„Zukunftsthemen HR-verträglich erlebbar machen“

Recruiting

Joachim Diercks ist Geschäftsführer von Cyquest und Veranstalter der HR-Edge. Bei diesem HR-Branchentreffen soll es betont locker zugehen, man will auch weniger technikaffine Personaler mit HR-Zukunftsthemen in Kontakt bringen. Im Interview erzählt Joachim Diercks außerdem, warum aktuell so viele neue Konferenzformate aus dem Boden sprießen, warum es vor allem Recruiting-Themen sind, die dort eine Rolle spielen und wie er die aktuelle Debatte um Candidate Experience sieht.

Herr Diercks, den Blick in die Zukunft von HR zu richten, ist aktuell das bestimmende Thema der Zunft. Man kommt auf kaum einer Veranstaltung darum herum, auch Sie greifen es auf.
Ich habe den Eindruck, dass im HR insgesamt der Dornröschenschlaf ein Stück weit endet. Es passiert allerorten sehr viel, es sind eine Menge Startups im HR-Bereich unterwegs, und viele davon sind technologiebasiert. Früher ging es gemächlicher zu. Von daher bin ich davon überzeugt, dass Formate, die in einer HR-verträglichen Dosierung Zukunftsthemen erlebbar machen, ganz gut funktionieren können.

Wie sieht denn eine HR-verträgliche Dosis Zukunft aus?
Es darf nicht zu sehr vom allerneuesten technologischen Stand kommen. Nehmen wir mal das Thema Augmented beziehungsweise Virtual Reality. Das ist kein ganz neues Thema, und wenn man auf die Gamescom geht, kann man sich solche Brillen auch mal aufsetzen. Da geht aber typischerweise kein HRler hin. Deshalb war die Überlegung bei unserer Veranstaltung, der HR-Edge, dass wir das Thema rüber holen zu den Personalern, in eine Veranstaltung, bei der man das ausprobieren kann und nicht das Gefühl bekommt, technologisch so weit abgehängt zu sein.

Das klingt nach einer starken Diskrepanz zwischen einer Elite, die bei solchen Themen voranprescht und einer großen Masse, die damit noch gar nichts anfangen kann.
Ein bisschen ist das auch so. Allerdings hab ich die optimistische Hoffnung, dass sich diese große Masse von Personalern an denjenigen, die voranpreschen, orientiert. Dabei müssen sie sich auch nicht genauso gut mit den digitalen Themen auskennen, aber sie sollten sich davon inspirieren lassen und das ein oder andere für den eigenen Zweck übertragen. Da ist es gut, dass es auch einige Innovatoren im Corporate-Umfeld gibt, die Dinge ausprobieren und Erfahrungswerte sammeln. Es ist nur wichtig, dies auch auf HR zu übersetzen, dann hat man eine reelle Chance, diese nicht allzu technologieaffine Zielgruppe anzusprechen.

Und mit der HR-Edge wollen Sie diese Leute mitnehmen?
Genau. Wir wollen explizit Themen präsentieren, die vielleicht noch ein bisschen Zukunftsmusik sind und erst in zwei, drei Jahren ganz aktuell werden. Die wollen wir erlebbar machen. Zum Beispiel beim Thema Virtual Reality kann man sich eine Oculus-Rift-Brille aufsetzen und überlegen, was dies für das Personalmarketing bedeuten könnte. Oder das Thema Unternehmenskultur: Es wird die Möglichkeit geben, vor Ort einen Test zur Messung der unternehmenskulturellen Vorlieben zu machen, via Smartphone. Das soll das Kopfkino anregen, zeigen, was möglich ist.

Das Format ist bewusst anders als bei einer klassischen Konferenz, ebenso wie beispielsweise das HR Barcamp oder der Hackathon. Braucht es in HR diese neuen Formate, die jetzt überall aus dem Boden sprießen?
Es gibt offensichtlich eine offene Tür dafür. Wir veranstalten seit 2008 jährlich ein Branchentreffen, und damals hatte ich schon aufgrund der Rückmeldungen der Teilnehmer das Gefühl, dass dies als keine klassische Konferenz gesehen wurde, sondern in einem anderen, lockereren Rahmen. Wenn ich das heute betrachte, auch vor dem Hintergrund dieser Veranstaltungen, dann habe ich eher das Gefühl, dass das nicht mehr neu und frisch war sondern eher klassisch: Mehrere dreiviertelstundenlange Vorträge, dazwischen Kaffeepause und abends ein Glas Wein. Deshalb haben wir dem nochmal einen ganz neuen Dreh gegeben, wir wollten weg von dem „Setz dich hin und hör dir was an“. Es soll eher eine Art Afterwork-Veranstaltung sein, bei der das Meiste im Stehen stattfindet oder an Bistrotischen. Dabei gibt es keine Vorträge sondern Spotlights – fünfzehn- bis zwanzigminütige Impulse, die aber keine fertigen Antworten liefern, sondern in die Diskussion führen sollen.

Also soll alles noch ein bisschen lockerer werden.
Genau. Man soll in Bewegung bleiben, immer wieder auf neue Leute treffen und eben Dinge einfach mal ausprobieren und anfassen. Das kann ja auch Gesprächsanlässe bieten.

Warum geht es eigentlich bei diesen neuen, digital orientierten Branchentreffen vor allem um Recruiting-Themen?
Das ist tatsächlich kein Zufall. Wenn man beispielsweise auf das HR Barcamp geht, sind 70 Prozent der Themen Personalmarketing und Recruiting. Das entspricht nicht unbedingt den quantitativen Verhältnissen. Mein Eindruck ist, dass die Personalgewinnung eine etwas andere Magie versprüht als die anderen Disziplinen im HR. Und Recruiting ist eine so unglaublich schwierige Disziplin, die am Schluss auf ein ganz einfaches Ergebnis hinausläuft, nämlich eingestellt oder nicht eingestellt. Das fasziniert unheimlich, weil es so viele Stellschrauben gibt, die man falsch, richtig, anders oder besser einstellen kann. Deshalb sind das die Themen, die dem Personalwesen weiter vorne auf der Zunge liegen und häufiger diskutiert werden wollen.

Sie haben für 2015 das Jahr der Kandidaten ausgerufen. Steht die HR-Edge auch in diesem Zusammenhang?
Sie hängt damit zusammen. Das letzte Jahr haben wir ja so ein bisschen unter das Thema Berufsorientierung gestellt. Das hat damals unheimliche Kreise gezogen. Und auf der letztjährigen Tagung, der Recruiting 2015, ist die Idee entstanden, im nächsten Jahr die Frage zu stellen, ob wir mit unseren Bewerbern nicht anders umgehen und darüber ein bisschen den Fachkräftemangel lindern können. Daraus ist dann unter anderem die Bloggerchallenge geworden, die ich Anfang des Jahres gestartet habe und wir haben Candidate Experience als ein Schwerpunktthema für die diesjährige Veranstaltung gesehen. Ursprünglich wollten wir sie sogar nur unter dieses Thema stellen, das war uns aber zu dünn und wir haben uns für diesen Themenmix entschieden.

Mit dem Thema hatten Sie einen guten Riecher, es ist aktuell vieldiskutiert. Wie sehen Sie die Debatte?
Wir haben ja immer die Neigung in Deutschland, die Säue durchs Dorf zu treiben und wenn man ein Thema oft genug gehört hat, ist es verbraucht und verbrannt. Das ist es natürlich nicht, es ist immer noch Thema, und zwar ein wichtiges. Es wird viel darüber gesprochen und geschrieben, insbesondere in der Bloggerszene. Das führt in Summe zu einer Verbesserung der Situation, natürlich graduell, da wird nicht auf einmal ein Hebel umgelegt. Aber ich habe sehr den Eindruck, dass viele, die mit Personalgewinnung zu tun haben, sich einen Kopf darum machen, wie sie ankommen und was verbessert werden kann. Man sieht es auch am Candidate Experience Award, der ja auch ein Indiz dafür ist, dass die Vogel-Strauß-Haltung weg ist. Das wird dazu führen, dass sich die Situation verbessert, das muss sie aber auch.

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Kathrin Justen

Kathrin Justen ist Verantwortliche für People and Culture bei der Digitalberatung Digital Dna und arbeitet nebenberuflich als freie Journalistin.

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