Wie man HR Analytics sinnvoll einsetzt

Personalmanagement

Unternehmen sammeln täglich Daten über ihre Angestellten. Aber wie können sie diese sinnvoll nutzen? Über die Möglichkeiten von HR und People Analytics.

Unter HR Analytics oder People Analytics versteht man Projekte, die Daten von Mitarbeitern und Arbeitnehmern nutzen, aktiv sammeln und auswerten. Initiiert von großen Firmen kann HR Analytics auch in kleineren und mittelständischen Unternehmen Entscheidungsfindungen unterstützen. Wir zeigen in diesem Artikel, was sich hinter HR Analytics verbirgt und wie People Analytics mit Personal Key Performance Indizes (KPI Personal) eingesetzt werden kann. Gerade im Bereich predictive HR Analytics kann man Entscheidungen bereits im Voraus analysieren. Dadurch steht ein Analysetool zur aktiven Gestaltung zukünftiger Entwicklungen im Bereich Human Resources zur Verfügung.

Personalmanagement im Laufe der Zeit

Einer Studie der Fachhochschule Koblenz zufolge werden Mitarbeitern in Personalabteilungen häufig Attribute wie kompetent, hilfsbereit und vertrauenswürdig zugesprochen. Dagegen hat die Personalabteilung in Hinblick auf Innovationsfähigkeit und aktivitätsbezogene Kompetenzen noch viel Luft nach oben. Als Bindeglied zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern kommen dem HR Management häufig negativ erlebte Aufgaben zu. Positive Nachrichten übermittelt dagegen direkt der Vorgesetzte.

Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Personalabteilung häufig nur reagieren kann: etwa auf eine Kündigung, auf ein erhöhtes Arbeitspensum oder auf eine Vertragsverletzung. Dieses negative Image relativiert sich mit dem Einsatz von HR Analytics. Anhand von definierten Key Performance Indizes (KPI Personal) werden Ziele des Personalmanagements aufgestellt und überwacht. Mit predictive HR Analytics kann man auf Basis bestehender Daten Prognosen für zukünftige Entwicklungen treffen. Dadurch verändert sich die Rolle des Personalmanagements als rein reagierende, defensive Abteilung hin zu einer selbstständig und vorausschauend handelnden Einheit.

Etablierte Methoden neu eingesetzt: HR Analytics

HR Analytics stellt dem Personalmanagement objektive Entscheidungshilfen zur Seite. Die zu untersuchenden Fragestellungen formuliert man dabei vorab als Hypothesen in Bezug auf einen sogenannte Key Performance Index (KPI Personal).

Einige wichtige Beispiele für KPI Personal sind:

  • Arbeitsausfall: Anzahl der Abwesenheitsstunden pro Woche/Monat/Jahr
  • Überstunden: Anzahl der bezahlten Mehrarbeit in Stunden pro Woche/Monat/Jahr
  • Mitarbeiterproduktivität
  • Rekrutierungsrate: relative Häufigkeit rekrutierter Bewerber pro Stellenanzeige/Inserat/Kanal …
  • Time to fill: Zeit in Tagen/Monaten, bis eine offene Stelle besetzt ist
  • Fluktuationsrate: Anzahl der Monate, die die Mitarbeiter im Schnitt im Unternehmen verbleiben.

Daten werden durch People Analytics zu Erkenntnissen

Die wichtigsten Daten zu den KPI Personal liegen den Personalabteilungen bereits vor, etwa in Form von Personalakten, Lohnabrechnungen oder Stundenzetteln. Allerdings archivieren und verwalten viele Unternehmen diese Daten nur, statt sie zu lesen und zu verstehen.

Da es sich um personenbezogene Daten handelt, ist besondere Umsicht mit den Daten notwendig. Grundsätzlich müssen Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte unterrichtet werden und ihre Zustimmung zur Datenauswertung erteilen. Die persönlichen Rechte, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, müssen gewahrt bleiben – eine anonymisierte Auswertung sollte deshalb selbstverständlich sein.

Typische Fragestellungen für HR Analytics

Von vorausschauender Personalplanung profitieren nicht nur Unternehmer, sondern in großem Maße die Mitarbeiter selbst.

Bei welchen Abteilungen oder Mitarbeitern sind Abwanderungen zu erwarten?

Auf Basis der Personaldaten können Altersstrukturanalysen helfen, rechtzeitig für eine stabile und produktive Arbeitsumgebung zu sorgen. So kann man beispielsweise untersuchen, welche Arbeitnehmer wahrscheinlich in den Ruhestand gehen, Altersteilzeit, Mutterschutz oder Elternzeit beanspruchen oder wieder im Unternehmen tätig werden. Eine Abwanderung wertvoller Mitarbeiter kann man so durch frühzeitige Maßnahmen verhindern.

Um Aussagen im Sinne der People Analytics zu treffen, verwenden Analysten Prognosemodelle. Dazu nutzen sie bereits vorliegende Daten, um zukünftige Ereignisse vorherzusagen. So kann man beispielsweise Faktoren herausarbeiten, die dazu führen, dass Mitarbeiter nach Ende der Elternzeit abwandern. In welchen Merkmalen unterscheiden sich Arbeitnehmer, die eine Elternzeit in Anspruch nehmen und anschließend nicht mehr zurückkehren von Mitarbeitern, die wieder einsteigen? Wie lange dauert es, bis Mitarbeiter nach der Familienzeit wieder voll arbeiten? Die Ergebnisse werden Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt.

In einem Beratungsfall hat sich die Bindung eines Mitarbeiters während der Arbeitspause als ein entscheidender Faktor für den späteren Wiedereinstig gezeigt und die Dauer der Pause herausgestellt. Die Entscheidungsträger haben mit diesem Wissen zukünftig die Möglichkeit, die Bindung beispielsweise durch persönliche Kontakte, Anrufe, Einladungen zu Firmenevents etc. zu erhöhen und damit einer Abwanderung vorzubeugen.

Was brauchen die Mitarbeiter?

Einen weiteren wichtigen Einsatzbereich stellt die Bindung von Mitarbeitern und die Sicherstellung derer Zufriedenheit dar. Durch die aktive Fürsorge um das Wohl der Mitarbeiter wird die Bindung an das Unternehmen erhöht, eine Wissensabwanderung unterbunden und die Arbeitseffizienz deutlich gesteigert. (vgl. z.B. Schuler, H. (Hrsg.) 2004: Organisationspsychologie – Grundlagen und Personalpsychologie, S. 597 – 672)

Mit einer Mitarbeiterbefragung können Faktoren herausgearbeitet werden, die Einfluss auf Zielvariablen wie Arbeitszufriedenheit nehmen. Gerade bei mulitattributiven Konstrukten ist eine Abdeckung aller Aspekte wesentlich. Die Arbeitszufriedenheit ermittelt man über Fragebögen, die verschiedene Skalen messen: Arbeitstätigkeit, Organisation, Anreizsysteme, Arbeitsbedingung, Betriebsklima, unmittelbare Arbeitsumgebung und viele mehr. Jede Dimension wiederum verfügt selbst über ein breites Spektrum von Items, die man zu einem Konstrukt zusammenfasst. Für viele Aspekte existieren bereits validierte Fragebögen, teilweise müssen Anpassungen (z.B. Übersetzung) vorgenommen werden.

Eine Auswertung der Befragung bringt Potenziale und Herausforderungen zum Vorschein. Gruppenanalysen beispielsweise auf Abteilungsebene, nach Altersgruppen oder Gender ermöglichen eine differenzierte Beurteilung.

Warum verlassen Mitarbeiter das Unternehmen?

Statistische Auswertungen helfen dabei, wertungsfrei die Ursachen für die Abwanderung von Mitarbeitern zu analysieren. Mit Verlaufsanalysen abgewanderter Arbeitnehmer werden Ereignisse wie Lohnsteigerung, persönliche Verhältnisse, Anzahl der Fortbildungen in Zusammenhang, Führungswechsel, Versetzung mit der Kündigung gebracht. Zeitliche Aspekte sind ebenfalls zu berücksichtigen: Welche Zeitspanne liegt zwischen der letzten Lohnerhöhung und der Kündigung?

Diese Informationen decken nicht nur Zusammenhänge zwischen Kündigung und möglichen Einflussfaktoren auf, sie können auch im Sinne von predictive Analytics genutzt werden, um wertvolle Mitarbeiter zu halten. Stellen sich beispielsweise Assoziationen zwischen Gehaltserhöhung und Kündigung heraus, so kann man automatisiert aktuelle und zukünftige Mitarbeiter identifizieren, die „unter Risiko“ stehen. Der Führungsebene steht es frei, eine Gehaltserhöhung frühzeitig zu einleiten.

Welche Kompetenzen besitzen die Mitarbeiter und wie können diese weiter gefördert werden?

Durch gezielte Analyse können Kompetenzen der Mitarbeiter effizient eingesetzt werden. Fortbildungen kann man so passgenau anbieten und die Weitergabe innerhalb des Unternehmens gezielt initiieren. Eine Auswertung der besuchten Fortbildungen lässt Tendenzen erkennen. Haben sich die Interessen eines Mitarbeiters zeitlichen Verlauf verändert? Welche Fort- oder Weiterbildungen haben sie abgelehnt? Mit welcher Häufigkeit haben sie fachfremde Fortbildungen besucht? Die Antwort auf die Frage kann man wiederum nutzen, um Mitarbeiter gezielt anzusprechen. Man kann ihnen beispielsweise Aufbaukurse anbieten, die sie dann mit großer Wahrscheinlichkeit auch interessieren. Ähnliche Verfahren finden auch im Online Marketing erfolgreich Anwendung.

Limitationen und Vorbehalte gegenüber HR Analytics

Trotz des großen Potenzials datengestützter Entscheidungshilfen bestehen vielfach Vorbehalte gegenüber People Analytics. Hier spielt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine wesentliche Rolle. Diese seit 2018 verbindlich geltende Verordnung stellt personenbezogene Daten unter besonderen Schutz. Dabei steht jeder Person das Recht auf alle sie betreffenden Daten zu.

Dieser besondere Schutzstatus steht allerdings in keinem Widerspruch zu einer professionell und verantwortungsvoll durchgeführten predictive HR Analytics. Erfahrungsgemäß lösen sich viele Vorbehalte auf, wenn klargestellt ist, dass in den Entscheidungsprozessen keine Zuordnungen der Daten zu Mitarbeitern notwendig sind. Zum Beispiel benötigt man für die Analyse von Abwanderungen der Mitarbeiter Daten über die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, den Kündigungsgrund sowie Informationen über mögliche Einflussvariablen. Das Abwanderungsrisiko kann und muss man vollständig anonymisiert durchführen.

Trotz aller Vorteile darf man bei der Anwendung von HR Analytics nicht vergessen, dass alle getroffenen Aussagen mit Fehlerwahrscheinlichkeiten behaftet sind. HR predictive Analytics liefert keine absoluten Aussagen, es bleibt immer ein Restrisiko bestehen. Dieses Restrisiko kann man zwar beliebig klein ansetzen, es wird allerdings nie gänzlich verschwinden. So bleibt die endgültige Entscheidung dem HR Management überlassen.

Vorteile und Potenzial vor allem für mittelständische und kleine Unternehmen

Zugegeben, kleine und mittelständische Firmen verfügen nicht über die Ressourcen großer Unternehmen im Bereich Personalmanagement, können sich aber beispielsweise über externe Dienstleister behelfen.

Die Vorteile der HR Analytics sind für kleine und mittelständische Unternehmen mindestens ebenso attraktiv:

  1. Verbesserung der Entscheidungen im Personalmanagement
  2. Überprüfung der Effizienz von geplanten Maßnahmen
  3. Umstrukturierung von einer reagierenden Abteilung zu einer strategisch handelnden und vorausschauend planenden Einheit.

Das Potenzial von HR Analytics ist immens. Der Aufwand für die Gewinnung wertvoller Informationen aus vorhandenen Daten relativ gering. Dabei ist mit HR Analytics kein starres Konzept vorgegeben, vielmehr können individuelle Entscheidungsprozesse vorausschauend unterstützt werden.

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Robert Grünwald, Geschäftsführer der Novustat Statistik

Robert Grünwald

Dr. Robert Grünwald ist Geschäftsführer der Novustat Statistik-Beratung. Er führt dort mithilfe modernster Analysetechnologien Analysen und Studien zur Optimierung des Personalmanagements durch. Novustat ist eine Statistik-Beratung, die sich auf Mitarbeiterbefragungen spezialisiert hat.

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