Im Krisenmodus

BPM Jahresthesen 2025

Die allerorten wahrnehmbare Ziellosigkeit der Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland eröffnet neu die Frage nach Wertschöpfungsrichtung und dem Schlüssel für zukünftige Wohlstandssicherung und Wachstumsorientierung. Zudem trifft die daraus resultierende flächendeckende Investitionszurückhaltung auf überbordende Bürokratie und eine beispiellose Regulierungsflut, die die eigentlichen Herausforderungen gar nicht erst wahrgenommen oder ernstgenommen hat, weil sie irrtümlich sogar von sich glaubte, Teil der Lösung zu sein.

Ein Jahr der Entscheidungen für HR? – Die Serie zu den HR-Thesen 2025

Wie bleibt HR in turbulenten Zeiten am Puls der Veränderung? Die HR-Thesen des Bundesverbands der Personalmanager*innen liefern klare Antworten und beleuchten die drängendsten Herausforderungen, vor denen modernes Personalmanagement heute steht – praxisnah, zukunftsorientiert und realistisch. In der ersten Folge geht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Was soll alltägliche, wenn auch professionelle und routinierte Personalarbeit an dieser Stelle bewirken? Sicher, der Reifegrad der HR-Funktion ist in der Coronakrise stark gewachsen, hat sich Anerkennung erworben, gar Wertschätzung erhalten. Das Business sieht uns durchaus nicht nur als Krisenbegleiter, sondern auch als -bewältiger oder auch als Steuerungspartner in diffizilen Zeiten. Aber was wir jetzt erleben, ist die Ablösung der alten Normalität durch einen beständigen und mannigfaltigen Krisenmodus. Nüchternheit ist angesagt: HR ist zum Dialog bereit. Einige Vorschläge
zur Eröffnung von Dialogräumen aus HR heraus:

Dialograum Digitalisierung und künstliche Intelligenz

Es ist nicht notwendig, die diffuse und exponentiell wachsende Wirkungsarchitektur der künstlichen Intelligenz (KI) zur eigenen CEO-Funktion hochzustilisieren, es sei denn, die Firma verkauft Produkte derselben. Es reicht allerdings auch nicht aus, das Phänomen der künstlichen Intelligenz auf Stammtischniveau zu bestaunen und zu kommentieren.

HR kann hier den Dialograum Digitalisierung und künstliche Intelligenz eröffnen, gleichsam als Plattformarchitekt, um die unterschiedlichsten Impulse aus Logistik, Produktion, Einkauf und Beschaffung, Vertrieb, aber auch Administration, sowie Service- und Kundenmanagement, hineinfließen zu lassen, gemeinsam mit der IT zu ordnen und zu koordinieren. Die Einführung von KI-Systemen ist ein Thema der Führung, weil sie Veränderungsprozesse einleitet, die bestehende Unternehmenskultur berührt und die sogenannten „ways of working“ revolutionieren kann. Es können konzertiert Aktivierungen stattfinden, um das allerorten feststellbare anarchische Durcheinander der Hobby-Intelligenzler, die sich im kleinsten Denk-Silo ihres Arbeitsalltags gegenseitig übertrumpfen wollen, aber das große Ganze nicht mehr sehen. Und HR kann da selbst als Vorbildfunktion agieren, um in der eigenen Funktion geordnet vorzugehen, zumal als Taktgeber und Moderator, und als ordnungsgebende Instanz, damit das Ganze machbar, bezahlbar und umsetzbar bleibt. In diesem Dialograum wird heiß diskutiert werden, denn es werden auch gesellschaftliche, rechtliche, ethische und sicherheitsbezogene Fragen aufgeworfen werden.

Dialograum Strategische Personalplanung

Die strategische Personalplanung ist ein HR-eigenes und meist zentralisiertes Führungsinstrument, das die zukunftsgerichtete und passgenauere Personalarbeit in Unternehmen ermöglicht. Immer geht es darum, die Mitarbeitenden zielgerichtet zu suchen oder zu entwickeln, damit sie mit dem benötigten Know-how rechtzeitig zur Verfügung stehen, um die Unternehmensstrategie umsetzen zu
können. Schauen wir uns die Steuerungsfunktion in HR-Organisationen näher an, werden wir eher Berichtswesen mit retrospektivem Charakter entdecken. Das reicht aber nicht aus. Denn die Veränderungsdynamik gestaltet sich zunehmend zu einer Zerreißprobe zwischen Business und Personalbereich.

Personal Analytics darf sich nicht nur auf die Vergangenheit und die Gegenwart beziehen. Eine integrierte strategische Personalplanung mit zukunftsgerichteter Perspektive verweist auf den nächsten Dialograum. Damit wird HR zum strategischen Steuerungspartner für das Business. In einer Arbeitswelt, die sich im beständigen Wandel befindet, ist es unabdingbar, einschätzen zu können, welche Trends und Entwicklungen das Unternehmen und die Belegschaft beeinflussen und welche Maßnahmen gegebenenfalls zu ergreifen sind, um anstehenden Herausforderungen adäquat begegnen zu können. Das meint auch geopolitische Verschiebungen und Änderungen des Business-Modells eines Unternehmens. Genau hier das richtige Personal mit entsprechender Qualität auch in ausreichender Quantität zur Verfügung stellen zu können, um damit wettbewerbsfähig zu sein, ist die antizipative Aufgabe einer jeden strategischen Personalplanung.

Dialograum Kundenorientierung

Vielen europäischen Unternehmenslenkern wird zunehmend klar, dass die erlernte Arroganz des Erfolgs zu einer Simplifizierung der Sichtweisen führen musste. Das in deutschen Industrien entwickelte und produzierte Produkt bestach durch seine Qualität und technologische Brillanz. Anderen Industrien anderer Länder weltweit wurde nur mittelmäßige Kopierfähigkeit attestiert. Nun entwickelten sich genau diese Industrien selbst besser und schneller als wir es taten. Der Blick auf den Kunden ist der demütigere Ansatz rückt aber den uralten Grundsatz in den Vordergrund, dass
Angebot und Nachfrage irgendwie doch zusammenhängen. Ganze Wertschöpfungsketten müssten durchleuchtet werden, um ein prozessuales Gewissen wachzurütteln, das sowohl den Kunden als auch den Mitarbeitenden, und damit den Menschen in den Blick nimmt. Wir können als HR die Organisationsentwicklung unserer Unternehmen befeuern, indem wir uns proaktiv einmischen. Bei einem durch das Business geführten strategischen Projekt der Kundenorientierung können wir als HR entlang der Prozessketten Organisationsentwicklung betreiben, indem wir moderierend und steuernd den Dialograum eröffnen: Wie messen wir Kundenorientierung? Wie motivieren wir unsere Mitarbeitenden dazu? Wie müssen unsere Prozessketten aussehen, damit unser Einsatz wirklich beim Kunden ankommt?

Dialograum Agiles Arbeiten

In Zeiten, in denen flexible Arbeitsmodelle und digitale Tools den Arbeitsalltag bestimmen, wird agiles Arbeiten immer mehr zur Schlüsselkompetenz für Unternehmen. Was bedeutet agiles Arbeiten eigentlich? HR kann hier deutlich in Führung gehen. Agilität ist keine arbeitsprozessuale Modeerscheinung, sondern trifft in ihrer Sinnspitze auf genau jene arbeits- und personalpolitischen Dimensionen, die die derzeitige gesellschaftspolitische Volatilität widerspiegelt. HR kann dazu einladen, anzuschauen, wie agiles Arbeiten in der Praxis aussieht und welche Herausforderungen und Chancen sich für Personalabteilungen in der agilen Transformation ergeben. Gemeinsam kann darüber diskutiert werden, wie Agilität im Personalbereich erfolgreich umgesetzt werden kann und welche Best Practices sich bewährt haben.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Performance. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Dr. Emmanuel Siregar

Dr. Emmanuel Siregar ist in der Konzernleitung der Claas-Gruppe als Arbeitsdirektor und CHRO weltweit für Personal und Organisation verantwortlich. Ihm berichten fünf globale Human Resources Business Partner mit ihren weltweiten Teams. Der promovierte Geisteswissenschaftler engagiert sich zudem als ehrenamtliches Präsidiumsmitglied im Verband der Personalmanager*innen (BPM) und ist in dieser Funktion Mitherausgeber des Human Resources Manager.
Frank Kohl-Boas, Vizepräsident BPM

Frank Kohl-Boas

Frank Kohl-Boas ist Jurist und Head of Legal & People Operations bei der Zeit-Verlagsgruppe sowie Vizepräsident des BPM.

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