Globale Krisen, wirtschaftliche Schwankungen und gesellschaftliche Veränderungen sorgen für ein anhaltendes Gefühl der Unsicherheit – und das auch am Arbeitsplatz. Viele Mitarbeitende blicken mit Sorgen in die Zukunft. Sie fürchten Stellenabbau, wirtschaftliche Einbußen oder strukturelle Veränderungen, die ihren Job gefährden könnten.
Diese Unsicherheiten sind nicht nur emotional belastend, sondern beeinflussen auch die Motivation und Leistungsfähigkeit im Team. Ein Mangel an Sicherheit kann dazu führen, dass Mitarbeitende sich zurückziehen, weniger Initiative zeigen und insgesamt weniger engagiert sind.
Die Herausforderung für HR und Führungskräfte besteht darin, trotz dieser äußeren Umstände ein stabiles Arbeitsumfeld zu schaffen, das den Mitarbeitenden Orientierung und Halt gibt.
Warum Unsicherheit lähmt – der Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Leistung
Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), des Duke University Medical Center, der Charite Universitätsmedizin Berlin, der IfADo, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung. Wer sich sicher fühlt, kann besser arbeiten. Mit Zukunftsängsten und anhaltenden Sorgen im Hinterkopf fällt es schwerer, sich zu konzentrieren, Entscheidungen zu treffen und kreativ zu arbeiten. Diese mentale Belastung führt oft zu Ablenkung und vermindert die allgemeine Arbeitsleistung.
Gleichzeitig ist psychologische Sicherheit – also das Wissen, diese Sorgen ansprechen zu können, ohne negative Konsequenzen befürchten – entscheidend für eine gesunde Unternehmenskultur.
Wenn Unsicherheit und Angst den Arbeitsalltag bestimmen, sind die Folgen spürbar:
- Erhöhtes Stresslevel: Chronische Unsicherheit wirkt wie Dauerstress auf den Körper und kann zu Erschöpfung, Burnout oder sogar langfristigen gesundheitlichen Problemen führen.
- Weniger Innovationskraft: In einem unsicheren Umfeld gehen Mitarbeitende weniger Risiken ein. Anstatt neue Ideen und innovative Ansätze zu finden, greifen Mitarbeitende verstärkt auf bewährte Routinen zurück.
- Rückzug und innere Kündigung: Mitarbeitende, die sich unsicher oder nicht wertgeschätzt fühlen, ziehen sich innerlich zurück. Sie tun nur noch das Nötigste oder verlassen das Unternehmen am Ende sogar.
Besonders problematisch ist dies in Zeiten des Fachkräftemangels. Unternehmen können es sich schlicht nicht leisten, wertvolle Talente durch eine toxische oder unsichere Unternehmenskultur zu verlieren.
Unternehmenskultur als Anker in unsicheren Zeiten
Natürlich verschwinden äußere Unsicherheiten durch eine positive Unternehmenskultur nicht automatisch. Aber sie kann ein Gegengewicht schaffen. Drei Aspekte sind dabei besonders wichtig:
1. Psychologische Sicherheit und Vertrauen
Mitarbeitende müssen das Gefühl haben, offen über Bedenken und Herausforderungen sprechen zu können – ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Eine vertrauensvolle Umgebung fördert die Bereitschaft, neue Ideen einzubringen, Fehler als Lernmöglichkeiten zu betrachten und sich voll einzubringen. Führungskräfte spielen hier eine Schlüsselrolle. Sie müssen aktiv zuhören, offen für Feedback sein und selbst vorleben, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen.
2. Offene Kommunikation und transparentes Feedback
Unternehmen, die regelmäßig und transparent kommunizieren, verhindern Gerüchte und Ängste. Dabei geht es nicht nur um große Unternehmensentscheidungen – auch Updates zum Tagesgeschäft, Feedbackrunden oder informelle Gespräche tragen dazu bei, ein Gefühl der Kontrolle zu vermitteln.
3. Wertschätzung
Die Überzeugung, ein wertvoller Teil des Teams zu sein, stärkt die Motivation von Mitarbeitenden. Führungskräfte sollten gezielt positive Leistungen hervorheben, kleine und große Erfolge würdigen und individuelle Beiträge sichtbar machen. Anerkennung, das Einbeziehen in wichtige Prozesse oder und ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe können viel bewirken.
Was HR und Führungskräfte konkret tun können
Wie setzt man das nun konkret im Arbeitsalltag um? Aus meiner Sicht kommt es immer auf eine gute Mischung aus Sicherheit, Autonomie und wertschätzender Kommunikation an:
1. Transparent kommunizieren und Präsenz zeigen
Regelmäßige Meetings, offene Gesprächsrunden oder persönliche Check-ins mit Mitarbeitenden signalisieren: „Wir sind da. Wir hören euch zu.“ Besonders in herausfordernden Zeiten brauchen Mitarbeitende Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen, die Sicherheit vermitteln. Eine konsequent transparente Kommunikation zahlt sich zudem langfristig aus: Wenn trotz aller Bemühungen letztendlich doch Entlassungen oder Veränderungen notwendig werden, verstehen und akzeptieren die verbleibenden Mitarbeitenden diese Entscheidungen eher, weil sie den Prozess nachvollziehen können.
2. Erfolge sichtbar machen
Nicht nur große Meilensteine verdienen Aufmerksamkeit – auch kontinuierliche Fortschritte sollten anerkannt werden. Führungskräfte können gezielt kleine Erfolge betonen, um eine Kultur der positiven Verstärkung zu etablieren. Regelmäßige Updates, Team-Meetings oder interne Plattformen zur Anerkennung individueller Leistungen helfen dabei, Motivation und Engagement hochzuhalten
3. Pläne für die Krise darlegen
Es muss klar sein, welche konkreten Schritte das Unternehmen unternimmt, um Unsicherheiten entgegenzuwirken. Führungskräfte sollten Herausforderungen offen benennen und gleichzeitig aufzeigen, worauf der Fokus liegt und wie diese Herausforderungen bewältigt werden können. Diese Art der Kommunikation gibt den Mitarbeitenden das Gefühl, Einfluss nehmen zu können, anstatt sich der Situation hilflos ausgeliefert zu fühlen.
4. Mitarbeitende in Entscheidungen einbinden
Autonomie ist auch das Stichwort für eine weitere Maßnahme: Mitarbeitende sollten nicht nur informiert, sondern aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Das Gefühl von Autonomie und Kontrolle über die eigene Arbeit ist essenziell für Motivation. Das kann zum Beispiel durch Workshops, Umfragen oder kollaborative Projektarbeit geschehen.
5. Sichere Räume schaffen
Ein Unternehmen ist nicht nur ein Arbeitsort, sondern auch ein soziales System. Mitarbeitende müssen die Möglichkeit haben, sich auszutauschen, Sorgen zu teilen und Unterstützung zu bekommen. Unsere Gefühle zu erkennen, zu benennen und mitzuteilen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Bewältigung – ein offener Austausch über Emotionen hilft, Unsicherheiten zu reduzieren und ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Formate wie Mentoring-Programme oder einfach offene Gesprächsrunden mit Führungskräften helfen, Ängste abzubauen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.
6. Austausch unter Mitarbeitenden fördern
Schon allein der offene Austausch mit Kolleginnen und Kollegen über Zukunftsängste kann helfen, diesen etwas von ihrer Macht zu nehmen. Initiativen wie Peer-Support-Gruppen für themenbezogene Gespräche, Teambuilding-Events und interne Workshops fördern das Gemeinschaftsgefühl. Diese Maßnahmen helfen, ein kollegiales Netzwerk aufzubauen, das gegenseitige Unterstützung bietet und die mentale Belastung reduziert.
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7. Ressourcen zur Unterstützung des mentalen Wohlbefindens bereitstellen
Nicht alle Herausforderungen können im Team gelöst werden. Oft fällt es Mitarbeitenden leichter, mit unabhängigen, externen Fachleuten über Probleme zu sprechen – sei es durch Sitzungen mit Psychologen oder Psychologinnen, externe Beratungsangebote oder interne Anlaufstellen für mentale Unterstützung. Zudem verfügen Führungskräfte nicht immer über die nötige Expertise, um Mitarbeitende in schwierigen Situationen angemessen zu unterstützen. Daher ist es ungemein wichtig, ergänzende professionelle Ressourcen bereitzustellen.
Fazit: Stimmung macht man – und HR kann sie gestalten
Ja, die Zeiten sind herausfordernd. Aber Unternehmen sind nicht machtlos. Sie können aktiv eine Kultur schaffen, die Vertrauen, Sicherheit und Motivation fördert. Führungskräfte und HR haben hier eine enorme Gestaltungsmöglichkeit: Durch klare Kommunikation, gezielte Wertschätzung und psychologische Sicherheit können sie ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich Mitarbeitende auch in unsicheren Zeiten gesehen, gehört und wertgeschätzt fühlen.
Unsicherheit wird es immer geben. Aber wie wir damit umgehen – das liegt in unserer Hand.