Von Human Resources zu The Human Side of Business

Future of Work

Human Resources kann weit mehr sein als nur die Personalabteilung. Das ist auch notwendig, wenn es eine Beitrag dazu leisten will, die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen zu sichern.

Seitdem 2011 zur Hannover Messe erstmalig der Begriff Industrie 4.0 vorgestellt wurde, hat sich die Bezeichnung 4.0 verselbstständigt. Seit 2014 sind auch die Begriffe HR 4.0 und Personal 4.0 dazu gekommen. Wie bei neuen Begriffen üblich, ist bisher noch nicht eindeutig, was sich alles hinter diesen beiden Schlagworten verbirgt. Der folgende Artikel versucht für den sogenannten White-Collar-Bereich die Themen und Fragen zu definieren, die für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen aus HR-Sicht besonders relevant sind.

Die erste für Personaler wichtige Frage ist die nach den Berufen der Zukunft. Eine Oxforder Studie von 2013 geht davon aus, dass in den kommenden 20 Jahren knapp 50 Prozent aller Berufe in den USA verschwinden werden. Je nach Studie werden 50 bis 70 Prozent aller in diesen Jahren geborenen Kinder eines Tages in Berufen arbeiten, die es aktuell noch nicht gibt. HR muss stärker als bisher diese Entwicklung beobachten und sich fragen, welche Berufe in der Zukunft benötigt werden, wie sie aussehen und welche Berufe keine Zukunft haben werden. Und es sollte aktuelle Berufe durch die richtige Weiterbildung so gestalten, dass diese zukunftsfähig bleiben.

Fachleute der Zukunft

Die zweite wichtige Frage ist die nach den Fachleuten der Zukunft. In den Zeiten von Internet und Big Data ist die Beschaffung von Information mit wenig Aufwand verbunden. Dank Smartphone ist jegliche Information in kürzester Zeit verfügbar. Die Tiefe des Wissens wird möglicherweise unwichtiger. Wichtiger wird vermutlich ein neuer Expertentyp, der als Tandem mit technischen Geräten agiert und der in der Lage ist, relevante Information von irrelevanter zu unterscheiden. Dies lässt sich anhand einer Beobachtung im Schach illustrieren. Nachdem kein Mensch mehr in der Lage ist, die besten Schachcomputer zu schlagen, hat sich eine neue Form des Schachs entwickelt in dem Mensch und Maschine gegen andere Maschinen antreten. Dabei hat sich gezeigt, dass selbst die Kombination von mittelstarkem Computer und guten, aber nicht überdurchschnittlichen Schachspieler die besten Schachcomputer schlagen kann. Die Fähigkeit Technik nicht nur als Hilfsmittel, sondern als Verstärkung von Fähigkeiten zu sehen wird immer wichtiger. HR muss in Zukunft nicht nur nach den Soft Skills im Umgang mit Menschen, sondern auch im Umgang mit Technik fragen.

Daten sinnvoll auswerten

Die dritte Frage ist die nach der Auswahl der richtigen Kandidaten. In den letzten Jahren hat sich die Diskussion um die digitale Herausforderung für HR auf diesen Punkt fokussiert, verbunden mit der Forderung die sozialen Medien stärker bei der Rekrutierung zu nutzen. Mehr als bisher müssen die Plattformen im Internet in der Lage sein, die Passgenauigkeit von Kandidat und Arbeitgeber zu verifizieren und so eine Vorauswahl zu treffen.

Neue Nahrung dürfte in diesem Kontext auch die Diskussion bekommen, ob man bei der Einstellung lediglich ein Interview oder zusätzlich noch Tests durchführt. In den Zeiten von Big Data wird es einfacher werden, verschiedene Tests miteinander zu vergleichen, um herauszufinden welche am besten den langfristigen Erfolg eines Kandidaten vorhersagen. Allerdings nutzen wir mit Big Data lediglich die Daten der Vergangenheit und können damit nur bestimmen, dass es ein bestimmter Kandidat mit einem bestimmten Profil in der Vergangenheit geschafft hat, Karriere zu machen. Ebenso werden wir auch in der Zukunft mit Big Data nicht in der Lage sein, herauszufinden, ob ein Kandidat auch in ein bestimmtes Team oder zur Kultur eines Unternehmens passt. HR muss lernen, stärker als bisher die eigene Erfahrung mit Daten zu kombinieren, um so die richtigen Kandidaten für ein Unternehmen zu finden.

Festanstellung oder Freiberuflichkeit

Die vierte Frage beschäftigt sich damit, ob es zukünftig eine Präferenz für feste Arbeitsverträge oder freie vertragliche Vereinbarungen geben wird. Technisch wird es immer einfacher, für eine Tätigkeit oder ein Projekt einen Mitarbeiter zu finden. Durch die großen Karrierenetzwerke steht HR inzwischen für fast jede Tätigkeit ein globaler Bewerberpool zur Verfügung. Wenn Plattformen an die Stelle von Vermittlungsfirmen treten, dürfte die Einstellung von freien Mitarbeitern zudem günstiger werden. Die Festanstellung dürfte aber dennoch nicht an Bedeutung verlieren. Im Gegenteil könnte der War for Talents die Zahl der Festanstellungen sogar erhöhen, da gerade kleinere Unternehmen bei diesem Wettbewerb sonst ins Hintertreffen geraten könnten. Die Aufgabe von HR ist es hier, das richtige Modell für die jeweiligen Unternehmen zu finden, aber auch sicherzustellen, wie das Wissen in den Unternehmen bleibt, wenn ein Vertrag beendet wird.

Die fünfte Frage betrifft den Arbeitsplatz, da durch Laptop und Mobiltelefon zumindest die meisten Bürotätigkeiten in der Theorie von überall aus erledigt werden könnten. Historisch gesehen ist das Unternehmensgebäude nur der Ort in dem die Arbeitsgeräte standen und müsste, wenn die Arbeitsplätze variabel sind, theoretisch an Bedeutung verlieren.

Der Arbeitsplatz – ein sozialer Ort

Bemerkenswerterweise ist allerdings zumindest in Deutschland die Zahl derjenigen, die von zuhause arbeiten seit 2000 ständig zurückgegangen. Immer deutlicher wird damit, dass der Arbeitsplatz auch ein sozialer Ort ist. HR muss mehr als bisher auch bei der Gestaltung von Gebäuden tätig werden, um sicherzustellen, dass der Arbeitsplatz nicht nur eine Stillarbeitsstätte, sondern auch Ort des persönlichen wie auch kreativen Austauschs ist, zum Beispiel in dem es Kaffeeküchen, Kantinen und andere Begegnungsräume stärker in den Mittelpunkt rückt wie dies in Silicon Valley Unternehmen bereits geschieht.

Die sechste Frage betrifft die Gesundheit der Arbeitnehmer. Die gesundheitlichen Nachteile der digitalen Revolution sind in den letzten Jahren immer deutlicher geworden. Burnout aufgrund des Zwangs zu ständiger Bereitschaft wird bereits seit einigen Jahren diskutiert. Die Thematik reicht aber weiter: Internetsucht droht in den kommenden Jahren den Alkohol als am weitesten verbreitete Sucht abzulösen. Für HR dürfte dies ein größeres Problem werden, als dies der Alkoholismus jemals war, da der Computer Arbeitsgerät und Suchtobjekt in einem ist. Bislang ist dies nur als Problem bekannt. HR muss in den kommenden Jahren darauf Antworten finden.

Die oben genannten Themen sind nur einige besonders wichtige Bereiche. Die fortschreitende Digitalisierung wird in den kommenden Jahren weitere Fragen aufwerfen. Auf keinen Fall sollten Personaler dem Trugschluss erliegen, aktuelle Entwicklungen einfach nur linear fortzuschreiben. Die Zukunft ist nach einem Buzzword aus Silicon Valley disruptiv, das heißt neue, unvorhergesehene Erfindungen lenken die wirtschaftliche Entwicklung in neue Bahnen und verändern alte Geschäftsmodelle.

HR als Change-Management-Abteilung

HR kann diese Zukunft aber in entscheidender Weise mit beeinflussen. Mehr als jemals zuvor wird HR zur Change-Management-Abteilung. Es sollte stärker als bisher den Wandel mitgestalten, indem es zum Anwalt der menschlichen Seite des Fortschritts wird, da der Mensch in Zukunft nicht mehr den wichtigsten sondern den einzigen Unterschied zwischen Unternehmen darstellt. Je technischer und automatisierter Organisationen werden, umso austauschbarer werden sie. Nur der Mensch entscheidet, ob ein Unternehmen im Wettbewerb erfolgreich ist.

Bei jeder Veränderung sind für Unternehmen vier Faktoren relevant: was ist technisch, was ist finanziell, was ist rechtlich und was ist menschlich möglich. Was technisch möglich ist, wurde oben skizziert. Was rechtlich möglich ist, werden wir vermutlich erst in den nächsten Jahren feststellen. Die menschliche Seite des Wandels sollte mehr denn je die Domäne von HR sein. Hier geht es nicht allein darum, wie wir in Zukunft arbeiten wollen, sondern auch wie wir in Zukunft leben wollen. Human Resources kann weit mehr sein als die Personalabteilung. Human Resources könnte in Zukunft The Human Side of Business sein.

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Dirk Ollmann

HR Specialist

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