Verlust von Exklusivität

Leadership

Berufliches Reisen wird heute oft als Belastung angesehen, meint Stefan Vorndran. Er ist Experte für Geschäftsreisen und im Vorstand des Deutschen Reiseverbands. Im Interview erklärt er, was sich in den vergangenen Jahren verändert hat, warum für ihn eine Reiserichtlinie unumgänglich ist und welche Trends das Reisen aktuell verändern.

Noch bevor die erste Frage gestellt ist, will Stefan Vorndran etwas loswerden. Das Interesse am Thema Reisemanagement freut ihn. Denn immer wieder komme in seinem Berufsalltag die Frage auf, wo dieser Bereich im Unternehmen überhaupt angesiedelt sein sollte. Noch zu oft ist dies seiner Ansicht nach eine Aufgabe des Finanzressorts und würde daher eher unter dem monetären Gesichtspunkt gesehen werden. Dabei gehe jedoch der Fokus darauf verloren, wie man das Reisen so gestalten kann, dass es vielleicht auch noch ein Stück weit Spaß macht, wie er sagt.

Herr Vorndran, sind Geschäftsreisen heute weniger spaßig als früher?
Für einen Großteil der Reisenden ist das eine Belastung. Vor allem das ganze Kurz- und Mittelstreckengeschäft. Das sind Arbeitstage, die alles andere als witzig sind, wenn Sie morgens früh um sechs in den Flieger steigen und abends um zehn zurückkommen. Gerade im Hinblick auf die Vielreisenden, die „Road Warriors“, wie ich sie nenne, wird man als Unternehmen daher großes Interesse daran haben, Reisen so zu gestalten, dass sie diese weiterhin motiviert antreten.

Eine klassische Aufgabe für die Personalabteilung, oder?
Ich glaube, dass wir da in den nächsten Jahren eine Veränderung erleben werden. Das Thema wird wieder stärker in den HR-Bereich rücken und die reinen Finanzkennzahlen werden ein Stück weit weniger relevant. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gerät der Reisende wieder stärker in den Mittelpunkt. Und wenn mich mein Arbeitgeber unterstützt und mir die Reisen so angenehm wie möglich gestaltet, dann zahlt das auch auf die Arbeitgebermarke ein.

Warum sind die Geschäftsreisen heute belastender als früher?
Vor zwanzig Jahren war das noch etwas Exklusives. Wenn man aber heute an einen Flughafen kommt, dann drängen sich da die Menschen. Fliegen ist heute vergleichbar mit Busfahren, ein Massentransportmittel. Man steht in Warteschlangen und muss das Prozedere an der Security über sich ergehen lassen. Dann gibt es Termindruck, Flugausfälle oder Streiks. Dazu sind die Taktungen enger geworden. Da hat sich das Arbeitsleben für Geschäftsreisende schon maßgeblich verändert.

Dabei könnte man meinen, aufgrund moderner Kommunikationsmittel seien heute eher weniger Geschäftsreisen notwendig.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Wirtschaft hat sich globalisiert. Selbst der Mittelständler, der früher seine Kunden nur in Deutschland hatte, agiert inzwischen weltweit. Die Reiseströme haben sich dadurch dermaßen intensiviert und verändert, das ist schon beeindruckend. Im letzten Jahr gab es zum Beispiel zehn Millionen Geschäftsreisende, gut sechs Prozent mehr als 2012.

Sie empfehlen, Geschäftsreisen zu einem strategischen Managementthema zu machen. Warum?
Es geht dabei darum, die Unternehmensziele und das Thema Reisemanagement miteinander zu verbinden. Die Reiseausgaben sind sehr hohe Kostenblöcke in den Unternehmen. Und in der Regel managt man alle Bereiche, in denen man hohe Ausgaben hat, auch strategisch. Hinzu kommen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer und der Kampf um gute Fachkräfte. Dann wird klar, dass es ein strategisches Thema ist.

Ist eine Reiserichtlinie dafür unerlässlich?
Natürlich müssen Sie das Thema ein Stück weit reglementieren und Vorgaben machen. Sonst bucht jeder, wie er gerade lustig ist. Dann bucht vielleicht ein Mitarbeiter bei einer bestimmten Airline, um deren Meilen für die nächste Privatreise nutzen zu können. Daran kann der Arbeitgeber kein Interesse haben. Genauso muss der Einkauf beachtet werden. Ein größeres Unternehmen vereinbart schließlich mit Hotels und Airlines bestimmte Volumina, um Rabatte zu bekommen. Wenn ich das Reiseverhalten also nicht in gewissem Maße steuere, funktioniert das nicht.

Man könnte aber auch sagen, eine Reiserichtlinie ist veraltet, sie passt nicht in die moderne Arbeitswelt, wo die Selbstverantwortung des Mitarbeiters gefördert werden soll.
Das ist eine ganz interessante Diskussion, die da aktuell stattfindet. Daher denke ich, dass man heute intelligente Reiserichtlinien haben muss. Das heißt eben nicht, den Mitarbeiter zu gängeln. Sondern ihm einen Rahmen vorzugeben, innerhalb dessen es sich zu bewegen gilt. Außerdem darf auch hier die Fürsorgepflicht nicht vergessen werden. Der Arbeitgeber hilft bei Auswahl und Selektion, er übernimmt dabei Verantwortung, beispielsweise wenn er sagt, dass mit bestimmten Fluglinien nicht geflogen wird – zum Schutz des Mitarbeiters. Das gesunde Maß ist entscheidend.

Spielen die Kosten die Hauptrolle bei diesen Entscheidungen? Was ist mit anderen Aspekten wie Pünktlichkeit oder Sicherheit?
Die Kosten sind mit Sicherheit nicht nebensächlich. Aber sie sind auch nicht das einzige Auswahlkriterium. Im Fokus steht – das zeigt auch unsere Studie „Chefsache Business Travel 2014“ – die schnellste Verbindung, die Geschwindigkeit. Aber auch da sind wir wieder beim Faktor Kosten. Wenn ein Reisender zwischendurch vier Stunden Aufenthalt hat, muss ich mich als Unternehmer schon fragen, ob es die Kosteneinsparung wert war oder ob der Mitarbeiter in der Zeit nicht sonst schon wieder an seinem Projekt gearbeitet hätte. Man muss die Gesamtkosten betrachten. Die schnellste Verbindung ist heute – auch unter Stressaspekten – ein ganz wichtiges Kriterium, wenn der Preis in Relation steht.

Welche Trends gibt es bei Geschäftsreisen, spielt beispielsweise Nachhaltigkeit eine Rolle?
Da enttäusche ich Sie ungern, aber das Thema Green Travel ist wie eine Art Jojo-Effekt, und das seit Jahren. Es poppt immer mal wieder hoch, verliert sich dann aber wieder. Inzwischen ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Es gibt zwar ein paar Unternehmen, die ihre CO2-Emmissionen kompensieren, aber es ist nicht so, dass so etwas absolut im Vordergrund stünde. Das geht – auch vor dem Hintergrund der schnellsten Verbindung – etwas verloren.

Welche Trends können Sie dann ausmachen?
Ganz klar das Thema Mobile. Die Kommunikation wird auf sogenannte Online Booking Engines und auf mobile Applikationen verlagert. Man will über das Smartphone alle relevanten Informationen zu den geplanten Reisen haben. Da wird sich auch das Kommunikations- und Buchungsverhalten noch weiter ändern. Was ich daneben als großen Trend sehe, ist das Thema Car Sharing. Das wird bisher zwar schon wahrgenommen von uns allen, trotzdem sind viele Reisende noch sehr bequem und springen als erstes in ein Taxi. Da wird es auch noch große Veränderungen geben. Reisende werden mit diesen Produkten ausgestattet werden und dadurch können noch weitere Kosteneinsparungen stattfinden.

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Kathrin Justen

Kathrin Justen ist Verantwortliche für People and Culture bei der Digitalberatung Digital Dna und arbeitet nebenberuflich als freie Journalistin.

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