Recruiting: So kann der Mittelstand bei Bewerbern punkten

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Mittelständler haben typische Stärken. Wie können sie diese im Wettbewerb um Fachkräfte nutzen? Tipps von Anastasia Hermann von Stepstone.

Altmodisches Büro im Nirgendwo, wenig glamouröse Produkte und schlechte Aufstiegschancen – wenn es um die Eigenschaften kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) als Arbeitgeber geht, halten sich solche Vorurteile hartnäckig – auch in den Köpfen der Personaler. Dass die Wirklichkeit ganz anders aussieht, zeigt der neue Stepstone Mittelstandsreport. KMU haben demnach eine gute Ausgangsposition, wenn es um den Wettbewerb um Fachkräfte geht. Jetzt kommt es darauf an, die sich bietenden Chancen zu nutzen.

Wie attraktiv ist der Mittelstand für Talente? Wie sind KMU im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte aufgestellt? Und was sind dabei ihre größten Herausforderungen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Studie, für die das Stepstone Research Team rund 22.000 Fach- und Führungskräfte und 3.500 Recruiter befragt hat. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Mittelstand in Deutschland hoch in der Arbeitnehmergunst steht und ganz spezifische Stärken besitzt. Doch wie können Mittelständler diese Stärken für eine erfolgreiche Mitarbeitergewinnung und -bindung nutzen?

1.Die meisten Arbeitnehmer bevorzugen kleinere Unternehmen – und bleiben ihnen treu

Porsche, Bosch, Microsoft – regelmäßig stehen bekannte Namen an der Spitze von Arbeitgeber-Rankings in Deutschland. Oft handelt es sich dabei um große Unternehmen, die bei der Personalgewinnung von der Strahlkraft ihrer Marke profitieren und die einfach viele Menschen kennen. Übergreifend betrachtet sind jedoch kleinere Arbeitgeber bei Fachkräften wesentlich beliebter.

Während 59 Prozent aller für die Studie Befragten am liebsten bei einem kleineren oder mittleren Unternehmen (KMU) arbeiten würden, bevorzugen nur zwölf Prozent einen Job in einem Großkonzern (> 5.000 Angestellte). Das gilt übrigens nicht nur für erfahrene Arbeitnehmer, sondern auch für Nachwuchskräfte. 66 Prozent der Studierenden wünschen sich als ersten Arbeitgeber nach dem Abschluss ein Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern.* Die Studie zeigt auch: 76 Prozent derjenigen, die bereits im Mittelstand beschäftigt sind, möchten auch in Zukunft bei einem KMU arbeiten. Nur fünf Prozent von ihnen wollen künftig lieber in einen Großkonzern wechseln.

2. Mittelstand punktet mit Standort

Der Großteil mittelständischer Unternehmen ist abseits der attraktiven Großstädte beheimatet. Dies mag mit ein Grund dafür sein, dass nur etwa jedes dritte Unternehmen den eigenen Standort als Vorteil bewertet. In den Augen der potenziellen neuen Mitarbeiter ist der Standort der KMU nur selten ein Makel. Die meisten Studienteilnehmer, die sich schon einmal bei einem Mittelständler beworben haben, gaben am häufigsten den Standort als Grund für ihre Bewerbung an. Ländlicher Raum? Wohnen im Grünen und familienfreundliches Umfeld. Kleines Städtchen? Günstige Mieten und ein Radweg zur Arbeit.

Jeder Standort hat tatsächlich seine Vorteile. KMU sollten sich bewusst damit auseinandersetzen und diese für jede gesuchte Fachkräftezielgruppe und deren typische Lebenssituation definieren. Darauf aufbauend kann die Vorteilsargumentation passgenau in die Bewerberansprache eingebunden werden. Eine positiv aufgeladene regionale Identität aufzubauen hilft darüber hinaus, in der Heimat verwurzelte Fachkräfte und Rückkehrer nach dem Studium oder nach erster Berufserfahrung gezielt anzusprechen.

3. Sinnhaftigkeit ist für Fachkräfte heute wichtiger denn je

Familiäre Atmosphäre, flache Hierarchien und eine sinnhafte Tätigkeit sind Eigenschaften, die Fachkräfte mit einem mittelständischen Arbeitgeber verbinden. Damit haben KMU in den Augen potenzieller neuer Mitarbeiter genau das, wonach Bewerber heute suchen. Der Wunsch, eine sinnhafte Tätigkeit auszuüben und wirklich etwas zu bewirken, gehört zu den Top-Prioritäten bei der Jobsuche der Fach- und Führungskräfte in Deutschland. Eine gute Unternehmenskultur und eine angenehme Atmosphäre sind den meisten sogar wichtiger als hohes Gehalt.

Das Gehalt ist übrigens ein Faktor, wo viele KMU tatsächlich schwächer aufgestellt sind, als Großunternehmen. Diejenigen, die sich noch nie bei einem KMU beworben haben (weniger als zwei von zehn Fachkräften), begründeten dies vor allem mit finanziellen Aspekten: 38 Prozent von ihnen glauben, dass sie bei einem KMU weniger verdienen als in einem größeren Konzern. Fast ebenso viele meinen, es gäbe im Mittelstand weniger Zusatzleistungen wie Boni oder Weihnachtsgeld. Für Mittelständler gilt es, aktiv damit umzugehen, gezielt an spezifischen Tugenden zu arbeiten, sie tatsächlich mit Leben zu füllen und dann aktiv bei der Personalgewinnung anzusprechen. Dann können genau die potenziellen Mitarbeiter, welche die Arbeitsweise im Mittelstand schätzen, angesprochen und im Folgenden besser integriert werden.

4. Wenn Karriere im Mittelstand kein Widerspruch in sich ist.

Fehlende Aufstiegschancen sind (nach Gehalt) der zweitwichtigste Grund dafür, dass Mitarbeiter Mittelständler verlassen. Die Wahrnehmung, man werde bei einem KMU nicht in der eigenen Karriereplanung unterstützt, hält sich hartnäckig. Dabei muss Karriere im Mittelstand gar kein Widersprich in sich sein. Bei einem Mittelständler übernehmen Fachkräfte schnell Verantwortung, haben einen direkteren Draht zum Management und können von flachen Hierarchien und schnellen Entscheidungswegen profitieren – vorausgesetzt, die Unternehmensleitung lässt es zu.

Damit kann eine Stelle beim Mittelständler tatsächlich zum Traumjob mit der idealen Kombination aus Kultur und Karriere werden. Welche Vision verfolgt das Unternehmen? Welche Werte vertritt es? Welche Führungskultur wird gelebt? Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Fachkräfte auf der Suche nach dem nächsten Job wünschen sich schon früh im Bewerbungsprozess konkrete Antworten auf solche Fragen.

Zum Stepstone Mittelstandsreport:

Für die Studie hat Stepstone im zweiten Quartal 2019 eine Online-Befragung unter insgesamt rund 19.000 Fach- und Führungskräften in Deutschland durchgeführt, darunter waren rund 16.600 Fachkräfte ohne Personalverantwortung und rund 2.400 Führungskräfte. Daneben befragte Stepstone online insgesamt rund 3.500 Recruiter und Manager, die für Personalbeschaffung zuständig sind. Hier finden Sie die Studie zum Download.

*Ergebnisse aus der StepStone Studie Berufseinsteiger im Fokus, 2018

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© Stefan Simonsen

Anastasia Hermann

Dr. Anastasia Hermann ist Head of Research bei der Online-Jobplattform Stepstone. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Düsseldorf verbindet Jobsuchende durch den Einsatz intelligenter Technologien mit passenden Arbeitgebern. Stepstone beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeiter und ist weltweit in mehr als 20 Ländern vertreten.

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