Wer im Internet die Stichworte „Human Resources Studium“ eingibt, landet auf Studienportalen, die Interessierten bei der Suche nach dem passenden HR-Studium helfen sollen. Die Beschreibung des Studienfachs liest sich dort ein wenig so, als sei der angestrebte Beruf noch immer rein administrativer Natur. Wer sich mit Lehrenden aus dem HR-Bereich unterhält, merkt jedoch schnell: Der Fokus liegt heute auf viel mehr. „Ich glaube, dass wir uns noch mehr von den eigentlichen HR-Praktiken und -Inhalten entfernen müssen“, sagt Kerstin Alfes. Sie ist Professorin an der ESCP Business School in Berlin und lehrt dort unter anderem im Masterstudiengang Organisation und Management. Im Gespräch mit anderen Dozierenden zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Ein Blick auf den Ist-Zustand des Rüstzeugs für den HR-Nachwuchs:
1. Digitale Kompetenz und Datenanalyse
Insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten hat die Digitalisierung viele Bereiche unserer Arbeit verändert. Auch für HR ist sie relevanter denn je. Aus Sicht von Alfes brauchen angehende Personalerinnen und Personaler neben Grundlagenwissen auch Kompetenzen in den Bereichen Big Data und People Analytics. Die Studierenden müssten lernen, wie Daten im Unternehmen großflächig erhoben und daraus Trends abgeleitet werden können. Zudem seien statistische Kenntnisse in der Datenanalyse und -interpretation erforderlich.
Stephan Fischer, der an der Hochschule Pforzheim im Masterstudiengang Human Resources Management und im Bachelorstudiengang BWL mit Schwerpunkt Personalmanagement lehrt, berichtet über das neu eingeführte Fach Digital HR, in dem sich die Studierenden unter anderem mit der Zukunft der Personalarbeit im Hinblick auf künstliche Intelligenz (KI) auseinandersetzen. Seit letztem Jahr gebe es zudem das Fach HR-Tech, in dem sich die Studierenden mit HR-Start-ups, Venture-Capital und technologiebasierten HR-Ansätzen beschäftigen.
People Analytics immer wichtiger
Fischer erzählt, wie die klassischen quantitativen Methoden der empirischen Sozialforschung, die Regressions- und Faktorenanalyse, durch die Verknüpfung mit People Analytics für die Studierenden immer attraktiver werden: „Sie lernen jetzt nicht nur, die statistischen Voraussetzungen der Regression anzuwenden, sondern wissen auch, wofür sie das tun. Zum Beispiel, um das Fluktuationsrisiko zu berechnen“, sagt Fischer.
Jörg Ritter, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personal- und Organisationsentwicklung an der Quadriga Hochschule Berlin, beobachtet dagegen bei einem Teil der Studierenden eine Hemmschwelle gegenüber strategischen Projekten im Datenbereich. Zum Beispiel, wenn es um die Umsetzung von Softwaresystemen wie Enterprise-Resource-Planning (ERP) geht. Gerade deshalb hält er diese Themen im Curriculum aber für besonders relevant. HR brauche eigene Kompetenzen, man dürfe sich nicht darauf verlassen, diese später von anderen einzukaufen.
Anwenden statt diskutieren
Christian Gärtner, der an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München lehrt und die Professur für Human Resources Management & Digitalisierung der Arbeitswelt innehat, hat den Eindruck, dass in den Bereichen People Analytics und KI die technischen und statistischen Aspekte mehr thematisiert werden müssen. Zu schnell drehe sich die Debatte unter HRlern vor allem um ethische Implikationen. Darüber hinaus sei es wichtig, dass HRler lernen, prozessorientiert zu denken, sich mit Data Governance auskennen und Sachthemen aus der eigenen Abteilung für die IT übersetzen können.
2. Agilität und Veränderungsmanagement
3. Know-how in Wirtschaft und Gesellschaft
Zukünftige HR-Talente müssen auch auf gesellschaftliche Veränderungenvorbereitet werden. Dies betrifft beispielsweise aktuell stark den Bereich Diversity, Equity und Inclusion (DEI). Laut Kerstin Alfes müssen sich angehende Personalerinnen und Personaler gut mit Diversity Management auskennen, um später beispielsweise selbst Trainings für Mitarbeitende anbieten oder effektiv vermitteln zu können. Gleichzeitig sollten sie in der Lage sein, gemeinsam mit der Geschäftsführung Inklusion langfristig im Unternehmen zu verankern. Dazu gehöre auch, wie eine gelebte Diversity-Kultur mit Wachstum, Profitabilität und Mindset zusammenhängt, so Jörg Ritter. Darüber hinaus sei es für künftige Personalverantwortliche wichtig, sich mit weiteren gesellschaftlichen und (geo-)politischen Veränderungen auseinanderzusetzen. Immer mehr Mitarbeitende erwarteten von ihrem Arbeitgeber eine politische Haltung, so Ritter.
Volkswirtschaftliche Trends erkennen und anwenden
Im Gespräch mit Jörg Ritter wird außerdem deutlich, wie wichtig betriebs- und volkswirtschaftliches Know-how für angehende Personaler ist. HR werde oft vorgeworfen, zu wenig vom Business zu verstehen. Dem will Ritter bei seinen Studierenden vorbeugen. „Sie werden entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgebildet und im Umgang mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen geschult, sodass sie später in der Lage sind, volkswirtschaftliche Trends auf die jeweilige Branche und das Unternehmen zu übertragen“, erklärt er. Auch der Bereich Nachhaltigkeit dürfe heute in einer guten HR-Ausbildung nicht mehr fehlen. Ein besonderes Augenmerk liege dabei auf den ESG-Richtlinien und den damit verbundenen Berichtspflichten, so Ritter. Er berichtet von einem Modul, in dem untersucht wird, wie sich ESG-Richtlinien auf die Bilanz eines Unternehmens auswirken. Das Modul beinhalte aber auch Debatten über eine mögliche Überregulierung durch ESG.
Ebenso schreitet die „Verrechtlichung“ der Personalarbeit immer weiter voran. Eine gute HR-Ausbildung, so Nicolas Bogs, müsse dem Rechnung tragen. Die Vollzeit-HR-Masterprogramme der Hochschule Fresenius seien deshalb bewusst so konzipiert, dass rund ein Drittel der Studieninhalte die arbeitsrechtlich relevanten Bereiche abdecke. Ziel sei, dass die Absolventinnen und Absolventen später in allen HR-Themen rechtssicher agieren und auch mit Fachanwälten für Arbeitsrecht auf Augenhöhe zusammenarbeiten können, unterstreicht Bogs. Trotz der vielen neuen Themen, die Einzug in die HR-Ausbildung gehalten haben, bleiben einige klassische Kompetenzen unverzichtbar. Dazu gehören insbesondere kommunikative Fähigkeiten. Jörg Ritter betont, dass HR-Professionals in der Lage sein müssen, Management-Konferenzen inhaltlich mitgestalten und koordinieren zu können. Diese Kompetenz sei entscheidend, um als strategischer Partner auf Augenhöhe mit dem Topmanagement agieren zu können.
Brücken zwischen Praxis und Theorie bauen
Die Ausbildung hänge auch immer vom Hochschultyp ab, so Fischer. Während Universitäten grundsätzlich forschungsorientierter und evidenzbasierter seien, könne es an Fachhochschulen das Risiko geben, dass die Praxis zu sehr im Vordergrund stehe und die theoretische Fundierung etwas zu kurz komme. „Alle Hochschulen leben in einem bestimmten regulierten Kontext, es gibt bestimmte Akkreditierungen, alle müssen bestimmte Akkreditierungsstandards erfüllen“, sagt Stephan Fischer. Das schränke den Spielraum ein. Letztlich gehe es aber nicht um ein Entweder-oder. „Ich würde mir wünschen, dass Interdisziplinarität fest in der Personalausbildung verankert wird und gleichzeitig eine ganz klare Brücke zwischen Theorie und Praxis geschlagen wird“, sagt Fischer. Solche gemeinsamen Projekte, etwa von Personalern und Wirtschaftsinformatikern, sollten die Hochschulen schon im Studium fördern.Keine Kaminkarriere
„Ich glaube, es ist einfach wichtig, dass HR nicht nur als Kaminkarriere funktioniert und als Ausbildung, sondern dass wir das sind, was wir sind. Wir sind strategischer Partner, aber wir sind auch eine Art von Dienstleistung“, resümiert Fischer. Kerstin Alfes hat in der Vergangenheit bereits in den Niederlanden und in Großbritannien Personalmanagement gelehrt und sieht in den dortigen Erfahrungen einen Impuls: „Ich hatte das Gefühl, dass unsere Nachbarländer in der Ausbildung etwas schneller oder etwas agiler auf Herausforderungen reagieren und vielleicht einen etwas breiteren Blick darauf haben, was gutes Personalmanagement bedeutet.“
„Dem Personalmanagement steht ein tiefgreifender Wandel bevor“, sagt Alfes schließlich. Und genau darin könnte der Ansporn für Hochschulen und Studierende liegen. Sie haben die Zukunft in der Hand. HR ist eben längst nicht mehr rein administrativ.
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