Zutrittsrechte und Mitgliederwerbung der Gewerkschaft im Betrieb

Arbeitsrecht

Der Schutz der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) erfasst neben Tarifabschlüssen und Arbeitskampf die Werbung von Mitgliedern, von deren Zahl Bestand und Durchsetzungskraft einer Gewerkschaft abhängen. Gewerkschaften haben jedoch kein generelles Zutrittsrecht zum Betrieb. Auch Mitgliederwerbung von Gewerkschaften im Betrieb müssen Arbeitgeber keineswegs ausnahmslos dulden.

Kein generelles Zutrittsrecht

Betriebsexterne Gewerkschaftsbeauftragte haben kein generelles Zutrittsrecht zum Betriebsgelände beziehungsweise Betriebsgebäude, sondern sind durch das Hausrecht des Arbeitgebers beschränkt:

Ein gesetzliches Zutrittsrecht einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft besteht, soweit ein innerer Zusammenhang mit einer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe der Gewerkschaft vorliegt (§ 2 Abs. 2 BetrVG). Hierzu gehören Befugnisse im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl, die Teilnahme an Betriebsratssitzungen oder die allgemeine Unterstützungspflicht gegenüber dem Betriebsrat. Die Gewerkschaft muss ihren Besuch rechtzeitig (gegebenfalls auch kurzfristig) vorher ankündigen und kann Zeitpunkt und Dauer des Besuchs frei bestimmen. Eine Zustimmung des Arbeitgebers ist grundsätzlich nicht erforderlich, der Zutritt kann aber in Bezug auf einzelne Abteilungen etwa wegen Geheimhaltungs- oder Sicherheitsinteressen verweigert werden.

Zum Zwecke der Mitgliederwerbung ist einer Gewerkschaft Zutritt zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob Arbeitnehmer des Betriebs Mitglieder dieser Gewerkschaft sind. Die Häufigkeit des Zutritts zu diesem Zweck ist jedoch beschränkt, zumindest aber halbjährlich zu gewähren (BAG, Urteil vom 22.Juni 2010 – 1AZR 179/09). Darüber hinausgehende Werbemaßnahmen durch externe Gewerkschaftsbeauftragte sind je nach konkretem Anlass und besonderen Umständen (zum Beispiel im Falle eines Schichtsystems oder hoher Personalfluktuation) zulässig. Die Gewerkschaft hat diesbezüglich in der Regel eine Ankündigungsfrist von einer Woche einzuhalten.

Umfassendes Werberecht

Ebenso muss der Arbeitgeber gewerkschaftliche Mitgliederwerbung und Informationstätigkeit durch externe oder betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder nicht ausnahmslos dulden.

Werbemaßnahmen bedürfen grundsätzlich weder der Zustimmung des Arbeitgebers noch einer vorherigen Ankündigung. Die Gewerkschaft kann jedoch in der Regel auf Pausen, vor- oder nach der Arbeitszeit sowie in Räumlichkeiten, die eine konkrete Störung der Betriebsabläufe nicht nahelegen, verwiesen werden.

Eine Untersagung durch den Arbeitgeber kommt bei Eigentums- oder Betriebsablaufstörungen in Betracht, so etwa wenn die Gewerkschaft betriebseigene Drucker für Werbematerialien nutzt, Arbeitnehmer während der Arbeitszeit stört und von der Arbeit abhält oder Ein- und Ausgänge oder andere betriebliche Einrichtungen behindert.

Obwohl die Rechtsprechung gewerkschaftliche Werbeaktionen tendenziell wenig restriktiv beurteilt, sind Arbeitgeber nicht stets schutzlos:

  • Das Tragen von Gewerkschaftszeichen sowohl auf eigener als auch auf vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellter Dienst- oder Schutzkleidung ist nicht per se unzulässig. Der Arbeitgeber sollte sich aber zur Wehr setzen, soweit Kundenkontakt besteht, ihm gehörende Kleidung beschädigt oder verunstaltet wird oder die Funktionsträchtigkeit von Schutzkleidung eingeschränkt werden kann.
  • Der Arbeitgeber muss ein sogenanntes „wildes Plakatieren“ nicht dulden, das heißt Plakatwerbung der Gewerkschaft darf nicht an beliebiger Stelle im Betrieb erfolgen. Hingegen dürfen Plakataushänge am „Schwarzen Brett“ oder an für Bekanntmachungen genutzten Stellen nicht entfernt werden. Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls weitere Werbeflächen zur Verfügung stellen.
  • Das Verteilen von Informationsmaterial in Pausen- beziehungsweise Sozialräumen, Kantine oder auf dem Parkplatz ist zu dulden. Nach vorheriger Ankündigung ist jedoch davon auszugehen, dass der Arbeitgeber herumliegende Flyer beseitigen darf.
  • Die Gewerkschaft kann an Arbeitnehmer auch über das Intranet oder unter deren betrieblicher E-Mail-Adresse herantreten. Eine Überbeanspruchung der Speicherkapazität oder Überflutung mit E-Mails muss der Arbeitgeber jedoch nicht hinnehmen.

Fazit

Aus Arbeitgebersicht sollten der Zutritt betriebsexterner Gewerkschaftsmitglieder und gewerkschaftliche Werbeaktionen kritisch hinterfragt und geprüft werden, insbesondere im Hinblick auf deren Häufigkeit, Haus- und Eigentumsrechte des Arbeitgebers sowie Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs oder Betriebsfriedens.

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Jutta Heidisch, Foto: Privat

Jutta Heidisch

Rechtsanwältin
Allen & Overy
Jutta Heidisch ist Rechtsanwältin bei Allen & Overy LLP.

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