Was sich bei der betrieblichen Altersversorgung ändert

Arbeitsrecht

In einem zweiten Anlauf hat das Bundeskabinett sich am 21. Dezember 2016 nun auf einen Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes geeinigt. Der Regierungsentwurf sieht grundlegende Veränderungen der betrieblichen Altersversorgung vor. Unter anderem soll erstmals eine reine Beitragszusage als Form der betrieblichen Altersversorgung anerkannt werden. Vorgesehen ist ein sogenannte „Sozialpartnermodell“, das eine Alternative zu einem gesetzlich obligatorischen Betriebsrentensystem darstellen soll. Mit der gesetzlichen Änderung sollen Anreize auch für kleine und mittelständische Unternehmen geschaffen werden, ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung anzubieten. Sollte der Entwurf in dieser Form wie geplant zum 1. Januar 2018 in Kraft treten, ergeben sich einige interessante Neuregelungen für Arbeitgeber.

Einführung einer reinen Beitragszusage
Neben den bisherigen Zusageformen soll eine reine Beitragszusage auf Basis von Tarifverträgen eingeführt wer-den. Der Arbeitgeber muss danach allein die vereinbarten Beiträge zur Altersversorgung entrichten ohne weitere Verpflichtungen einzugehen („pay and forget“). Die Zahlung des Arbeitgebers an die durchführende Versorgungs-einrichtung hat schuldbefreiende Wirkung.

Die für die übrigen Zusageformen in § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG geregelte Einstandspflicht des Arbeitgebers findet nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG-E auf reine Bei­tragszusagen keine Anwendung. Der Arbeitgeber haftet insbesondere nicht für ein bestimmtes Leistungsvolumen. Dies gilt selbst dann, wenn später zugesagte Leistungen der Versorgungseinrichtung ausfallen sollten. Auch die Anpassungsregelungen des § 16 BetrAVG finden auf die reine Beitragszusage keine Anwendung. Es besteht außerdem keine Insolvenzsicherungspflicht nach den §§ 7 ff. BetrAVG.

Durchgeführt werden kann die reine Beitragszusage im Wege eines Pensionsfonds, einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung. Eine Einmalzahlung kommt im Rahmen der reinen Beitragszusage nicht in Betracht. Mög­lich sind nur laufende Versorgungsleistungen. Die Anwart­schaften aufgrund einer reinen Beitragszusage sind sofort unverfallbar, unabhängig davon, ob sie arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert sind.

Tarifliche Grundlage
Eine betriebliche Altersversorgung im Wege der reinen Beitragszusage kann der Arbeitgeber nur einführen, wenn er durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung zur Leistung von Beiträgen verpflichtet wird. §1 Abs.1 Nr.2a BetrAVG-E enthält eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen. Die wesent­lichen Regelungsinhalte müssen jedoch im Tarifvertrag festgeschrieben werden. Die Tarifvertragsparteien müssen sich außerdem an der Durchführung und Steuerung der neuen Versorgungsform über eine gemeinsame Einrich­tung nach §4 TVG oder auf andere Weise beteiligen.

In diesem Zusammenhang ist relevant, dass nach §5 Abs.1a Satz1 Nr.2 TVG Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, die eine betrieb­liche Altersversorgung i.S.d. BetrAVG zum Gegenstand haben, unter erleichterten Voraussetzungen für allgemein­verbindlich erklärt werden können.

Die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelungen kann bei fehlender Tarifbindung auch individualrechtlich vereinbart werden. Ist ein „einschlägiger“ Tarifvertrag jedoch nicht vorhanden, kann eine betriebliche Altersver­sorgung im Wege der reinen Beitragszusage nach dem aktuellen Gesetzesentwurf nicht vereinbart werden.

Entgeltumwandlung
Auch für die Entgeltumwandlung kommt nach dem Regie­rungsentwurf die reine Beitragszusage in Betracht. Soweit der Arbeitgeber bei einer Entgeltumwandlung im Wege der reinen Beitragszusage Sozialversicherungsbeiträge erspart, muss er nach §23 Abs.2 BetrAVG-E einen Arbeitgeberzuschuss in Höhe von mindestens 15Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzu­schuss an die Versorgungseinrichtung zahlen.

Opting-Out-Modell
Erstmals soll eine Entgeltumwandlung automatisch erfol­gen können. Nach der bisherigen Rechtslage muss der Arbeitnehmer dem Abschluss einer Entgeltumwandlungs­vereinbarung aktiv zustimmen. Nunmehr soll auch in einem Tarifvertrag geregelt werden können, dass der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer oder für eine Gruppe von Arbeitnehmern eine automatische Entgeltumwandlung einführt, gegen die der Arbeitnehmer ein Widerspruchs­recht hat (Optionssystem).

Das Angebot des Arbeitgebers auf Entgeltumwandlung soll dann als angenommen gelten, wenn der Arbeitnehmer nicht widersprochen hat und das Angebot in Textform mindestens drei Monate vor der ersten Fälligkeit des um­zuwandelnden Entgelts gemacht worden ist. Der Arbeit­geber muss außerdem deutlich darauf hinweisen, welcher Betrag und Vergütungsbestandteil umgewandelt werden soll und den Arbeitnehmer ausführlich über sein Widerspruchsrecht informieren. Auch durch diese auto­matische Einführung einer Entgeltumwandlung soll die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung erhöht werden.

Übertragung einer betrieblichen Altersversorgung
Verlangt der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber­wechsel die Übertragung seiner bisherigen Versor­gungszusage mit Leistungsgarantie, kann diese sogar auf die neue Versorgungsform der reinen Beitragszu­sage übertragen werden. In diesem Fall wird der bishe­rige Arbeitgeber von seiner Einstandspflicht aus §1 Abs.1 Satz3 BetrAVG frei, obwohl den neuen Arbeit­geber eine solche Einstandspflicht nicht trifft.

Hinweise für die Praxis
Mit der Möglichkeit einer reinen Beitragszusage fällt eines der Hauptargumente für Arbeitgeber, keine betriebliche Altersversorgung anzubieten, weg. Da die Möglichkeit einer reinen Beitragszusage nach dem bisherigen Gesetzesentwurf allerdings nur dann eröffnet ist, wenn ein entsprechender Tarifvertrag einschlägig ist, bleibt abzuwarten, ob das Ziel der stärkeren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen erreicht werden kann. Jedenfalls für tarifgebundene Arbeitgeber oder Arbeitgeber, die in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fallen, können sich bereits durch den aktuellen Gesetzesentwurf des Betriebsrentenstär­kungsgesetzes interessante Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der betrieblichen Altersversorgung eröffnen, die insbesondere das Risiko einer späteren Ausfallhaf­tung reduzieren können.

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Tanja Diepold

Rechtsanwältin
Osborne Clarke

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