Was Manager von Tauchern lernen können

Personalmanagement

Mit Druck und Ungewissheit müssen nicht nur Taucher umgehen, sondern auch Manager. Bodo Antonić weiß, worauf es in Extremsituationen ankommt.

Führen Sie häufig unter Druck und Ungewissheit? Dann sollten Sie tauchen lernen, denn unter Wasser ist diese Herausforderung die Regel. Die Atemluft ist begrenzt, das Gelände unbekannt, das Wasser häufig trüb. Tauchern dient das Sicherungsseil zum Boot als Richtschnur. Daran entlang erkunden sie das Terrain und finden wieder nach oben zu Licht und Luft.

Auch als Manager, zumal als Manager auf Zeit, braucht man seine Richtschnur. Für mich, der ich tauche und als Interimsmanager im Einsatz bin, ist das die Formel „4+4“: vier Schritte, um unter Zeitdruck und in unklaren Verhältnissen schnell die Wende zum Besseren einzuleiten plus vier Hebel, um in verfahrener Lage mit Wucht und Wirkung eine Veränderung herbeizuführen.

Vier Schritte für die Wende

Unter Wasser geht es um Leben oder Tod, im Unternehmen oft um Weiterbestand oder Insolvenz. In beiden Welten helfen vier konsequente Schritte, wieder Land zu sehen.

Schritt 1: Wahrnehmen

In unbekannten Gewässern ist nicht alles, wie es scheint. Wenn ich Kraken suche, können leere Seeigelschalen der verlässlichere Hinweis auf sie sein als schemenhafte Gebilde im Lichtkegel. Auch im Unternehmen gilt es, Signale zu lesen und zu verstehen. Denn nur weniges wird dem Interimsmanager auf dem Silbertablett serviert. Deuten Sie daher, was nur verklausuliert gesagt wird. Ihre Wahrnehmung muss im Wortsinn geschärft sein für das, was nicht offensichtlich ist.

Schritt 2: Kommunizieren

Unter Tauchern ist eine eindeutige Verständigung mit nur 15 Zeichen überlebensnotwendig. Missverständnisse und Verzögerungen können wir uns nicht leisten. Im Unternehmen unter Druck gilt das nicht minder: Reden Sie Klartext und warten sie nicht zu lange! Wohin geht die Reise? Was ist zu tun? Worauf kommt es an? Positionieren Sie sich eindeutig, um auch verstanden zu werden.

Schritt 3: Entscheiden

Unter Wasser bestimmt die verbleibende Atemluft jede Aktion. Auch wenn nicht alle Informationen lückenlos vorhanden sind, müssen Entscheidungen gefällt werden. Wenn die Zeit knapp ist, kann nicht jedes Wenn und Aber abgewogen werden. Folgen Sie Ihren Grundsätzen und Werten. So bleiben Sie auch in unklarer Lage entscheidungs- und handlungsfähig. Im Unternehmen steht dabei der Kunde immer im Vordergrund: Welchen Nutzen hat Ihr Vorhaben für ihn? Die wenige Zeit und alle Kraft, die es braucht, die spärlichen Informationen zusammenzusammeln, gelten ihm.

Schritt 4: Fokussieren

Hektischer Aktionismus und überflüssiger Ballast sind beim Tauchen gleichermaßen fatal. Halten Sie sich an ihre Ziele und Pläne. Alles andere kostet Kraft und Zeit. Das gilt auch im Unternehmen unter Druck. Tun Sie nur das Notwendige und reagieren Sie flexibel auf kurzfristige Änderungen, ohne den Kurs aufzugeben. Er ist Ihr Sicherungsseil.

Vier Hebel für Wucht und Wirkung

Wenn in kürzester Zeit eine nachhaltige Veränderung erreicht werden soll, kommt der zweite Teil der Formel „4+4“ zum Einsatz: Setzen Sie vier Hebel gezielt an und verstärken Sie durch ihr Zusammenspiel die Wirkung um ein Vielfaches.

Hebel 1: Mitarbeiter

Hinter Daten und Fakten steht die Leistung von Menschen. Stellen Sie sich nur zwei Fragen und wagen sie eine schnelle, konsequente Einschätzung: Wer hat das Problem ausgelöst? Norden Sie diese Mitarbeiter ein oder setzen Sie sie frei. Wer kann das Problem lösen helfen? Stärken und fördern Sie diese Mitarbeiter. Nichts verändert die Verhältnisse wirksamer als Taten, die demonstrieren, wohin die Reise geht.

Hebel 2: Sprache

Wer Wirkung erzeugen will, muss die Sprache im Unternehmen beeinflussen und die eigene gezielt einsetzen.

Die Sprache des Unternehmens verrät, wie es um den Betrieb steht: Was wird wie gesagt? Was ist wirklich gemeint? Wird verschleiert, abgewiegelt, angeschuldigt? Wie die Menschen miteinander und übereinander reden zeigt, wie sie miteinander umgehen und ob sie für Lösungen noch erreichbar sind. Wer Verhalten ändern will, sollte bei der Sprache, die gesprochen wird, anfangen.

Hier kommt die eigene Sprache ins Spiel. Wie der Manager unter Druck spricht, klärt die Verhältnisse und fördert die Kultur. Streichen Sie verschleiernde Begriffe aus Ihrem Wortschatz! Nutzen Sie stattdessen Worte und Sprachbilder, die motivieren und das Ziel vor Augen führen. Keine Buzzwords, kein Technokratendeutsch, sondern klare Gedanken und klare Worte tun not.

Hebel 3: Spielregeln

Setzen Sie notwendige Spielregeln durch und werfen Sie Ballast ab: Ist dieser Report wichtig? Liest ihn überhaupt jemand? Welche Relevanz hat dieses Meeting? Dient es dem Kunden oder ist es nur Businesstheater? Mit einem kleinen, schlagkräftigen Repertoire an Routinen und Regeln wird die Organisation schnell, kreativ und flexibel.

Hebel 4: Werte

Werte sind der wichtigste Hebel. Sorgen Sie dafür, dass diese nicht nur klar beschrieben, sondern auch verstanden und gelebt werden. Werte helfen allen im Unternehmen, den Kurs zu finden, Entscheidungen zu treffen und den Fokus zu bewahren. Selbst und gerade dann, wenn die Lage noch unklar und die Zeit knapp ist.

 

(c) Bodo Antonić
Die Pyramidenlogik, wenn unter Zeitdruck in Unternehmen schnell eine Wende zum Besseren eingeleitet werden muss.

 

Wenn Sie diese vier Hebel geschickt betätigen, entfalten sie ihre potenzierende Wirkung. Wer beispielsweise Spielregeln abschafft und neu setzt, verändert das Verhalten der Mitarbeiter, die Sprache und die Werte im Unternehmen. Wer Werte neu setzt, beeinflusst Spielregeln, Mitarbeiter und Sprache. Und so fort. So wirkt jeder einzelne Hebel verstärkend auf die anderen.

Tun statt Theorie

Um unter extremen Bedingungen die Wende zum Besseren herbeizuführen, braucht es jene Wucht und Wirkung, die das Zusammenspiel dieser vier Hebel entfaltet. Managementtheorien mögen erklären und in vielen Fällen nützlich sein. Unter Druck und Unsicherheit können Sie sich aber nicht mit Theorien aufhalten. Weder unter Wasser noch im Unternehmen. Hier helfen nur Professionalität, Fokussierung und Explorationstechniken, was bei Tauchern selbstverständlich ist – und bei Managern zum Rüstzeug werden sollte. Damit Ihnen und dem Unternehmen nicht vorzeitig die Luft ausgeht.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
(c) privat

Bodo Antonić

Dr. Bodo Antonić ist als Interimsmanager seit 20 Jahren unter Extrembedingungen im Einsatz: kurzfristig, unter Druck, auf begrenzte Zeit. Hierbei hat er einen unverstellten Blick auf die Herausforderungen im Management entwickelt, den er mit seiner Taucherfahrung abgleicht und in Veröffentlichungen und Vorträgen anschaulich vermittelt.

Weitere Artikel