Veränderungen gehören zu unserem Alltag, sind aber dennoch für viele belastend. Bei nilo haben wir im letzten Jahr selbst eine ungemein große Veränderung erlebt: Nach dem Zusammenschluss mit Likeminded – der spannend und aufregend war und so viel vorangebracht hat – mussten wir uns auch damit auseinandersetzen, was Veränderungen für das Team bedeuten und welche Herausforderungen das mit sich bringen kann.
Für viele Mitarbeitende bedeutet Veränderung nicht nur neue Prozesse, sondern vor allem: Stress, Unsicherheit und manchmal auch Angst. Das ist menschlich, denn unser Gehirn reagiert auf Veränderungen zunächst mit Vorsicht. Neue Situationen werden als potenzielle Bedrohung bewertet, nicht als Chance. Doch wenn Veränderung gut gestaltet wird, kann sie auch als Chance erlebt werden – ein Impuls für Wachstum, Lernen und Zusammenarbeit.
Aus meiner Sicht scheitert die Veränderungsbereitschaft im Team oft an der Kultur im Unternehmen – und das hat viel mit psychologischer Sicherheit und der Rolle von Führungskräften zu tun. HR und Führungskräfte können in Zeiten der Veränderung einiges tun, um das mentale Wohlbefinden im Team in der Strategie und der Kultur des Unternehmens zu verankern. Mitarbeitende wiederum können auch auf individueller Ebene ihre Resilienz und ihren Umgang mit Veränderung stärken.
Warum Veränderung uns oft belastet – und was unser Gehirn damit zu tun hat
Zugegeben: Change-Prozesse in Unternehmen sind nicht dafür bekannt, unser Stresslevel zu senken. Im Gegenteil: Oft wirken sie wie ein Katalysator für Unsicherheit. Häufige Gründe für mentale Belastungen in Zeiten der Veränderung sind ein erhöhtes Arbeitspensum, unsichere Führung, Konflikte im Team und die Angst vor Jobverlust. Und nicht zuletzt: neue Prozesse und Arbeitsweisen, die zunächst überfordern. Dieses Gefühl kennen viele von uns sehr gut – etwa, wenn man in einen neuen Job startet.
Dazu kommt, dass unser Gehirn kein Fan von Veränderung ist. Aus evolutionspsychologischer Sicht reagieren wir auf neue, unvorhersehbare Situationen zunächst mit Vorsicht. Verantwortlich dafür ist der sogenannte Negativitätsbias – ein psychologisches Prinzip, das beschreibt, dass wir negativen Reizen mehr Bedeutung beimessen als positiven.
Dieser Schutzmechanismus hat in der Steinzeit unser Überleben gesichert, heute sorgt er oft dafür, dass wir bei Veränderungen zuerst Risiken statt Chancen sehen.
Ein klug begleiteter Change-Prozess kann hingegen auch das Gegenteil bewirken: Er kann Motivation, Engagement und Teamzusammenhalt stärken – wenn Führung und HR bewusst auf die emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen.
Die Rolle von Führungskräften: Was wir in unserem Zusammenschluss mit Likeminded gelernt haben
In Zeiten der Veränderung spielen Führungskräfte und HR eine ungemein wichtige Rolle. Denn wie Mitarbeitende einen Wandel erleben, hängt stark davon ab, wie dieser begleitet wird. Unsichere Führung, fehlende Kommunikation und Transparenz oder widersprüchliche Signale verstärken die mentale Belastung meist noch zusätzlich.
Gute Führung kann dagegen die subjektive Stresswahrnehmung reduzieren, Burnout-Symptome vorbeugen und das mentale Wohlbefinden im Team stärken.
Durch unseren Zusammenschluss mit Likeminded haben wir einiges über Change-Prozesse gelernt:
- Chaos gehört dazu: Veränderung ist oft chaotisch. Prozesse funktionieren nicht reibungslos, Teams sind nicht perfekt aufeinander abgestimmt. Diese Phasen gehören dazu. Akzeptieren und Schritt für Schritt verbessern – das ist der Weg.
- Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation: Besser zu viel als zu wenig. Wir haben gelernt, Dinge mehrfach zu sagen und Informationen auf unterschiedlichen Wegen zu teilen, damit möglichst viele im Team auf dem aktuellen Stand sind.
- Raum für Fragen und Feedback schaffen: Rollen verändern sich, vieles bleibt unklar. Regelmäßige Möglichkeiten für Fragen und Feedback – ob in 1:1-Gesprächen oder in größeren Runden – helfen, Spannungen zu lösen und Orientierung zu geben.
Natürlich läuft auch mit diesen Ansätzen nicht alles reibungslos. Widerstand und Unsicherheiten bleiben Teil des Prozesses – und genau hier zeigt sich, wie wichtig eine bewusste Begleitung ist.
5 Wege, wie HR und Führungskräfte konstruktiv mit Widerstand umgehen können
Widerstand ist nicht per se negativ. Er zeigt, dass Mitarbeitende sich mit dem Wandel auseinandersetzen. Entscheidend ist, wie HR und Führung darauf reagieren:
- Zuhören und Sorgen ernst nehmen: Schon allein das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden, kann Spannungen lösen. Authentizität und echtes Interesse sind hier entscheidend.
- Veränderungen nachvollziehbar machen: Transparent und offen kommunizieren: Warum ist der Wandel notwendig? Was soll erreicht werden? Wer ist betroffen? Klare Antworten schaffen Orientierung und Vertrauen.
- Unterstützung bereitstellen: Ob durch Coaching, psychologische Beratung oder digitale Angebote – gezielte Unterstützung hilft, Unsicherheiten abzubauen und individuelle Resilienz zu stärken.
- Erfolge sichtbar machen: Auch kleine Fortschritte verdienen Anerkennung. Sichtbare Erfolge reduzieren Stress, machen positive Veränderungen spürbar und stärken die Akzeptanz.
- Widerstand als Ressource verstehen: Kritik kann wertvolle Hinweise auf unentdeckte Schwachstellen oder Verbesserungspotenziale geben. Einwände sind oft nichts anderes als konstruktives Feedback – wenn man bereit ist, zuzuhören.
Mental gesundes Change Management braucht Resilienz auf Unternehmens- und individueller Ebene
Change Management braucht psychologische Sicherheit und transparente Strukturen. Mitarbeitende müssen offen über Unsicherheiten sprechen können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Dieses Vertrauen ist die Basis für Zusammenarbeit, Innovation – und für den gesunden Umgang mit Veränderung.
Gleichzeitig braucht es Resilienz auf individueller Ebene. Nicht alles lässt sich beeinflussen, aber der Umgang mit schwierigen Situationen schon. Ein resilientes Mindset bedeutet, Unveränderbares zu akzeptieren und den Fokus auf das zu richten, was sich gestalten lässt. Herausforderungen als Lernchancen zu sehen, anstatt in Problemen zu verharren. Selbstwirksamkeit – das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Ziele zu erreichen und Hindernisse zu überwinden – ist hier ein zentraler Faktor. All das ist mit den richtigen Ressourcen erlernbar. Unternehmen stehen in der Verantwortung, diese Ressourcen bereitzustellen.
Doch bei all dem bleibt es dabei: Resilienz ist kein Soloprojekt. Auch Unternehmen können und sollten aktiv dazu beitragen, dass ihre HR-Teams langfristig leistungsfähig und gesund bleiben. Eine psychologisch sichere Kultur, Raum für Prävention, Weiterbildung und Reflexion – all das sind Hebel, um Belastungen frühzeitig zu begegnen und Veränderungsfähigkeit zu stärken.
Lesen Sie weitere Teile der Kolumne:
Veränderung ist nicht das Problem
Veränderungsfähigkeit entsteht dort, wo Menschen sich sicher, gehört und beteiligt fühlen. HR und Führungskräfte haben es in der Hand, genau diesen Rahmen zu gestalten – durch Klarheit, Empathie und eine Kultur, die mentale Gesundheit nicht als Randthema, sondern als strategischen Erfolgsfaktor versteht. Change wird so von einer Belastung zu einer Chance: für mehr Zusammenarbeit, Vertrauen und nachhaltiges Wachstum. Die Antwort auf die Frage, ob Change ohne Überforderung gelingt, lautet also: Ja, wenn Unternehmen auf psychologische Sicherheit und Resilienz setzen.