Recruiting für Rekruten

Employer Branding

Die Herausforderung, junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu umwerben, ist für die Bundeswehr noch relativ neu. Jens Flosdorff und Dirk Feldhaus sprechen im Interview darüber, warum das Employer Branding in der Verantwortung der Kommunikationsabteilung liegt, über die Bundeswehr als polarisierende Marke und die Webserie „Die Rekruten“.

Putin, Peschmerga und Pannenflieger – in den vergangenen Monaten gab es viel schlechte Presse für die Bundeswehr. Gleichzeitig werden mehr als 20.000 neue Soldaten gesucht. Ihre Aufgabe besteht auch darin, die Bundeswehr als attraktiven Arbeitgeber darzustellen. Wie passt das zusammen?
Jens Flosdorff:
Es klingt paradox, aber „Bad News“ über die Truppe sind nicht zwangsläufig schlechte Werbung für den Arbeitgeber Bundeswehr – wenn man die Synergie-Effekte zwischen der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit und dem Employer Branding ganz bewusst nutzt und auch darstellt, dass wir Probleme offen und engagiert angehen. Rüstungsprobleme, über die gerne berichtet wird, sind häufig darauf zurückzuführen, dass uns schlicht Techniker und Ingenieure fehlen. Benennen wir den Missstand offen – dann berichtet auch die Tagesschau über den Zusammenhang. Für die Personaler ist das ein gratis Stellenangebot vor Millionenpublikum. Also kann sich eine Negativgeschichte, wegen der ich als Pressesprecher ein weinendes Auge habe, gleichzeitig auf das Employer Branding positiv auswirken.

Dann hatten die Schlagzeilen also keinen Negativeinfluss auf die Zahl der Bewerber?
Flosdorff:
Nein, im Gegenteil. In den Graduate-Rankings von Trendence sind wir gerade nach Wellen der Negativberichterstattung gestiegen, insbesondere bei ITlern und Ingenieuren. Wir bekommen Bewerbungen, in denen explizit drinsteht: „Ihr habt Probleme und ich kann dabei helfen, die zu lösen.“ Seit uns das klar ist, versuchen wir das Thema Employer Branding in der gesamten Kommunikation stets mitzudenken und den Umstand bewusst zu nutzen, dass die Bundeswehr permanent im Fokus der Öffentlichkeit steht.

Dirk Feldhaus: Es gehört allerdings noch ein wichtiger Zwischenschritt dazu: Es muss natürlich nach Negativmeldungen in den angesprochenen Bereichen auch faktisch etwas passieren. Auf Missstände haben wir beispielsweise mit einem steigenden Etat und mehr Transparenz im Rüstungsbereich reagiert, wir haben die Personalobergrenze aufgehoben und eine Cyberoffensive gestartet – auch darüber wird natürlich berichtet. Die Leute bekommen also nicht nur die Probleme mit, sondern erfahren auch, dass Konsequenzen gezogen werden. Wenn sie denken würden, „bei der Bundeswehr geht es den Bach runter“, würden sie nicht zu uns kommen wollen.

Employer Branding ist ein klassisches Querschnittsthema. Warum ist die Arbeitgeberkommunikation durch das Bundesverteidigungsministerium im Kommunikationsstab verortet und nicht in der Personalabteilung?
Flosdorff:
Weil die Bundeswehr permanent in den Medien ist, macht eine Trennung keinen Sinn. Die Öffentlichkeit unterscheidet ja nicht zwischen einer Arbeitgebermarke Bundeswehr und der Bundeswehr aus der Tagesschau, die im Irak oder in Mali ihren schwierigen Auftrag erfüllt. Bis vor zwei Jahren lag die Verantwortung für die Arbeitgeber-PR beim Personalamt in Köln – und damit weitgehend abgekoppelt von der übergeordneten Kommunikation. Das haben wir geändert. Jetzt gilt die Arbeitsteilung: Der Personalstrang meldet uns die Bedarfe, liefert Zahlen und Fakten zu den zu besetzenden Stellen oder Berufsgruppen. Der Kommunikationsstab entwickelt die passenden Kampagnen. Sobald sich Interessenten auf der Landingpage oder in den Karrierecentern melden, übernehmen wieder die Personaler. Anders als die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt kannte die Bundeswehr lange kein professionelles Employer Branding. Bis vor fünf Jahren existierte dank der Wehrpflicht schlicht keine Notwendigkeit. Das hat sich dann von einem Tag auf den anderen gedreht. Plötzlich stand die Bundeswehr mit Konzernen im Wettbewerb, die jahrzehntelange Erfahrung darin hatten, sich bei jungen Fachkräften frühzeitig auf den Radar zu bringen.


Jens Flosdorff ist Leiter des Presse- und Informationsstabs und Sprecher des Verteidigungsministeriums, Foto: Julia Nimke

Was sind die besonderen Herausforderungen für das Employer Branding der Bundeswehr?
Flosdorff:
Dass wir anders als die Mitbewerber auf einen kleinen Ausschnitt des Fachkräftereservoirs begrenzt sind: junge Männer und Frauen mit deutschem Pass. Die Wirtschaft bewältigt ihren Engpass, indem sie gezielt qualifizierte Zuwanderer im In- und Ausland sucht. Die Bundeswehr darf aber nur Menschen mit deutschem Pass einstellen. Die zweitgrößte Ressource der Konkurrenz sind Frauen, die häufiger als früher berufstätig sind. Um die werben wir gezielt und holen auf. Wir müssen uns in der Konkurrenz mit dem Mittelstand und den Dax-Konzernen umso mehr anstrengen. Unser Vorteil ist, dass die Bundeswehr eine starke Marke ist, die jeder kennt und automatisch eine große Medienpräsenz hat.

Soldat ist ein Beruf, der einem vieles abverlangt. Die Generation Y wünscht sich allerdings, so heißt es immer wieder, Komfort, flache Hierarchien und eine gute Work-Life-Balance. Wie lässt sich dieser Widerspruch überwinden?
Flosdorff:
Es ist richtig, dass der Soldatenberuf besondere Anforderungen und Härten hat. Er ist gefährlich und verlangt viel Disziplin. Was uns mit Blick auf die Generation Y entgegenkommt, ist, dass Geld für diese nicht im Mittelpunkt steht. Viele junge Männer und Frauen suchen heute eine sinnstiftende Betätigung, und die können wir definitiv bieten.

In Unternehmen ist Diversity ein bestimmendes Schlagwort. Bei der Bundeswehr ist der Frauenanteil aber nach wie vor gering, auch Homosexualität ist seit jeher ein problematisches Thema. Was tun Sie auf diesem Gebiet?
Flosdorff:
Es gibt inzwischen einen eigenen Stab für das Thema Chancengerechtigkeit. Wir haben eine Frau an der Spitze des Ministeriums und eine lesbische Staatssekretärin, die Diversity als Stärke der Großorganisation Bundeswehr herausstellen und zur Chefsache erklärt haben. Die Ministerin Ursula von der Leyen pusht intern höchstpersönlich das Thema Karriere für Frauen. Inzwischen sind schon 18 Prozent der Bewerber weiblich, der Ist-Stand an Soldatinnen in der gesamten Bundeswehr liegt bei elf Prozent. Bei den Offiziersanwärterinnen sind wir schon bei 20 Prozent. Das ist natürlich noch ausbaufähig, aber schon ein deutlicher Sprung.

Feldhaus: Was das Employer Branding betrifft: Wir machen keine explizite Frauenkampagne, ebenso wenig wie Kampagnen für Menschen mit Migrationshintergrund oder anderer sexueller Orientierung. Uns ist es wichtig, dass wir die gelebte Vielfalt ganz selbstverständlich in all unseren Kommunikationsmitteln abbilden. In der Bundeswehrzeitung berichtet beispielsweise ein schwuler Soldat aus seinem Alltag. Seine Homosexualität steht aber nicht im Mittelpunkt des Artikels.

In der gezielten Ansprache von Frauen setzte die Bundeswehr 2014 in einer Kampagne auf Fotos von Damen in Pink vor dem Kleiderschrank oder im Schuhgeschäft. Das hat für viel Spott gesorgt.
Flosdorff:
Das war die letzte Kampagne, die in der alten Struktur und ohne professionelle Agentur entstanden ist. Meinen Geschmack traf sie auch nicht. Die jetzige Strategie ist völlig anders.


Dirk Feldhaus ist seit 2014 Kommunikationsbeauftragter für die Arbeitgebermarke der Bundeswehr, Foto: Julia Nimke

Wie sind Sie vorgegangen?
Flosdorff:
Wir haben uns ein halbes Jahr Zeit genommen, um den Kern der Arbeitgebermarke sorgfältig herauszuarbeiten. Bei einer Riesenorganisation wie der Bundeswehr mit einer Viertelmillion Beschäftigten muss das Werbe-Image gleichermaßen nach innen und außen Akzeptanz finden. Sonst geht die Kommunikation schief. Deswegen haben wir Soldaten befragt, warum sie bei der Bundeswehr angefangen haben und warum sie immer noch dabei sind. Und wir haben uns angeschaut, wie die Generation Y zur Truppe steht. In der Allensbach-Befragung kam heraus, dass sie die Bundeswehr zum einen als sicheren Versorger sieht. Gleichzeitig verunsichert das Risiko der Auslandseinsätze. Interessanterweise spielt das in den internen Befragungen kaum eine Rolle.

Tatsächlich?
Flosdorff:
Unsere Soldaten wissen, was für ein Aufwand für ihre Sicherheit betrieben wird. Mit dem Restrisiko, das immer bleibt, haben sie sich schon vor Jahren auseinandergesetzt. Als gemeinsamer Nenner zwischen Innen- und Außenperspektive und somit als Markenversprechen haben sich das Sinnstiftende und das Qualifizierende herauskristallisiert. Wir sind einer der größten Ausbilder von Lehrberufen bis zu Universitäten, es gibt ständig Fortbildungen. Außerdem bekommen Berufsanfänger sehr früh Personalverantwortung. Auf diese beiden Karten setzen wir nun in allen unseren Kampagnen.

Welche Bewerberklientel möchten Sie ansprechen?
Flosdorff: Mit unserer Kampagne möchten wir insbesondere 17- bis 25-Jährige ansprechen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, die neugierig und verantwortungsbewusst sind. Wir zahlen nicht schlecht, aber Geld steht für unsere Zielgruppe nicht ganz oben. Am wichtigsten ist die Bereitschaft, immer weiter dazuzulernen, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Wichtiger als jedes Rüstungsvorhaben ist für die Bundeswehr der Zukunft, dass wir kluge Köpfe für uns gewinnen. Der Soldatenberuf hat sich verändert, er wird immer komplexer, nicht nur in technischer Hinsicht. Die Bundeswehr ist weltweit aktiv. Soldaten interagieren heute in Übungen und Einsätzen mit Streitkräften anderer Länder, sie müssen sich in fremden Kulturkreisen zurechtfinden, eng mit Diplomatie und Entwicklungshelfern zusammenarbeiten.

In den vergangenen Wochen wurde immer wieder Kritik an der Youtube-Serie „Die Rekruten“ laut, in der junge Soldaten aus ihrem Alltag berichten. In den Clips wirke die Bundeswehr wie ein Abenteuerspielplatz, sagte beispielsweise PR-Berater und Offizier Sascha Stoltenow in einem „Welt“-Artikel. Dass es auch ums Kämpfen und Töten gehe, werde ausgeblendet. Wie reagieren Sie darauf, dass der Kampagne Schönfärberei unterstellt wird?
Flosdorff: Zu dem Zeitpunkt, an dem der Artikel erschienen ist, konnte er kaum mehr als den Trailer gesehen haben. Und selbst darin wird ein Sturmgewehr gezeigt. In dieser Reality-Doku geht es doch erkennbar nicht um einen Auslandseinsatz, sondern um die Grundausbildung – also die ersten Schritte in den Soldatenberuf. Das heißt: Einkleidung, frühes Wecken, Meldungen, körperliche Fitness. In dem Szenario mal eben einen Ausflug ins Krisengebiet nach Kurdistan einzuflechten, das wäre definitiv unrealistisch. Die Serie geht über 90 Tage, wir kommen noch zu den ernsten Themen, wie zum Beispiel Schießausbildung oder Verwundetenversorgung. Ich finde auch die Vorstellung absurd, dass junge Menschen, die zu uns kommen, naiv in die Truppe hineinstolpern. Die meisten haben zusammen mit ihren Familien lange abgewogen, bevor sie den Schritt gegangen sind. Dass der Soldatenberuf mit dem Risiko von Tod und Verwundung verbunden ist, ist seit Jahrtausenden tief in der Bevölkerung verankert. Bei anderen Berufen, die in der Gefahrenstatistik tatsächlich ganz oben stehen, wie Gerüstbauer oder Fensterputzer, bin ich mir da nicht so sicher. Wir verstecken nichts, wir bauschen nichts auf. Dafür steht schon unser neues Corporate Design. Wir haben uns ganz bewusst für ein Flecktarnmuster mit hohem Wiedererkennungswert entschieden. Früher hat die Bundeswehr zurückhaltend mit einem neutralen blauen Hintergrund geworben, heute schwingt das Militärische auf den ersten Blick mit.

Wie viel Geld steht Ihnen für die Arbeitgeberkommunikation insgesamt zur Verfügung?
Flosdorff:
Der Gesamtetat beträgt 35 Millionen – genau wie in den Jahren davor. Der Unterschied ist, dass heute breit darüber geredet wird, was wir machen. Früher waren die Kampagnen sehr printlastig und im Stil eher hausbacken. Das ging an der jungen Zielgruppe vorbei.

Feldhaus: Wir haben die Mediastrategie komplett geändert. Früher ging ein Großteil des Budgets in Fachmagazine, heute in Online-Kampagnen und Social Media, dort ist unsere Zielgruppe unterwegs. Wir setzen aber auch nach wie vor auf das gute alte Plakat in der Bahn oder an der Bushaltestelle. Die Leute bleiben davor stehen und diskutieren darüber. Und wenn jemand etwas darauf kritzelt oder sprayt, dann wird es noch auffälliger.

Seit kurzem ist die Bundeswehr auch auf Snapchat und Instagram präsent. Ihr erstes Resümee?
Feldhaus:
Bei Snapchat sind wir seit August, den Kanal haben wir auf der Gamescom gestartet. Wir erreichen inzwischen mehrere tausend Jugendliche. Dort gibt eine Kollegin Einblicke in die Bundeswehr, indem sie verschiedene Standorte besucht und verschiedene Jobs präsentiert. Während „Die Rekruten“ läuft, übernehmen die Ausbilder den Kanal und berichten, wie es den Neulingen so geht. Die 16- bis 25-Jährigen lassen sich über diese Kanäle sehr gut erreichen. Allein bevor die Serie gestartet ist, haben wir innerhalb einer Woche auf Youtube nur über den Trailer eine Million Klicks generiert. Nach zwei Wochen waren es schon eine Million Klicks pro Tag und mehr als 200.000 feste Abonnenten für den Kanal. Ich kenne keine Behörde, die auf Youtube ähnliche Werte erreicht.

Flosdorff: Ganz wichtig ist, dass wir Kommunikation integriert denken. Bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber reden viele mit. Die Eltern hören in der Tagesschau etwas über die neue Serie und sprechen ihre Kinder darauf an, die sich wiederum in den sozialen Netzwerken informieren.

Neue Mediastrategie: Mit der Webserie „Die Rekruten“ wirbt die Bundeswehr um Nachwuchs. Quelle: Youtube/Die Rekruten

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Anne Hünninghaus, Foto: Jana Legler

Anne Hünninghaus

Anne Hünninghaus ist Journalistin und Redakteurin bei Wortwert. Sie war von Januar bis Oktober 2019 Chefredakteurin i. V. des Magazins Human Resources Manager. Zuvor arbeitete die Kultur- und Politikwissenschaftlerin als Redakteurin für die Magazine politik&kommunikation und pressesprecher (heute KOM).

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