Verhandlungspflicht nicht gleich Abschlusspflicht

Arbeitsrecht

Eine tarifvertragliche Regelung, wonach Gehälter „durch Tarifvertrag sinngemäß anzupassen“ sind, beinhaltet keine Pflicht zum Abschluss eines bestimmten Tarifvertrags. Vielmehr besteht eine bloße Verhandlungspflicht der Tarifpartner, wie aus einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25. September 2013 hervorgeht (4 AZR 173/12).

Im Hinblick auf die Arbeitsverhältnisse der Mitglieder von Kulturorchestern hatte die klagende Gewerkschaft (Deut-sche Orchestervereinigung) mit dem beklagten Arbeitgeberverband (Deutscher Bühnenverein) seit mehreren Jahren Tarifverträge geschlossen. Eine Klausel in dem einschlägigen Tarifvertrag für Kulturorchester (TVK) enthält dabei eine Regelung, wonach bei Änderung der Arbeitsentgelte der unter den TVöD/VKA fallenden Beschäftigten die Vergütungen der Musiker, deren Arbeitgeber den TVöD/VKA anwendet oder anzuwenden hat, diesen Veränderungen durch Tarifvertrag „sinngemäß anzupassen“ sind. Eine entsprechende Klausel findet sich in dem genannten Tarifvertrag für unter den TV-L fallende Beschäftigte. Nach Ansicht der Gewerkschaft seien aufgrund dieser Vorschrift die letzten Entgelterhöhungen im TVöD/VKA beziehungsweise TV-L „eins zu eins“ in einem entsprechenden, auf die Mitglieder von Kulturorchestern anwendbaren Tarifvertrag umzusetzen.

Das BAG hat die Rechtsauffassung der Vorinstanzen bestätigt, wonach keine Verpflichtung des Arbeitgeberverbands besteht, einen bestimmten, von der Gewerkschaft formulierten Tarifvertrag abzuschließen.

Zwar könne sich ein solcher Anspruch durchaus grundsätzlich aus einem verbindlichen Vorvertrag oder aus einer vorher vereinbarten tariflichen Regelung ergeben. Eine solche Verpflichtung zur Zustimmung zu einem von der anderen Seite formulierten Tarifvertrag könne aber nur dann bestehen, wenn sich sowohl der darauf gerichtete Bindungswille als auch der hinreichend konkretisierte Inhalt der angestrebten Tarifeinigung aus der verpflichtenden Regelung selbst ergebe. Dies bedeute für den Inhalt des angestrebten Tarifvertrages regelmäßig, dass es nur eine einzige, der Vorgabe entsprechende Regelungsmöglichkeit geben dürfe. Bei Nichterfüllung dieser Voraussetzungen bestehe – wie hier – lediglich eine (qualifizierte) Verhandlungspflicht der Tarifpartner.

Aus der von den Parteien verwendeten Formulierung der „sinngemäßen Anpassung“ ergibt sich zumindest nicht der hinreichend konkretisierte Inhalt der angestrebten Tarifeinigung. So hätten die Tarifpartner vielmehr vereinbaren müssen, dass eine inhaltsgleiche Übernahme der im TVöD/VKA beziehungsweise TV-L vereinbarten Entgelterhöhungen erfolgt. Wünschen die Tarifpartner eine entsprechende Umsetzung von in anderen Tarifverträgen erfolgten Entgelterhöhungen, so sollten sie eine entsprechend klare und deutliche Formulierung wählen.

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Dominik Gallini

Rechtsanwalt
Osborne Clarke

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