People Playbook Restrukturierung – Die HRM-Kolumne zum strategischen Personalmanagement in Zeiten des Umbruchs.
Noch immer sehen manche Führungskräfte den Betriebsrat als lästigen Bremsklotz. Dabei ist er oft genau das Gegenteil: Berater, Multiplikator und Transformationspartner. Betriebsräte genießen bei Beschäftigten oft mehr Vertrauen als das Management. Wer sie frühzeitig einbindet, nutzt ihre Nähe zur Belegschaft – und gewinnt Verständnis, Stabilität und Lösungen, die tragen. Überdies bringt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit häufig wertvolle Ideen hervor, wie sich Standorte und Arbeitsplätze sichern lassen – etwa, wenn sich beide Seiten auf ein gemeinsames Zielbild verständigen und bereit sind, ihren Beitrag zu leisten, zum Beispiel durch temporäre Arbeitszeiterhöhungen ohne Lohnausgleich im Austausch für Zukunftsinvestitionen. Kurz: Ein Betriebsrat ist kein Gegner, sondern potenziell ein Verbündeter – wenn man ihn wie einen behandelt.
Vertrauen muss verdient werden
Viele Unternehmen beginnen erst in schwierigen Situationen, den Austausch mit Betriebsrat oder Gewerkschaft zu intensivieren. Das ist nachvollziehbar, aber riskant. Vertrauen lässt sich nicht im Krisenmodus „einschalten“. Es entsteht durch transparente Kommunikation, verlässliches Handeln und echte Beteiligung – und zwar in guten Zeiten, nicht erst im Sturm. Wer in ruhigen Phasen nur das gesetzliche Minimum erfüllt, darf in der Krise nicht auf partnerschaftliches Miteinander hoffen.
Sechs Strategien, wie die Betriebspartnerschaft gelingt
Labour Relations ist kein Verhandlungssport, sondern Beziehungsmanagement. Nicht die eine Betriebsvereinbarung zählt, sondern die Fähigkeit, gemeinsam mit dem Sozialpartner schwierige Entwicklungen konstruktiv zu bewältigen. Das erfordert keine Revolution, sondern konsequente Alltagsarbeit – mit Haltung, Empathie und Integrität.
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- Frühzeitige Einbindung
Vertrauen braucht Offenheit. Wer Betriebsräte erst informiert, wenn Entscheidungen längst gefallen sind, verspielt Glaubwürdigkeit und erntet Widerstand. Erfolgreicher ist es, den Betriebsrat regelmäßig über die wirtschaftliche Lage zu informieren. Je früher er eine sich abzeichnende Krise erkennt, desto eher wird er bereit sein, notwendige Gegenmaßnahmen mitzutragen und eigene Ideen einzubringen. Ein entscheidender Schritt, damit aus Mitbestimmung echte Mitverantwortung wird. - Verlässlichkeit statt taktischer Manöver
Nichts untergräbt Vertrauen schneller als gebrochene Zusagen. HR sollte nur das versprechen, was auch eingehalten werden kann. Besser klare Grenzen kommunizieren, als vage Hoffnungen wecken. Sozialpartnerschaft heißt nicht, dass alle zufrieden sind – sondern dass alle wissen, woran sie sind. - Dialog auf Augenhöhe
Sozialpartnerschaft ist vor allem eines: eine Beziehung zwischen Menschen. Begegnen sich beide Seiten nur als Funktionsträger, bleibt viel Potenzial ungenutzt. Regelmäßige Gespräche, persönliche Begegnungen im informellen Rahmen oder Kollaborationsformate jenseits klassischer Gremienarbeit zeigen, dass hinter den Rollen Menschen stehen – mit Sorgen, Ideen und Verantwortungsbewusstsein. - Kooperation in konfliktfreien Themenfeldern
Restrukturierungen sind Bewährungsproben für die Sozialpartnerschaft. Umso wichtiger ist es, früh gemeinsame Projekte in Bereichen zu starten, in denen die Interessen ohnehin nah beieinander liegen – etwa im Gesundheitsmanagement, in der Weiterbildung oder bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Solche Themen schaffen Sozialkapital, bevor es brenzlig wird – und zeigen: Wenn wir wollen, ziehen wir an einem Strang - Kompetenz fördern
Wer vom Betriebsrat nicht nur Mitbestimmung, sondern Mitverantwortung erwartet, muss sie ermöglichen. Betriebsräte brauchen Wissen – über wirtschaftliche Realitäten, Kennzahlen und strategische Zusammenhänge. Ein kompetenter Betriebsrat ist kein „nice to have“, sondern die Voraussetzung für tragfähige Lösungen – für Beschäftigte wie für das Unternehmen. - Kultur des „Wir“ statt „Ihr“
Sprache formt Haltung – und Haltung formt Zusammenarbeit. Wer intern von „denen im Betriebsrat“ spricht, zementiert Gräben. Wer stattdessen betont, dass Betriebsrat und Management gemeinsam Verantwortung für Zukunft und Erfolg tragen, sendet ein starkes Signal – und verändert Kultur.
- Frühzeitige Einbindung
Wenn die Krise kommt: Vertrauen zahlt sich aus
In der Krise zeigt sich, ob Mitbestimmung zur Mitverantwortung wird – oder zum Machtkampf. Unternehmen, die zuvor in eine partnerschaftliche Beziehung investiert haben, profitieren gleich mehrfach:
- Der Betriebsrat zeigt sich kompromissbereiter und konstruktiver, weil er das Management als verlässlich erlebt.
- Beschäftigte sind eher bereit, schwierige Maßnahmen zu akzeptieren, da „ihr“ Betriebsrat diese mitträgt.
- Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter finden schneller Lösungen, weil gegenseitiges Vertrauen lähmenden Formalismus ersetzt.
- Eine gute Betriebspartnerschaft spart Kosten – etwa den Gang zur Einigungsstelle, der nicht nur teuer ist, sondern auch zu Ergebnissen führt, die selten optimal sind.
Lesen Sie auch die weiteren Teile der Kolumne:
HR als Brückenbauer und Beziehungsmanager
HR hat die Aufgabe, zwischen Unternehmensleitung und Mitbestimmung zu vermitteln – aber nicht als verlängerter Arm des einen oder anderen. HR muss beide „Sprachen“ sprechen: ökonomische Rationalität und soziale Legitimität. Glaubwürdigkeit auf beiden Seiten ist entscheidend. Wer nur die Sicht des Vorstands vertritt, verliert das Vertrauen der Beschäftigten. Wer sich ausschließlich als soziales Gewissen des Unternehmens versteht, verliert den Rückhalt im Management und wird vom Betriebsrat vermutlich auch nicht ernst genommen.
Diese anspruchsvolle Rolle gelingt nur durch tägliche Beziehungsarbeit. Wer in guten Zeiten Transparenz lebt, Verlässlichkeit beweist und Dialog fördert, schafft die Grundlage dafür, dass Mitbestimmung in der Krise nicht blockiert, sondern beweglich ist und Verantwortung übernimmt.
Denn eines ist sicher: Die nächste Krise kommt bestimmt. Entscheidend ist, dass der Betriebsrat dann kein Gegner ist – sondern ein echter Partner.

Johannes Brinkkötter
