das gilt nicht nur für den Kandidaten, der sich vorstellt. Deshalb: Kopf gerade, Brust raus und die Hände sichtbar vor dem Oberkörper halten: „Eine solche Haltung signalisiert eine selbstbewusste, offene und freundliche Einstellung und hilft einem selbst, in dem Moment präsent zu sein“, sagt Michael Laßlop, Coach für Körpersprache aus München. Bei der Mimik gilt: „Lächeln ist das A und O, die Wirkung eines freundlichen Gesichtsausdrucks kann man gar nicht hoch genug einschätzen“, sagt Laßlop. „Bedachte Bewegungen strahlen Ruhe aus, das hilft vielen Bewerbern, ihre Nervosität abzulegen.“ Dabei hilft auch der Blickkontakt mit kurzen Pausen: „Wer sein Gegenüber interessiert anschaut und seinen Blick dabei auf Augen und Mund richtet, wirkt freundlich“, erklärt Laßlop. Wer mit dem sogenannten Powerblick die Stirn fokussiert, wirke selbstbewusst und kompetent, könne aber auch als abschätzender, herausfordernder Prüfer wahrgenommen werden. Auch der Handschlag zur Begrüßung ist mehr als bloß ein Ritual: Beim gegenseitigen Berühren wird das Hormon Oxytocin ausgestoßen, das als „Bindungshormon“ bekannt ist und Menschen in die Lage versetzt, eine gute persönliche Verbindung zueinander aufzubauen. „Dieses Hormon erzeugt eine positive Grundstimmung“, sagt Laßlop. Ein satter Händedruck zur Begrüßung lohnt sich also allemal.

Lockerer, eleganter Kleidungsstil

Bei der Kleiderwahl ist derzeit ein Wandel parallel zum geänderten Führungsverständnis zu beobachten. „Schwarze Anzüge mit Krawatte plus Accessoires wie einer auffälligen Uhr am Handgelenk oder schwarze Kostüme mit weißer Bluse wirken autoritär, zugeknöpft und distanziert“, sagt Business-Coach und Typberaterin Bettina Blum aus Mülheim an der Ruhr. „Derzeit sind solche Outfits vielerorts auf dem Rückzug.“ Stattdessen sei ein lockerer, eleganter Kleidungsstil im Kommen, etwa mit Anzügen in Marineblau und Anthrazit, ergänzt um farbige Accessoires – Türkis und Orange gelten farbpsychologisch als freundlich, Hellblau als sportlich. „Personalmanager sollten es mit dem legeren Auftreten jedoch nicht übertreiben“, sagt Blum. „Sie repräsentieren immer auch das Unternehmen, entsprechend erwarten Bewerber einen soliden Auftritt.“ Zum Beispiel sollte man in Unternehmen der traditionell konservativen Finanz- und Versicherungsbranche Turnschuhe zum Anzug vermeiden – auch dann, wenn man junge Bewerber als Gesprächspartner hat. „Die äußere Erscheinung kann sonst schnell unglaubwürdig wirken, so als wolle man sich anbiedern“, sagt Blum.

Schließlich beendet ein guter Abschied ein gelungenes Gespräch: Personaler sollten den Jobkandidaten persönlich zum Fahrstuhl oder zum Ausgang begleiten, ausdrücken, was ihnen gut gefallen hat, wo es vielleicht noch offene Fragen gibt und wie man nun weiter verfährt. „Dieser Nachkontakt ist wichtig, damit der Bewerber das gute Gefühl über das Gespräch hinaus mitnimmt“, sagt Kommunikationsberaterin Mikić – samt bindungsförderndem Handschlag zum Abschied.

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André Schmidt-Carré, Foto: copyright @ ruwan loehr

André Schmidt-Carré

Redakteur
Wortwert
André Schmidt-Carré ist Redakteur bei wortwert - die wirtschaftsredaktion. Er schreibt seit Jahren regelmäßig für den HRM.

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