Rise of the Robots – die Folgen der Automatisierung

Recruiting

In absehbarer Zukunft werden Roboter nicht mehr nur Routineaufgaben, sondern auch hochkomplexe Wissensarbeit verrichten. Werden Menschen überflüssig?

In absehbarer Zukunft werden Roboter nicht mehr nur Routineaufgaben, sondern auch hochkomplexe Wissensarbeit verrichten. Am Beispiel von Robotic Process Automation (RPA) zeigt sich bereits heute, dass diese Entwicklung nicht nur für Firmen gewinnbringend sein kann, sondern auch für die Mitarbeiter und die Gesellschaft.

Die Folgen der Automatisierung spüren Menschen seit Tausenden von Jahren. So hat vor rund 5.000 Jahren die Erfindung des Rads die Arbeitswelt verändert. Heute ist der Einsatz von Maschinen zur Arbeitserleichterung Standard. In der Vergangenheit wie in der Neuzeit ging das maschinelle Aufrüsten mit der Sorge um den Erhalt menschlicher Arbeitsplätze einher. Bisher wurden vorwiegend manuelle Tätigkeiten automatisiert, die mit großer körperlicher Anstrengung verbunden waren. Wer einen hohen Bildungsgrad hatte, konnte sich sicher sein, dass seine Arbeitskraft auch weiterhin gebraucht wird.

Qualifikation schützt nicht länger vor Jobverlust

Automatisierungstechnologien rütteln an dieser Gewissheit: Sie ahmen menschliche Interaktionen nach und automatisieren die entsprechenden Arbeitsschritte. Sogenannte Softwareroboter übernehmen Aufgaben qualifizierter Bürokräfte. Im Personalbereich werden Teile von Recruiting- oder Entgeltabrechnungsprozessen ohne Mitarbeiter abgewickelt. Im Forschungsbereich können automatisiert Daten gewonnen, überprüft und transferiert werden. Roboter verdrängen Menschen nicht länger nur aus den Fabrikhallen, sondern auch aus den Büros.

Der Einsatz der Robotic Process Automation bringt jedoch auch große Vorteile mit sich: Roboter benötigen keine Pausen, sie können Aufgaben mit unvergleichbar höherer Geschwindigkeit und in besserer Qualität als ihre menschlichen Kollegen erledigen. Auch sind sie langfristig preiswerter. Aus ethischer Perspektive allerdings ist die zunehmende Einführung der robotergesteuerten Prozessautomatisierung auf den ersten Blick kritisch zu bewerten. Arbeit ist für Menschen über Jahrhunderte hinweg eine Möglichkeit gewesen, den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, sich selbst zu verwirklichen und als Teil einer Gesellschaft wertschöpfend zu agieren. Inwieweit ist es also vertretbar, Menschen durch Maschinen zu ersetzen?

Kümmere dich um deine Angestellten

Es gilt zunächst, die ethische Pflicht eines Unternehmens gegenüber den Mitarbeitern zu betrachten. Hier steht jede Organisation klar in der Verantwortung: „Kümmere dich um deine Angestellten und berücksichtige dabei alle Auswirkungen im Umfeld des Unternehmens“, fordert Nelson Taapken, Partner bei EY. Konkret sollten sich Unternehmen die Frage stellen, ob einige durch RPA ersetzbare Tätigkeiten im Unternehmen erhalten bleiben sollten. Insbesondere bei Mitarbeitern mit geistigen oder körperlichen Handicaps sind diese Erwägungen wichtig. Aber auch ganz grundsätzlich gilt: Ein Unternehmen sollte es als seinen gesellschaftlichen Auftrag betrachten, die Fähigkeiten und Möglichkeiten seiner Mitarbeiter zu beachten und sie dementsprechend einzusetzen, zu fördern und weiterzuentwickeln. Der Verweis auf die Selbstverantwortung der Mitarbeiter greift an dieser Stelle zu kurz.

Der Fachkräftemangel führt dazu, dass Automatisierungstechnologien nicht zwangsläufig zur Entlassung von Arbeitnehmern führen müssen. Vielmehr kann die neue Technik das Wirtschaftswachstum sichern. Das kommt besonders zum Tragen, wenn Unternehmen vom demografischen Wandel und einer hohen Anzahl von rentenbedingt ausscheidenden Mitarbeitern betroffen sind, den Arbeitsbetrieb aber weiterhin aufrechterhalten müssen. Auch für die Mitarbeiter zeichnen sich dann die positiven Auswirkungen ab, schließlich kann RPA zu einer Entlastung von Arbeitnehmern führen, die mit einem hohen Arbeitsvolumen zu kämpfen haben.

Unumgänglich: Konsequentes Change Management

Die positiven Auswirkungen der Automatisierungstechnologien müssen Mitarbeitern und Gesellschaft vermittelt werden. Die Erfahrung in Veränderungsprojekten zeigt immer wieder, dass alle betroffenen Personen in allen Stadien des Vorhabens eingebunden werden sollten. Das gilt auch bei Veränderungen, die positive Effekte haben und bei denen keine Jobverluste zu befürchten sind. Eine umfängliche und nachhaltige Kommunikationsarbeit ist Garant dafür, bei den Betroffenen nicht unnötig Nervosität und Sorgen entstehen zu lassen. Mitarbeiter müssen den Mehrwert für ihr Unternehmen und letztlich auch für die eigene Karriere nachvollziehen können, um auch von sich aus den Wandel befürworten und unterstützen zu können.

Bei der Einführung von robotergesteuerten Prozessautomatisierungen müssen die Unternehmen dafür sorgen, dass Mitarbeiter ihre Fähigkeiten und Qualifikationen den Erfordernissen entsprechend anpassen können. Neben fachlichen Anforderungen gibt es für die Mitarbeiter relevante Fähigkeiten, um auch in Zukunft klare Vorteile im Wettrennen gegen ihre maschinellen Kollegen zu haben. Dazu gehören das Lösen komplexer Probleme, Kreativität, emotionale Intelligenz, kognitive Flexibilität, Kollaborations- und natürlich Anpassungsfähigkeit.

Im Fokus: Shared Service Center

Wie die Effekte einer RPA-Einführung bewertet werden, hängt stark vom Arbeitsumfeld und vom geografischen Standort ab. Schließlich setzen die neuen Technologien klar definierte Prozesse, Arbeitsanweisungen, ein festes Regelwerk und Standardisierungen voraus. Aus wirtschaftlicher Perspektive ist die Einführung von RPA vor allem im Backoffice administrativer Funktionen einer Organisation sinnvoll, denn hier laufen die Prozesse bereits standardisiert ab. Somit sind Shared Service Center ein typischer Einsatzbereich. Diese Entwicklung belegen auch die Zahlen: 80 Prozent aller RPA-Projekte finden derzeit in Shared Service Centern statt. Die jüngsten Projekte weisen einen Produktivitätsanstieg von 20 bis 30 Prozent und eine entsprechende Personaleinsparung auf – Tendenz steigend.

Um eine dauerhaft passende und gute Bearbeitung von Standardprozessen durch RPA sicherzustellen, werden zukünftig neue Jobs erforderlich sein, die sich mit der Sicherung des Betriebs, der Anpassung und der Verbesserung von RPA beschäftigen. Bei einer falschen Einstellung eines Softwareroboters ohne menschliche Intervention würde sich in unvergleichlich schneller Zeit ein Fehler weiter verbreiten. Der wirtschaftliche Schaden wäre enorm.

Unabdingbar: vorausschauende Planung

Die neuen Technologien führen zu Datenmengen bisher unbekannten Ausmaßes. Diese lassen Rückschlüsse auf das Konsumentenverhalten zu, woraus sich wiederum neue Handlungsempfehlungen für Unternehmen ableiten lassen. Für diese Analysen werden Mitarbeiter mit neuen Fähigkeiten gebraucht. So auch im Shared Service Center, wo große Datenmengen verarbeitet und vor allem im Anschluss richtig interpretiert werden müssen. Aus ethischer Sicht sollten besonders Mitarbeiter in Shared Service Centern durch adäquate Kommunikation vorbereitet und durch entsprechende Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen auf die durch RPA verursachte Veränderung des Einsatzbereiches geschult werden.

Ähnlich wie im Zuge der Industriellen Revolution werden Menschen Routineaufgaben abgenommen. Gewinnbringende und erfüllende Arbeitsbereiche werden neu entwickelt. Ein Freiraum zur Weiterentwicklung wird geschaffen. Um sicherzustellen, dass betroffene Mitarbeiter sich mit diesem Wechsel wohlfühlen, ist es erforderlich, sie bei geplanten RPA-Projekten von Anfang an mit gutem Veränderungsmanagement und entsprechenden Trainingsmaßnahmen zu begleiten. Dringend dabei zu beachten ist: Im Vergleich zu früheren Umbrüchen ist das Tempo heutiger Veränderungen dramatisch angestiegen, Entscheidungen für neue Technologien müssen oft sehr schnell getroffen werden und wirken sich unmittelbar auf den Einsatzbereich der Belegschaft aus. Somit ist es heute noch viel wichtiger als in der Vergangenheit, wichtige technologische Entwicklungen frühzeitig vorherzusehen und die Mitarbeiter darauf vorzubereiten. Ein Unternehmen muss sich konsequent und kontinuierlich fragen: Welche Kompetenzen sind in der Zukunft gefragt und wie können wir diese intern aufbauen? Systematisch findet das bislang in kaum einem Unternehmen statt.

Schöne neue Arbeitswelt?

Dabei ist mit RPA jedoch längst nicht die höchste Stufe der Automatisierung erreicht. So kann im nächsten Schritt künstliche Intelligenz (KI) zumindest in bestimmten Bereichen auch Finanzberater, Professoren, Ärzte und Anwälte ersetzen. Roboter können zum Beispiel Studenten unterrichten und medizinische Diagnosen stellen. Selbst höchste Qualifikationsgrade werden nicht mehr davor schützen, dass eine Maschine einige Aufgaben besser erledigen kann. Zudem lässt sich mit Blick in die Zukunft sagen: Obwohl mit der Digitalisierung auch neue Arbeitsplätze entstehen, wird die menschliche Arbeitskraft über kurz oder lang weniger gebraucht werden. Es wird sich die Frage stellen, in welchem Umfang wir als Menschen überhaupt noch arbeiten müssen. Leben wir in Zukunft in einer Welt, in der genügend wirtschaftliche Einkünfte durch Maschinen erzielt werden und wir unsere Zeit ausschließlich der eigenen und der sozialen Weiterentwicklung widmen? Ein erster denkbarer Schritt auf diesem Weg ist die Verringerung unserer Arbeitszeit. So wäre es vorstellbar, dass wir zukünftig im Schnitt nur noch 20 oder 30 Stunden pro Woche in neuen Tätigkeiten arbeiten werden, während unsere Roboterkollegen rund um die Uhr tätig sind. Auch solche durchaus verlockend klingende Modelle, die sowohl den Firmen als auch den Mitarbeitern zugutekommen, entstehen nicht von allein. Eine positive Zukunft wird es nur geben, wenn sich die Firmen mit den ethischen Fragen von Digitalisierung und Automatisierung auseinandersetzen, sich rechtzeitig auf die Umstellung vorbereiten und sie aktiv gestalten. Jedoch muss es nicht nur Unternehmen gelingen, ihrem Auftrag eines ethischen Umgangs mit RPA nachzukommen, auch der Staat trägt einen nicht geringen Anteil.

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Anna Frühbuss

Senior Consultant People Advisory Services
Ernst & Young GmbH
Anna Frühbuss ist Senior Consultant im Bereich People Advisory Services bei EY in Düsseldorf. Ihr Schwerpunkt liegt auf Unternehmenstransformationen, Veränderungsmanagement und Digitalisierung.
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Clara Sasse

Unternehmensberaterin People Advisory Services
Ernst & Young GmbH
Clara Sasse ist Organisationspsychologin und als Unternehmensberaterin im Bereich People Advisory Services bei EY in Berlin tätig. Ihr Augenmerk beim digitalen Wandel richtet sich insbesondere auf die Veränderungen der Arbeitswelt und die Fragestellung, wie Mitarbeiter in diesem Change Prozess begleitet werden müssen.

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