Sprachbarrieren

Arbeitsrecht

Eine Verpflichtung zur ausschließlichen Nutzung der Landessprache in Arbeitsverträgen ist europarechtswidrig. Das entschied jüngst der Europäische Gerichtshof.

Ein Dekret der Flämischen Gemeinschaft (Belgien) schreibt vor, dass Arbeitsverträge bei dortigem Betriebssitz in Flämisch abzufassen sind; Nichtbeachtung führt zur Feststellung der Nichtigkeit des Arbeitsvertrages von Amts wegen, ohne jedoch Nachteile für Arbeitnehmer oder Rechte Dritter nach sich zu ziehen. Ein niederländischer Staatsbürger mit Wohnsitz in den Niederlanden, der bei einem multinationalen Konzern eines Drittstaates mit Niederlassung in Belgien als Chief Financial Officer beschäftigt war, besaß einen Anstellungsvertrag in Englisch.

Im Rahmen seiner Klage gegen die Höhe der Abfindung der ebenfalls in Englisch abgefassten Kündigung entschied der Europäische Gerichtshof am 14.4.2013 (C-202/11), dass sich beide Parteien des Arbeitsverhältnisses auf die unionsrechtliche Freizügigkeit bei Ausübung beruflicher Tätigkeiten berufen könnten. Die Verpflichtung zu beziehungsweise der Vorrang einer niederländischen Fassung des Arbeitsvertrages stelle jedenfalls bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine unzulässige Beschränkung der Freizügigkeit als eine der europäischen Grundfreiheiten dar.

Eine solche Beschränkung sei nur gerechtfertigt, wenn mit ihr ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, sie geeignet ist, dessen Erreichung zu gewährleisten und wenn sie streng verhältnismäßig ist. Zwar dürfe ein Mitgliedsstaat eine Politik zum Schutze und Förderung seiner Amtssprache verfolgen, sozialen Schutz durch sozialversicherungsrechtliche Dokumente in der Muttersprache befördern und die Überwachung durch die Gewerbeaufsicht erleichtern. Bei Arbeitsverträgen mit grenzüberschreitendem Charakter müsse aber eine freie Einigung zwischen den Parteien möglich sein, wonach sie ihren Vertrag in einer anderen Sprache als der Amtssprache des Mitgliedsstaates schließen dürften. Eine verbindliche Fassung in einer anderen, allen Vertragsparteien geläufigen Sprache beeinträchtige die Freizügigkeit weniger als im Falle des belgischen Dekrets, das daher nicht angemessen sei.

In Deutschland finden sich nur ganz ausnahmsweise Vorschriften zur Verwendung einer bestimmten Sprache, etwa bei Merkblättern für Leiharbeitnehmer oder bei Seearbeitszeitnachweisen. Hingegen kann und sollte ein deutscher Arbeitgeber ohne weiteres die entsprechenden Informationen gemäß dem Nachweisgesetz in der jeweiligen Muttersprache des Arbeitnehmers erteilen. In zahlreichen anderen Ländern Europas gibt es Gesetze zum Schutz der Landessprache, etwa in Polen, Frankreich, den baltischen Staaten, der Slowakei, Mazedonien und Norwegen, die unter Umständen auch im Arbeitsverhältnis zu beachten oder im Lichte des vorliegenden Urteils neu zu bewerten sind.

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Reinhold Kopp

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