Raum für Imagination

Interview mit Florian Idenburg

Herr Idenburg, welche Rolle spielen Arbeitswelten in der Architektur?
Florian Idenburg: Wenn wir von Arbeitswelten sprechen, denken wir sofort, was als Nächstes kommt. In keinem anderen Bereich sind wir so von der Zukunft elektrisiert. Dabei können wir viel von Vergangenem lernen. Der perfekte Arbeitsort ist keine Evolution, sondern es geht darum, bekannte Elemente richtig zu kuratieren.

Was ist ein perfektes Büro?
Es sollte ein Ort sein, an dem man seine Arbeit machen kann, und zwar in der freudvollsten Art und Weise, die auch noch Sinn stiftet. Menschen müssen sich von dem Moment an wohlfühlen, in dem sie das Büro betreten, und nahtlos zwischen Umgebungen wechseln können. Sie wollen mit anderen zusammenarbeiten und Anerkennung für ihre Arbeit bekommen.

Wie sehr sollten Mitarbeitende ihre Umgebung anpassen können?
Wir sollten nicht den Raum um eine Person verändern, sondern Optionen anbieten, damit sie wechseln kann. Aktuell gibt es eine gewisse Spannung, weil wir auf der einen Seite noch Reste einer alten Arbeitswelt sehen: dass der Name auf einem Tisch oder Büro stehen soll. Auf der anderen Seite verbringen Menschen immer weniger Zeit an diesen Orten. Darum ist es wichtig, Vielfalt zu bieten und Anerkennung zu garantieren.

Was ist mit den Arbeitsorten in Produktion und Logistik?
Die Aspekte spielen auch in Lagerhallen und Produktionsstätten eine große Rolle, wir werden aber in der Tat seltener damit beauftragt. Ich hoffe, dass Unternehmen einsehen, dass sie nur erfolgreich sein können, wenn alle Mitarbeitenden das Gefühl haben, sich einbringen zu können und wertgeschätzt zu werden. Die Ungleichheit ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, für Gesellschaften genauso wie für Unternehmen.

Wie werden sich Arbeitswelten verändern?
Durch künstliche Intelligenz werden viele repetitive Tätigkeiten nicht mehr von Menschen ausgeführt. Kreativität wird wichtiger werden. Das Büro wird darum bald kein Raum mehr für Prozesse sein, sondern für Imagination. Arbeitsorte müssen uns inspirieren.

Ist das nicht sehr individuell?
Ja, aber ich habe den Eindruck, dass Individualität zunehmend unwichtiger wird, kollektives Kreativsein aber immer bedeutsamer. Der individuelle Kreativprozess wird langsam verschwinden. Wir können uns nicht auf Einzelne verlassen, sondern müssen ein kollektives Genie fördern. Wie bei einer Jazzband: Das Ergebnis entsteht durch ein Zusammenspiel, nicht durch eine einzelne Virtuosität.

Florian Idenburg ist seit über zwanzig Jahren Architekt. Er kommt aus den Niederlanden, hat in Amsterdam und Tokio gearbeitet und 2008 mit Jing Liu das Architekturbüros SO – IL in New York gegründet. Er realisiert Projekte weltweit, darunter Museen, Universitäten und Arbeitsorte, und hat an den Universitäten Harvard, MIT, Columbia und Princeton gelehrt. Aktuell lehrt er an der Cornell University. Zusammen mit LeeAnn Suen hat Idenburg ein Buch über moderne Arbeitswelten veröffentlicht: The Office of Good Intentions. Human(s) Work, Taschen-Verlag, 2022.

Zu dem Thema Workplaces hat Mirjam Stegherr auch für einen Beitrag in unserer neuen Ausgabe recherchiert. Das E-Paper erscheint am 12. Juni.

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Mirjam Stegherr, Journalistin, Moderatorin und Beraterin

Mirjam Stegherr

Freie Journalistin, Moderatorin und Beraterin
Mirjam Stegherr ist freie Journalistin, Moderatorin und Beraterin.

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