Stolpersteine bei der Entsendung von Arbeitnehmern

Arbeitsrecht

Die Entsendung von Mitarbeitern in Unternehmensstandorte in anderen Ländern ist ein beliebtes Instrument zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Kooperation. Sowohl das Unternehmen als auch der Mitarbeiter können von dem Transfer von Know-how und der engeren Vernetzung mit ausländischen Niederlassungen profitieren. Bei der Vertragsgestaltung zur Entsendung eines Mitarbeiters gibt es jedoch einige Merkposten, die im Vorhinein zu beachten sind, um unschöne Überraschungen und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Gestaltung der Vertragsverhältnisse

Ist lediglich eine kurze Entsendung geplant und ändern sich zudem die Aufgaben des entsendeten Mitarbeiters nur unwesentlich, kann der Mitarbeiter auf Basis seines bisherigen Arbeitsvertrages und unter Abschluss einer ergänzenden Entsendevereinbarung im Ausland tätig werden.

Soll der Mitarbeiter hingegen für mehrere Jahre im Ausland eingesetzt werden und dabei wesentlich andere Aufgaben als bislang wahrnehmen, wird in der Praxis der mit dem entsendenden Unternehmen bestehende Arbeitsvertrag für den Zeitraum der Entsendung ruhend gestellt und entweder mit dem entsendenden Unternehmen oder der ausländischen Niederlassung ein neuer befristeter Arbeitsvertrag geschlossen. Das Mittel der Wahl ist immer häufiger ein „local plus contract“. Auf Basis der lokalen Arbeitsbedingungen einschließlich des dort üblichen Gehalts werden in einem solchen Vertrag zusätzlich die dem Mitarbeiter durch den Auslandseinsatz entstehenden Kosten abgebildet (zum Beispiel höhere Mietkosten, Umzugskosten oder Schulkosten für mitreisende Kinder). Dazu kann bei Bedarf ein dritter Vertrag als Klammer das Verhältnis der ersten beiden Vertragswerke und – wenn kein „local plus contract“ geschlossen wird – etwaige Sonderleistungen regeln.

Vorab sollte ferner geklärt werden, welches Recht für das Arbeitsverhältnis im Ausland Anwendung finden soll. Bei Einsätzen innerhalb der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) können Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der Rom-I-VO grundsätzlich frei vereinbaren, welches Recht dem Vertrag zugrunde liegt. Dabei ist lediglich zu beachten, dass durch die Rechtswahl zwingende arbeitnehmerschützende Vorschriften nicht umgangen werden dürfen. Das Prinzip der freien Rechtswahl gilt grundsätzlich auch bei einer Entsendung außerhalb von EU/EWR, wenngleich das Internationale Privatrecht des aufnehmenden Staats ähnlich der Rom-I-VO gewisse Einschränkungen vorsehen mag. Eine klare Rechtswahlvereinbarung ist gleichwohl das beste Mittel, um Streitigkeiten über das anwendbare Recht vorzubeugen.

Sozialversicherung

Bei einer Entsendung innerhalb der EU beziehungsweise des EWR kann der entsandte Mitarbeiter für einen Zeitraum von bis zu 24Monaten grundsätzlich im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben (vgl. Art.12 VO 883/2004). Bei einem geplanten längeren Einsatz kann die Weiterversicherung in Deutschland bei den zuständigen Behörden von Arbeitgeber und Arbeitnehmer – ohne Rechtsanspruch hierauf – beantragt werden.

Außerhalb der EU beziehungsweis edes EWR hat Deutschland mit einigen Staaten (beispielsweise Brasilien, Indien, USA) Sozialversicherungsabkommen geschlossen. Hier ist in jedem Einzelfall zu untersuchen, welche Bereiche der Sozialversicherung und welcher Entsendungszeitraum vom Abkommen abgedeckt werden. Im Falle einer Entsendung in einen Staat ohne Sozialversicherungsabkommen können die deutschen Regelungen fortgelten, wenn die Voraussetzungen des §4 Abs.1 SGB IV vorliegen. Um eine derartige „Ausstrahlung“ anzunehmen, ist eine fortbestehende organisatorische Eingliederung des Mitarbeiters in das deutsche Unternehmen einschließlich der Beibehaltung des Weisungsrechts notwendig.

Besteuerung

Deutschland hat mit vielen Staaten bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. In der Regel sind Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit danach in dem Staat zu versteuern, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte resultieren, ausgeübt wird (Erwerbsortprinzip). Eine Ausnahme hiervon kann gemacht werden, wenn der betreffende Arbeitnehmer sich nicht länger als 183 Tage im Jahr am Erwerbsort aufhält und seine Vergütung nicht von einer Einheit im aufnehmenden Staat gezahlt wird.

Empfehlung für die Praxis

Neben diesen rechtlichen Themen sollte der Mitarbeiter auch in kultureller und sprachlicher Hinsicht bestmöglich auf seinen Auslandseinsatz vorbereitet werden. Diesem Zweck dienen etwa Sprachkurse und ein mehrwöchiger Aufenthalt am Einsatzort bereits vor der eigentlichen Entsendung. Daneben sollte der Arbeitgeber den Mitarbeiter nach Möglichkeit bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft und gegebenenfalls Schulen für mitreisende Kinder unterstützen.

Zusätzlich zu den oben genannten rechtlichen Aspekten können je nach konkretem Einsatz weitere Elemente von Bedeutung sein, etwa die Vereinbarung eines Gerichtsstands in den Verträgen oder der regelmäßigen Übernahme von Reisekosten sowie die rechtzeitige Bemühung um Visa, Arbeitserlaubnis etc.

In vielen Fällen wird es notwendig sein, sich Rechtsrat von Anwälten einzuholen, die mit dem Rechtssystem im aufnehmenden Staat vertraut sind. Dies betrifft besonders die Entsendung in Länder außerhalb der EU/des EWR. Gerade in komplizierteren Konstellationen können nur so eine umfassende kompetente Beratung und der reibungslose Ablauf der Entsendung sichergestellt werden.

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Lisa Müller, Foto: Privat

Lisa Müller

Rechtsanwältin, Associate
Allen & Overy
Lisa Müller ist Rechtsanwältin bei Allen Overy LLP.

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