„Wir wollen die Basis für eine neue HR-Community legen“

Personalmanagement

Die HR Excellence Awards werden bald zum fünften Mal verliehen. Wir sprachen mit Jury-Präsident Jörg Ritter über Inspiration und Innovation für HR und seine persönliche Sicht auf den Award.

Am 2. Dezember werden in Berlin wieder die HR Excellence Awards vergeben. Inzwischen hat die Jury auch die Shortlist der Nominierten veröffentlicht.

Herr Professor Ritter, Sie haben in diesem Jahr zusammen mit Nicole Heinrich den Juryvorsitz der HR Excellence Awards übernommen. Wie ist die Idee einer Doppelspitze entstanden?
Die Jury ist mit 39 Mitgliedern sehr groß. Da ist es gut, wenn man im Vorsitz jemanden aus der Praxis mit operativer Verantwortung hat – und jemanden aus der Beratung. Nicole Heinrich und ich sind die „zwei aus 39“, die die Juryarbeit koordinieren. Zugleich sind wir ein Juryteam, das nicht von Einzelpersonen dominiert wird. Das wäre auch nicht gut.

Welche Aufgaben kommen auf Sie beide zu?
Wir wollen und müssen uns mit den eingereichten Projekten beschäftigen. Der Award hat eine gewisse Bedeutung in der Community. Hinzu kommt, dass wir in diesem Jahr das Forschungsprojekt „Rethinking HR“ initiiert haben. Hierzu haben wir in der jüngsten Ausgabe des Human Resources Manager einen Essay geschrieben, und es war auch Thema auf dem Personalmanagementkongress. Wir werden als Jury darauf schauen, inwieweit die Beiträge in den 23 Kategorien auf die neuen Erfordernisse zum Rethinking HR einspielen. Nicole Heinrich und ich werden das als Co-Leader vorantreiben – nicht im Sinne einer Beeinflussung, sondern im Sinne einer strategischen Zukunftsrichtung. Das wird die Jury-Arbeit noch mehr bestimmen, als es vielleicht im Vorjahr der Fall war.

In die HR-Profession ist in den letzten Jahren Bewegung gekommen, nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung. Wird man das den Einreichungen anmerken?
Ich hoffe doch! Digitalisierung als alles dominierender Trend schlägt auch auf HR durch: HR-Analytics, Shared Services Center, Talent Management, all diese Bereiche sind zunehmend digital unterlegt. Im Wettbewerb geht es um die Frage, ob die Einreichungen das Potenzial haben, die Organisationsentwicklung in den Unternehmen zu beeinflussen. Und hier sind wir bei der Digitalisierung, denn durch sie werden Geschäftssysteme von Unternehmen ganzheitlich verändert – das erlebe ich gerade sehr deutlich in meiner Praxis. Die Frage lautet nun, wer der Treiber dieser Veränderung ist: Ist es HR, oder sind es die normalen Verdächtigen, die für das Business zuständig sind? Mein Eindruck ist: Es mangelt derzeit noch an proaktiven HR‘lern, die sagen: „Wir müssen die Organisation in diese oder jene Richtung bringen“. Hier wollen wir mit zu einer Veränderung beitragen.

Ist das ein Wendepunkt für HR – wird es Zeit, diese Entwicklung selbst voranzubringen?
Wir reden jetzt schon eine Weile davon, dass „People“ wichtig, wenn nicht sogar alles sind – und dass ein Unternehmen sich danach auszurichten habe. Das setzt aber voraus, dass die HR-Verantwortlichen auch mit entsprechenden Budgets ausgerüstet werden! Ich könnte viele Beispiele nennen, wo die Gravitas und Akzeptanz der handelnden Personen klar damit korreliert, welche Budgets, Entscheidungen und Kompetenzen man ihnen in der Organisation zubilligt. „Heads of“ sind demnach (auch weiterhin) entscheidend für die Struktur, die Akzeptanz und den Respekt ihres Bereiches.

Rechnen Sie diesbezüglich mit Überraschungen bei den Einreichungen?
Das werden wir sehen. Möglicherweise wird es ganz neue Definitionen von HR-Verantwortungen und Anforderungsprofilen geben. So ist – Stichwort Digitalisierung – durchaus denkbar, dass HR komplett in Shared Services aufgeht, während Talent Management und Führung zu Themen werden, die die normalen Führungskräfte wahrzunehmen haben. Ich rechne mit einer sehr breiten Palette, hoffentlich auch mit kontroversen Einreichungen, die uns weiter bringen in der Diskussion um Rethinking HR. Das wird übrigens auch ein großes Thema auf dem Personalmanagementkongress im nächsten Juni.

Sie sind bei Egon Zehnder seit über 20 Jahren in der HR-Welt und halten zudem eine Professur mit Schwerpunkt im Bereich Personal und Organisation. Können Sie aus den HR-Excellence-Projekten etwas mitnehmen für Ihre Arbeit in den anderen Bereichen?
Ja, auf jeden Fall. Wir hatten zum Beispiel gerade ein hochspannendes Modul im ersten Studiengang, in dem es um Kompetenzen und Potenzial, um „Interviewing“ und Performance Management-Systeme ging. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir wertvolle Impulse aus den Einreichungen bekommen werden zu bestimmten Schwerpunkten, die zukünftig die inhaltliche und strategische Arbeit von HR ausmachen. Zugleich sollen und werden die besten Ideen auch in die Inhalte der Module des Studiengangs einfließen. Lassen Sie es mich deutlich sagen: Wir wollen diesen Studiengang zu einem Highlight machen, in dem die Basis für eine andere, eine neue HR Community gelegt wird.

Wie ist das, wenn Sie die Projekte betrachten und bewerten – blickt da bildlich gesprochen durch das eine Auge der Praktiker und durch das andere der Wissenschaftler?
Ja. Es gibt sehr pragmatische Vorstellungen und Ansätze, die aus dem täglichen doing in den Unternehmen, aus einer praktischen Erfahrung heraus kommen. Zugleich müssen wir die Dinge sauber, das heißt wissenschaftlich und theoretisch fundiert aufbauen. Derzeit wird beispielsweise häufig versucht, Dave Ulrich und ähnliche Konzepte zur Anwendung zu bringen. Das ist vielfach noch völliges Neuland. Wenn ich als HR in solch einem Neuland überzeugend argumentieren will, brauche ich eine theoretische Basis. Allerdings hinkt gerade in der Organisationsentwicklung die Wissenschaft oftmals der Praxis hinterher – sagen zumindest die Praktiker. Wir brauchen mehr theoretisch fundierte Modelle, die unmittelbar angewandt werden können und dabei echten Nutzen stiften.

Ist es schwierig, Projekte zu vergleichen und ausgewogen zu bewerben, die mit ganz unterschiedlichen Budgets und Organisationsstrukturen unterlegt sind?
Die Kategorien haben unterschiedliche Dimensionierungen. So unterscheiden wir klar zwischen Mittelstand und Konzernen ab 5.000 Mitarbeitern. Wenn Sie dann innerhalb einer Kategorie bewerten, ist das weitgehend unproblematisch. In der Jury wird es stark darum gehen, wie viel Impact die einzelnen Projekte haben: Geht es nur darum, ein spezielles System des jeweiligen Unternehmens zu perfektionieren, das kaum an anderer Stelle einsetzbar ist – oder hat das Konzept das Potenzial, eine Branche, eine Funktion über das Unternehmen hinaus zu revolutionieren oder zumindest stark evolutionär zu verändern? Genau dies muss die Jury versuchen zu evaluieren. Das wird nicht einfach, aber wir haben in der Jury sehr viel Expertise, so dass ich uns zutraue, dass wir zu fairen, nachvollziehbaren Bewertungen kommen.

Auf welche Kategorie freuen Sie sich besonders?
Mich interessiert zum Beispiel die effiziente Organisation von HR in dezentralen oder funktionalen Strukturen. Da erwarten wir Organisationsszenarien unterschiedlichster Art. Das ist das eine. Und das zweite ist, wie man mit neuen KPIs den HR-Bereich messbarer machen und auf seinen Impact ausrichten kann. Wir reden ja von der G3-Gruppe – also CEO, CFO und CHRO. Es spricht einiges für die Vermutung, dass zukünftige Heads of die besseren Nachfolger für CEOs sind, weil sie sich nicht mehr vorhalten lassen müssen, dass man ihren Beitrag nicht richtig messen könnte. Zugleich haben sie oft ein besseres Gefühl für die Organisation, für Positionsprofile und vor allem für Menschen, anstatt nur auf die Zahlen zu schauen. Es wäre schön, wenn wir das eine oder andere Beispiel dafür in den Einreichungen finden – als einen weiteren Beleg für „Rethinking HR“, wie wir es vorantreiben wollen.

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Sven Pauleweit

Sven Pauleweit

Ehemaliger Redakteur Human Resources Manager

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