Stereotype wirken unterschwellig

Personalmanagement

Auch Personaler sind nicht vor unbewussten Vorannahmen im Job gefeit. Wichtig ist, die eigenen Wahrnehmungen und Entscheidungen zu reflektieren. Schließlich kann das Denken in Stereotypen negative Folgen für ein Unternehmen haben.

Vorurteile – nein, so etwas gibt es bei uns erfahrenen Personalern nicht! Aber beginnen wir doch mit einem kleinen Test: Zwei neue, Ihnen bislang unbekannte Kolleginnen haben sich zu einem Gespräch angemeldet, Frau Sánchez Marín und Frau Schmidt. Welche Bilder haben Sie vor Augen, wenn Sie diese Namen hören? Klar, Frau Schmidt ist Deutsche, wahrscheinlich eher blond und relativ hellhäutig. Frau Sánchez Marín spricht sicherlich Spanisch, hat vermutlich dunkle Haare und dunkle Augen. Tatsächlich entspreche ich als rothaarige Rheinländerin nicht unbedingt der Vorstellung, die mein Familienname Sanchez auslöst. Und wahrscheinlich geht es meiner brasilianischen Kollegin, Frau Schmidt, ähnlich. Vor allem, da ihre Deutschkenntnisse mit „Guten Tag“ komplett erschöpft sind. Jeder Mensch trifft in alltäglichen Situationen unbewusste Vorannahmen. Im Alltag sind sie meist harmlos und auch unvermeidbar, geben sie doch Orientierung in einer komplexen Welt. Müssten wir jede Entscheidung bewusst treffen, wären wir nicht überlebensfähig. Und auch im beruflichen Kontext lassen sich vorauseilende Vor­annahmen nicht verhindern und das sollte auch nicht das Ziel sein. Man kann und muss sich dieser Mechanismen aber bewusst werden, sie durch gezieltes Training reduzieren und lernen, seine eigenen Wahrnehmungen und Entscheidungen zu reflektieren und einzuschätzen.

Deshalb ist das Thema „Unconscious Bias“ essenzieller Bestandteil des Diversity Management von Henkel. Denn wir sind davon überzeugt, dass die unterschiedlichen Denk- und Arbeitsweisen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeblich zu unserem wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Diese Vielfalt unserer Belegschaft möchten wir weiter fördern. Voraussetzung dafür ist, dass wir Andersartigkeit und Unterschiedlichkeit nicht nur zulassen und akzeptieren, sondern begrüßen und bewusst als Vorteil nutzen. Und dabei beziehen wir uns nicht nur auf sichtbare Unterschiede wie Geschlecht, Nationalität oder Alter.

Dabei möchte ich betonen: Das Thema ist kein Personalthema allein. Das Phänomen „Unconscious Bias“ betrifft alle Führungskräfte im Unternehmen und wir überprüfen regelmäßig alle unsere Prozesse, um das Denken in Stereotypen bei Personalentscheidungen zu verhindern.

Denn diese Denkmuster haben auch sehr konkrete Auswirkungen auf unser Geschäft: Wir sind ein global tätiges Unternehmen und agieren in hochkompetitiven und komplexen Märkten. Um auf die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden einzugehen, brauchen wir Teams, die die Vielfalt unserer Märkte widerspiegeln. Gerade bei der Einführung neuer Produkte können unbewusste Vorannahmen gravierende Auswirkungen haben.

Kulturelle Besonderheiten verstehen

Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen will eine neue, ökologische Zahnpasta auf den Markt bringen. In Deutschland wird mit ökologischen Produkten oft die Farbe Grün assoziiert; daher wäre die Zahnpasta hier vielleicht grün-weiß und das käme bei den deutschen Konsumenten gut an. In einigen Ländern jedoch symbolisiert die Farbe Grün allgemein eher etwas Giftiges, und das würde bei dem Vertrieb einer Zahnpasta nicht unbedingt förderlich sein. Dieses simple Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, die lokalen und kulturellen Bedingungen unserer Konsumenten zu verstehen. Das geht aber – überspitzt formuliert – nicht, wenn ein Team bestehend aus rein deutschen, männlichen Mitarbeitern in China ein neues Haarpflegeprodukt für die weibliche Kundschaft auf den Markt bringen will.

Unser Gehirn strebt nach Effizienz und möchte möglichst ressourcenschonend arbeiten. Wir denken daher in Stereotypen und greifen auf bereits gespeicherte und erlernte Prozesse zurück. Das Ergebnis zeigt sich nicht allzu selten in homogenen, gewachsenen Teams. Denn gleich und gleich gesellt sich nun mal gern. Genau hier ist gutes Personalmanagement gefragt. Der Schlüssel ist die Sensibilisierung und Schulung der Führungskräfte.

Bei Henkel haben wir verschiedene Instrumente entwickelt, um „Unconscious Bias„ bei Personalentscheidungen entgegenzuwirken. So erfolgt die erste Auswahl der Bewerber allein anhand von detaillierten Kandidaten-Profilen. Anschließend führen wir kompetenzbasierte Interviews, auf die wir unsere Personalverantwortlichen intensiv vorbereiten. Sie werden zum Beispiel trainiert, in den Gesprächen neutrale Beobachtungen zu notieren und persönliche Interpretationen zu vermeiden. Zudem setzen wir bei den Personalgesprächen gezielt unterschiedliche Gesprächspartner ein, um das Risiko von unbewussten Vorannahmen zu verringern. Bei der Neueinstellung haben wir die Anforderung, dass unter den letzten Bewerbern mindestens einer ein Diversity-Kriterium erfüllen muss – in Hinblick auf zum Beispiel kulturellen Hintergrund, Geschlecht oder Alter. Letztlich bekommt aber der beste Kandidat den Job. Wir sind keine Freunde von fixen Quoten.

Gerade bei der Förderung oder auch Beförderung von Mitarbeitern müssen wir Prozesse schaffen, die der Gefahr von unbewussten Vorannahmen entgegenwirken. Wir achten daher bei der jährlichen Evaluation unserer Mitarbeiter darauf, diese zu vermeiden: Mitarbeiter werden nicht etwa allein von dem jeweiligen Vorgesetzten bewertet, sondern von einer heterogenen Gruppe von Führungskräften – und zwar nach transparenten und weltweit einheitlichen Kriterien. In dieser Bewertungsrunde ist auch immer jemand aus dem Personalbereich anwesend, um bewusst möglichen Stereotypen entgegenzuwirken.

Doch die Förderung einer offenen, vielfaltsfördernden Unternehmenskultur ist keine HR-Aufgabe. Keine Personalabteilung, und sei sie noch so gut und effizient aufgestellt, kann eine über Jahre gewachsene, monokulturelle Kultur aufbrechen. Vielfalt muss von der Unternehmensspitze erkannt, unterstützt, vorangetrieben und – ganz wichtig – vorbildhaft gelebt werden. Gleichzeitig müssen wir ein breites Bewusstsein dafür bei allen Mitarbeitern schaffen. Denn stereotype Sichtweisen wirken im Stillen und teilweise so unterschwellig, dass wir sie nicht bemerken. Bei uns im Unternehmen kommunizieren wir das Thema intern kontinuierlich und sehr aufmerksamkeitsstark. Das Motto der letzten internen Awareness-Kampagne lautete: „Inclusion starts with I.“ Inklusives Verhalten fängt bei jedem Einzelnen an. Wir alle müssen unser Denken und Handeln kritisch reflektieren. Und das jeden Tag wieder und in jeder Situation.

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Kirsten Sánchez Marín

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