Wie Energiesparen am Arbeitsplatz gelingen kann

Energiekrise

Über ein zu kaltes oder zu warmes Büro kann schon mal Streit ausbrechen, wenn sich mehrere Personen hier aufhalten. Ein geöffnetes Fenster sorgt meist nach kurzer Zeit für gemischte Stimmung. Während manche die Heizung sofort wieder hochdrehen möchten, wollen andere am liebsten den ganzen Tag lüften. Frische Luft! Das Empfinden von Menschen fällt äußerst unterschiedlich aus, wenngleich die Wohlfühltemperatur hierzulande in Innenräumen im Allgemeinen bei 20 bis 22 Grad liegt. Diesen Herbst und Winter wird es jedoch vielerorts ein paar Grad kälter sein. Die Bundesregierung hat Energiesparmaßnahmen ab September beziehungsweise Oktober beschlossen. Unter anderem ist für öffentliche Gebäude eine maximale Raumtemperatur von 19 Grad vorgesehen. Dazu kommen Einsparungen bei ästhetischer Beleuchtung. Private Arbeitgeber dürfen vorgeschriebene Mindesttemperaturen übergangsweise um ein Grad absenken. Gasmangel und steigende Kosten zwingen Wirtschaft wie private Haushalte zu Sparmaßnahmen.
Als Mittel zum Zweck ist unter anderem das Homeoffice im Gespräch. Es war schon einmal die Antwort auf eine Krisensituation, als pandemiebedingt Kontakte im Beruf reduziert werden sollten. Jetzt soll das Homeoffice also beim Energiesparen am Arbeitsplatz helfen. So stellt es sich jedenfalls Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor. Medienberichten zufolge haben er und Kabinettskollegen sich im Sinne der Energiebilanz für mehr Arbeit von zu Hause ausgesprochen. Diese sei dann positiv, wenn Büros nicht geheizt und stattdessen daheim Räume genutzt würden, die sowieso beheizt würden. Aber spart Homeoffice wirklich Energie?

Für den promovierten Wissenschaftler Waldemar Marz kommt es auf eine differenzierte Betrachtung an. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Ifo Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen hat während der Coronapandemie erforscht, ob das Homeoffice Emissionen im Verkehr reduziert hat. Seine Simulation zeigt, dass sich kurzfristig durchaus Einsparungen ergeben, aber diese mittel- bis langfristig nicht so groß sind wie häufig angenommen. Hintergrund ist, dass Menschen bei langfristigem Homeoffice im Schnitt weiter weg von Innenstädten ziehen und längere Pendel­distanzen in Kauf nehmen, um von günstigerem Wohnraum auf dem Land zu profitieren. Diese Theorie lässt sich laut Marz auf den Energieverbrauch übertragen. Kurzfristig dürfte das Homeoffice Energiekosten im Unternehmen reduzieren. Mittel- bis langfristig lässt sich auf diese Weise am Gesamtenergieverbrauch wenig ausrichten, da Menschen ihren Wohnraum vergrößern und somit mehr Energie verbrauchen würden.

Gebäude und Etagen nicht beheizen

Damit mobiles Arbeiten einem Unternehmen hilft, Energie zu sparen, kommt es auf die Ausgestaltung an. „Wenn nur jeder zweite Angestellte im Homeoffice ist, ein Büro geheizt wird, das andere nicht, spart das nicht viel“, sagt Wissenschaftler Marz. Gleiches gilt, wenn Homeoffice an abwechselnden Tagen stattfindet – also einen Tag sind alle vor Ort, am anderen arbeiten sie von zu Hause. Die Einsparungen seien dann ebenfalls gering. Was mehr brächte, wäre, wenn Menschen einen ganzen Monat oder eine Woche nicht ins Büro kämen. Dann könnte es im Büro auch mal zwölf Grad kalt sein. Das habe nicht nur bei Emissionen einen Effekt, sondern gelte bei den eingesparten fossilen Brennstoffen eins zu eins. Ratsam ist es daher, Beschäftigte einzelner Gebäudeteile oder Büroetagen ins Homeoffice zu schicken oder Arbeitsplätze zusammenzulegen, um leere Räumlichkeiten komplett runterzufahren.

Wie sieht es in der Praxis aus? „Wir sehen, dass durch mobiles Arbeiten viele unserer Bürogebäude nicht ausgelastet sind“, sagt Jürgen Schirm, Leiter Interne Kommunikation bei der Deutschen Bahn. Es gebe kaum Bereiche, in denen die Mehrheit der Angestellten tatsächlich täglich im Büro sei; Ausnahmen seien lediglich betriebsrelevante Einrichtungen wie Betriebszentralen oder Leitstellen. Seit der Pandemie gehört mobiles Arbeiten bei der Bahn zum Alltag. In vielen Bereichen wird das Unternehmen daher je nach Situation Gebäudeteile und Stockwerke stilllegen.

Auf diese Weise lassen sich Heizungs- und Stromkosten sowie der Aufwand für das Facility Management reduzieren. Das soll auf freiwilliger Basis in bestimmten Gebäuden umgesetzt werden. Aktuell gibt es einen Vorläufer: den Silberturm in Frankfurt am Main. Dort beschäftigt die Bahn ihre IT-Sparte. Einige Etagen bleiben bereits geschlossen. Auch für manche Gebäudeteile der Büros in Berlin am Hauptbahnhof ist das geplant. Wer einen Platz braucht, konzentriert sich auf die noch zur Verfügung stehenden Räume – und bekommt dann auch einen, Desksharing macht es möglich. Was Schirm bei der Kommunikation wichtig ist: „Wir schicken damit niemanden ins Homeoffice. Die Leute haben weiterhin die Möglichkeit, zwischen Homeoffice und dem Büro vor Ort zu wählen.“ Die Auslastungszahlen würden es hergeben, so zu verfahren. Die zur Verfügung stehenden Gebäudeteile würden ausreichen.

Die Vorschriften für Temperaturen in öffentlichen Gebäuden setzt die Bahn um. Damit gilt in den Bürogebäuden 19 Grad Maximaltemperatur. Schirm ist gerade dabei, dies konzernweit zu kommunizieren: Die Hauptbotschaft lautet, dass die Bahn als öffentliches Unternehmen von den Vorgaben betroffen ist und unter die entsprechenden Regelungen der Verordnung fällt. Außerdem baut der Konzern auf die Eigeninitiative seiner Angestellten. Die Bahn hat intern dazu aufgerufen, Vorschläge zum Energiesparen zu machen. Stand Ende September sind bereits über 1.100 Maßnahmen zusammengekommen. Die meisten Ideen betreffen konkret den jeweiligen Arbeitsplatz. Andere reichen vom Ausschalten der Standby-Geräte über den sparsamen Umgang mit der Heizung bis hin zum Nutzen von Treppen statt Aufzügen. Um zum Mitmachen anzuregen, hat die Bahn einen freiwilligen Energiebonus für die Belegschaft ausgelobt. Mit dem Dezembergehalt erhalten alle Angestellten 100 Euro – unabhängig davon, ob jemand eine Idee einreicht oder welche Wirkung Vorschläge zeigen. Es soll ein Anreiz sein, sich einzubringen. Wenn die Aktion besonders gut läuft, würde der Betrag auf 150 Euro aufgestockt.

Damit alle im Unternehmen von den gesammelten Ideen erfahren, nutzt das Kommunikationsteam das Social Intranet „DB Planet“ als primären Informationskanal. Knapp 280.000 Menschen sind dort angemeldet und damit ein Großteil der 330.000 Angestellten weltweit. „Energiesparen ist eines der Topthemen, die wir fast jeden Tag spielen“, sagt Schirm. Das Team greift die Themen in unterschiedlichen Formaten auf. Es gibt Anregungen, die sich an den eingereichten Ideen orientieren, Interviews mit Fachleuten von DB Energie oder DB Immobilien und den „Energiespardienstag“, an dem sich alles um Tipps für zu Hause und den Arbeitsplatz dreht. Außerdem gibt es noch einen freitäglichen Newsletter, in dem es ebenfalls viel ums Energiesparen geht. Der Newsletter erreicht 230.000 Angestellte.

Zwar hat die Konzernkommunikation die Lead-Funktion bei dem Thema, aber in den unterschiedlichen Bereichen wie DB Cargo oder DB Fernverkehr nutzt deren interne Kommunikation zusätzlich eigene Kanäle. So erreichen die Energiethemen die Mitarbeitenden auf unterschiedlichen Wegen. Die Summe an Maßnahmen soll die Bahn als Verkehrsmittel noch etwas grüner machen und das Unternehmen angesichts steigender Energiepreise entlasten. „Wir wollen aber vor allem einen Beitrag leisten, dass insgesamt weniger Energie verbraucht wird“, sagt Schirm.

Maßnahmen beim Energieengpass

Die Energieversorgung im Winter beschäftigt die Wirtschaft. Wie bereiten sich Unternehmen auf den Ernstfall vor? Welche Maßnahmen planen sie, sollte es zu einer Gasmangellage kommen? Mit diesen Fragen befasst sich die Randstad-ifo-Personalleiterbefragung Q3 2022. Ein wesentliches Ergebnis: Nur 29 Prozent der Firmen haben vorgesorgt. Knapp mehr als die Hälfte hat hingegen keinen Notfallplan. Der Rest macht keine Angaben. Dabei rechnen 63 Prozent der befragten Personalverantwortlichen damit, dass ein Energie­notfall zu einer Einschränkung ihrer Geschäftstätigkeit führt. Es zeigen sich auch Unterschiede hinsichtlich Unternehmensgröße und Branche. Gerade Kleinbetriebe mit unter 50 Beschäftigten haben oftmals keinen Notfallplan. Je größer das Unternehmen, desto eher ist es auf eine kritische Energieversorgung vorbereitet. In der Industrie rechnen im Notfall 79 Prozent mit einer Einschränkung ihrer Geschäftstätigkeit, im Handel sind es lediglich 48 Prozent und in der Dienstleistung 57 Prozent.

Sollte es zu einem Energieengpass kommen, halten die Befragten der Studie diese Notfallmaßnahmen in der Industrie für wahrscheinlich:

  • 83 Prozent: Überstunden abbauen
  • 76 Prozent: Urlaub abbauen
  • 70 Prozent: Gebäudetemperatur senken
  • 65 Prozent: Kurzarbeit nutzen
  • 62 Prozent: Homeoffice-Angebot ausweiten
  • 41 Prozent: Geschäftstätigkeit einschränken
  • 29 Prozent: Personal abbauen

Bei der Umsetzung von Maßnahmen nimmt die Personalabteilung in allen drei Wirtschaftsbereichen (Industrie, Handel und Dienstleistung) eine wesentliche Rolle ein. Zwar verantwortet die Geschäftsleitung mit 99 Prozent den Notfallplan maßgeblich. Aber HR ist in 23 Prozent der Unternehmen an dessen Ausarbeitung beteiligt. Eine Einbindung des Betriebsrats erfolgt in 14 Prozent der Fälle. Für die quartalsweise durchgeführte Studie befragte das Ifo Institut im Auftrag des Personaldienstleisters Randstad hierzulande bis zu 1.000 Personalverantwortliche in Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen.

Die Rolle der ­Kommunikation

Der Konsumgüterhersteller Henkel hat zwar Stand Ende September noch keine Entscheidung getroffen, ob und in welchem Umfang mobiles Arbeiten in der kalten Jahreszeit ausgebaut wird, will aber mit Energiebewusstsein ebenfalls einen Beitrag leisten, vor allem dann, wenn es zu einer Gasmangellage in Deutschland kommen sollte.

Eine Möglichkeit wäre, die traditionelle Betriebsruhe rund um Weihnachten und den Jahreswechsel, in der auch Produktionsprozesse runtergefahren werden, bei Bedarf auszuweiten. „Wir verfolgen mit großer Aufmerksamkeit die aktuellen Entwicklungen und werden über mögliche Maßnahmen dynamisch entscheiden“, sagt Carsten Tilger, Head of Corporate ­Communications and Public Affairs bei Henkel. Das hänge unter anderem von der allgemeinen Situation der Energieversorgung in Deutschland ab und letztlich auch von eventuellen Vorgaben der Bundesregierung. Eine Ausweitung der bestehenden Homeoffice-Regelungen ließe sich zwar umsetzen, würde aber bei dem Industriekonzern mit Blick auf die gesamten Energieeinsparungen kaum ins Gewicht fallen. Henkel ist global aufgestellt und hat eine weniger energieintensive Produktion als ein traditioneller Chemiekonzern. „Die Energiekosten insgesamt machen weltweit nur zwei Prozent der Gesamtkosten aus. Davon stammt der überwiegende Teil aus der Produktion“, sagt Tilger. Energiesparen im Büro sei daher primär keine Frage der Kosten, sondern eine des Beitrags für die Region in der angespannten Energieversorgungslage.

Interview

Im Einvernehmen

Welche Maßnahmen zum Energiesparen am Arbeitsplatz sind arbeitsrechtlich erlaubt? Antworten gibt Livia Merla, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei MGP Merla Ganschow & Partner.

Welche Maßnahmen zum Energiesparen am Arbeitsplatz sind arbeitsrechtlich erlaubt? Antworten gibt Livia Merla, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei MGP Merla Ganschow & Partner.
© Merla Ganschow Partner

Zum Interview

Die Energiethematik bewegt die Menschen. Oft kommen die Themen aus der Belegschaft, tauchen am Rande eines Townhall-Meetings des Vorstands auf oder sind Schwerpunktthema von CEO-Interviews in Leitmedien, berichtet der Kommunikationschef. Die Verantwortlichen nutzten dann die Gelegenheit, um auf Energiesparpotenziale hinzuweisen. Tilger betont, dass Henkel bereits seit Jahren Maßnahmen ergriffen hat, um die Produktion effizienter zu machen und seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Für viele im Unternehmen sei Energiesparen daher nicht neu ins Bewusstsein gerückt.

Neben der Sensibilisierung für das Thema versuchen Kommunikationsverantwortliche außerdem, die Sorgen der Belegschaft aufzufangen. Schließlich bewegt die Menschen die Energiekrise auch aus persönlicher Sicht – sei es aufgrund der Preissteigerungen oder wegen der Ängste vor Jobverlust. Henkel versucht, Angestellten möglichst umfassend über die ökonomische Situation Auskunft zu geben. Glücklicherweise sei diese derzeit sehr stabil, sagt Tilger.

Zu Beginn der Coronapandemie hatte Henkel allen Beschäftigten weltweit zugesagt, dass es keine Kurzarbeit geben werde. In einer weltweiten Krise wie dieser sorge das für Grundvertrauen, meint er. „Das Unternehmen hat sich zuletzt in der Pandemie als stabil und fürsorglich gezeigt, sodass wir auch jetzt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine tiefe Verunsicherung spüren.“ Die Kommunikation sieht er aktuell dahingehend gefordert, zu verdeutlichen, welchen Beitrag ein Unternehmen gesamtwirtschaftlich und im direkten Umfeld leisten kann, um zu Energieeinsparungen beizutragen und gleichzeitig die Produktion aufrechtzuerhalten. Und das in einer Zeit, in der alle abwägen müssen, wohin das knappe Gut Energie fließt. „Wir sitzen alle im selben Boot“, sagt Tilger. Es sei eine kollektive Anstrengung der Privathaushalte und der Wirtschaft, Energie einzusparen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employee Lifecycle. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Sven Lechtleitner, Foto: Privat

Sven Lechtleitner

Journalist
Sven Lechtleitner ist freier Wirtschaftsjournalist. Er hat ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie ein Fernstudium Journalismus an der Freien Journalistenschule in Berlin absolviert. Von November 2020 bis Juli 2022 war er Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager.

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