Wissen, was man will

Employer Branding

Es scheint, Janina Kugel ist immer mittendrin, wenn es darum geht, Strukturen einzureißen und etwas Neues aufzubauen. Und sie ist erfolgreich damit. Kaum verwunderlich also, dass Siemens sie zurückgeholt hat.

Die Stimmung an einem Freitag um 16 Uhr ist doch immer gut, oder bei Ihnen nicht?“ In München ist es ein perfekter Altweibersommertag und Janina Kugel ist guter Dinge. Sie lacht, als sie auf die Frage antwortet, wie es denn heute so ausschaue bei Siemens am Wittelsbacherplatz Nummer Zwei.

Die vergangenen Monate waren spannend bei dem deutschen Technologieunternehmen. Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, dass Vorstandschef Joe Kaeser zusammen mit Finanzvorstand Ralf P. Thomas für das Unternehmen seine „Vision 2020“ und damit eine Neuausrichtung ausgerufen hat, wie sie in der Konzernhistorie kein zweites Mal zu finden ist. So einiges hat sich seitdem getan. Viele Bereiche, auch HR, haben sich neu aufgestellt. Seit Oktober ist die neue Struktur nun offiziell.

Mit Osram an die Börse

Aufbruchstimmung und auch Stolz schwingen in ihrer Stimme mit, als Janina Kugel auf die neue Struktur zu sprechen kommt, gleich und ohne große Umschweife. Sie leitet jetzt den Bereich People und Leadership, unter dem sich die Themen wie die HR-Strategie, das Talent Management und die Führungskräfteentwicklung oder auch das Employer Branding und Diversity zusammenfinden. Andere Bereiche wie Operations, Labor Relations und Shared Services liegen bei einem Kollegen von ihr.

Als Joe Kaeser im vergangenen Jahr den Vorstandsvorsitz übernahm, war Janina Kugel noch Chief Human Resources Officer bei Osram, damals auf dem Weg von einer hundertprozentigen Siemens-Tochter zu einem eigenständigen, börsennotierten Unternehmen. Osram suchte 2012 einen HR-Chef, der den Umbau begleiten und die HR-Funktion so aufstellen sollte, dass sie ohne die große Konzernmutter funktioniert.

Janina Kugel, die zu der Zeit für Siemens in Mailand arbeitete und das HR-Managements des Konzerns in Italien leitete, weiß bis heute nicht, wer sie damals empfohlen hat, aber es war die Aussicht auf eine globale Gesamtverantwortung und die Vorbereitung eines Unternehmens auf einen Börsengang, was sie überzeugte, zu Osram zu gehen. „Es war ein toller Schritt für mich und so ein Angebot gibt es schließlich nicht häufig im Leben. Und es gab damals nicht den Plan, dass ich nach dem Börsengang im Juli 2013 wieder zu Siemens zurückgehen würde“, erinnert sie sich. „Man kann nicht alles im Leben planen.“

Osram verließ sie schweren Herzens. Der Börsengang war geschafft und auch die Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Umstrukturierungen bei dem Leuchtmittelhersteller waren gerade abgeschlossen – wichtige Meilensteine für sie, um sich als Personalerin komplett zu fühlen. „Man muss wissen, was man will. Und wenn man bereit für etwas Neues ist, dann muss man das auch kundtun. Aber man sollte auch immer bereit sein für unerwartete Möglichkeiten“, sagt die 44-Jährige. Entscheidungen, die immer auch ein Kompromiss sind, zwischen dem, was man gerade will, und dem, was sich einem bietet. Und Janina Kugel weiß, was sie will. Das war auch so, als Siemens sie zurückholen wollte – ein Angebot, zu dem sie schlecht Nein sagen konnte.

Für die gebürtige Stuttgarterin ist Karriere eine Frage von Kompromissen. Und wenn sie das sagt, meint sie das aber keineswegs negativ, denn an den Spruch: „You can‘t have it all“ glaubt sie nicht. „Ich denke schon, dass man alles haben kann, nur nicht immer unbedingt zur gleichen Zeit.“ Es ist eine ganz pragmatische Einstellung, um den Prioritäten in ihrem Leben gerecht zu werden.

Ganz Familienmensch

Die erste Priorität hat für die Mutter von Zwillingen die Familie. Dass dieser Teil ihres Lebens mit dem Beruf harmoniert, ist für sie ein sehr wichtiger Punkt. „Ich habe das ganz offen adressiert, aber ich muss auch ehrlich sagen, dass das nie jemanden gestört hat“, erläutert sie. Als Führungskraft sicherlich eine Herausforderung, aber Janina Kugel meistert sie. Wenn ihre Kinder in die Schule müssen, geht sie mit aus dem Haus und versucht, um 18 Uhr wieder das Büro zu verlassen. Wenn sie reisen muss, ist es immer der erste Flug des Tages und nicht der letzte am Vorabend.

Der Arbeitsweg, die Bürozeiten, die Kommunikation, alles orientiert sich daran, möglichst viel für die Familie da zu sein. Dazu passt auch, dass sie sich abends wieder an die Arbeit setzt, „was ganz praktisch ist, weil ich locker um 21 Uhr noch meine Konferenzen mit der westlichen Hemisphäre führen kann und es für die Amerikaner sicher mal ganz angenehm ist, auch nachmittags mit Europa zu telefonieren“, sagt Janina Kugel. Vereinbarkeit ist möglich, man muss sich allerdings organisieren.

Die Frage, wie sie sich dabei fit hält, amüsiert sie. „Ich gehe früh ins Bett und wer wie ich viele Jahre in Italien gelebt hat, für den ist die Frage, welchen Kaffee man trinkt, sowieso leicht zu beantworten“, scherzt sie. Vormittags Cappuccino und nach zwölf Uhr Espresso – nur der Vollständigkeit halber.

Affinität zu Personalthemen

Es gibt dann eben andere Dinge, die hinten anstehen. Sport zum Beispiel – mehr als gelegentliches Joggen ist nicht mehr drin. Das Laufen ist ein Überbleibsel aus ihrer Zeit als Beraterin. Nicht weil heutzutage jeder durch die Straßen hetzt, sondern weil es im Koffer dafür nur die Laufschuhe braucht. Nach ihrem Abschluss in Volkswirtschaftslehre in Mainz ging sie 1997 nach Frankfurt zu Accenture, das damals noch Andersen Consulting hieß. Kennengelernt hatte sie das Geschäft im Nebenjob während des Studiums. Die hohe Dynamik, aber auch die Herausforderung, sich als Neuling schnell einarbeiten zu müssen, hatten sie gereizt. „Das hat mich sicher auch sehr in meinem eigenen Führungsstil geprägt“, sagt sie, „Leute on the Job anzulernen und ihnen schnelles Feedback zu geben, das ist etwas, mit dem sich Menschen wirklich schnell entwickeln können.“

Nach vier Jahren war für Janina Kugel dann aber der Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr fünf Tage die Woche unterwegs sein wollte, von Terminal zu Terminal, von einem Hotelzimmer ins nächste. „Mit 26 Jahren ist das noch toll, aber das ändert sich“, sagt Janina Kugel. Und das war es nicht mehr, was sie wollte. Ihre nächste Station war Siemens. 2001 wurde sie Director Group Strategy bei Siemens Communications – Telekommunikationstechnik, keine Pressearbeit. Sie arbeitete in München und ein Jahr in Peking.

Auch ihre Zukunft im HR-Management zu suchen, war eine Willensentscheidung, oder eine rein strategische, wie sie es beschreibt. Getroffen hat sie Janina Kugel 2005. Der damalige Siemens-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger suchte jemanden zur Unterstützung, der eine gewisse Affinität zu Personalthemen hatte und dabei helfen konnte, im Finanzbereich eine strategische Personalentwicklung aufzubauen.

Immer Neues gestalten

HR kannte sie aus einigen Beratungsprojekten. Trotzdem war es keine leichte Entscheidung für sie, hatte sie doch noch nie in einer Linienfunktion gearbeitet, und dennoch: „Für mich war das ein Einstieg, um über das Thema etwas Neues gestalten zu können. Das ist irgendwie etwas, das mir geblieben ist. Ich hatte immer mit Veränderungen zu tun, meist mit Situationen, in denen Dinge umgekrempelt werden müssen“, sagt Janina Kugel. Ohne Grund geschieht das sicherlich nicht. Ob bei einem Beratungsprojekt, bei Siemens in Italien oder Osram – Veränderungen zu gestalten, das liegt ihr.

Aber die Entscheidung für HR kann eine so rein strategische Entscheidung dann doch nicht gewesen sein, wenn man Janina Kugel so zuhört. „HR ist es, das ist kein Kompromiss“, antwortet sie auf die Frage, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt. Mehr sagt sie nicht, aber es klingt überzeugt. Zu einem anderen Zeitpunkt, vor 25 Jahren vielleicht, hätte es auch die Musik sein können. Sie spielt Klavier seit sie sieben ist, auch heute noch. Ihr Lieblingskomponist ist übrigens Chopin.

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Sven Pauleweit

Sven Pauleweit

Ehemaliger Redakteur Human Resources Manager

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